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Meinung

Meinung zu Sebastian Kurz’ Rückzug
Ein kleiner Geist mit einem grossen Ego

Ex-Kanzler Sebastian Kurz hatte einmal das Image des Alleskönners.  
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Nun ist es so weit, die Ära Kurz ist auch offiziell zu Ende. Es passt zur Karriere des Senkrechtstarters aus Österreich, dass neben dem Boulevardblatt «Kronen Zeitung» die deutsche «Bild»-Zeitung zuerst davon erfuhr, dass sich Kurz nach dem Kanzleramt nun auch aus allen anderen politischen Ämtern zurückziehen wolle. Sebastian Kurz hatte schliesslich nicht nur seinen Aufstieg mithilfe des Boulevards beschleunigt und mit dessen Hilfe regiert, sondern auch immer mit einem Auge auf den Applaus seiner Fans jenseits der Landesgrenzen geschielt.

Als Integrationsstaatssekretär und späterer Aussenminister hatte er sich in der sogenannten Flüchtlingskrise früh von Angela Merkel und dem deutschen Kurs abgesetzt und sich auf die Seite der europäischen Hardliner geschlagen, wenn es um Asylfragen und Grenzschliessungen ging.

Vorbei. Kurz hat sich selbst ins Aus befördert – durch eine ganz andere Art der Abschottung: Er hatte gemeinsam mit einem kleinen Team von engen Vertrauten seinen Aufstieg akribisch geplant und mit diesem gemeinsam regiert, hatte sich alle Macht in der Partei gesichert, per Message-Control kritische Medien auf Linie zu bringen versucht und den gesellschaftlichen Diskurs, die Einbindung der Opposition, selbst die Gespräche mit dem Koalitionspartner auf ein Minimum reduziert.

Treu ergebene Mitstreiter

Seine Truppe von Getreuen umgab ihn bis zuletzt und hätte wohl alles für ihn getan, solange es dem Chef und der türkisen Bewegung diente. Das Kanzleramt unter Kurz – das war eine Art Closed Shop mit einer rigiden Corporate Identity. Kein Wunder, dass er nun offenbar in die Wirtschaft wechselt.

Politik indes wurde unter ihm zum Selbstzweck und zur Selbstbedienung. Darauf weisen jedenfalls die Ermittlungen der Korruptionsstaatsanwaltschaft hin, die sich gegen das enge Umfeld des Ex-Kanzlers richten. Sie zeigen, dass die selbst ernannten Kurz-Prätorianer den Staat als Eigentum und den Rechtsstaat als Mühsal betrachteten.

Wenn man seine Befragungen vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss, das Vernehmungsprotokoll vor einem Richter, seine Pressekonferenzen, seine Rücktrittserklärung las und hörte, dann präsentierte Kurz sich immer als Mann des Ausweichens und der Ausreden. Einer, der andere schlecht aussehen liess und im Zweifel alte Freunde nicht mehr kannte. Der keine Verantwortung übernahm, wo er sie ganz offensichtlich trug. Ein kleiner Geist mit einem grossen Ego.

Schliesslich zweifelte seine Partei

Dass sich ihm die Partei trotzdem andiente und unterwarf, dass er trotzdem zwei Wahlsiege holte und mit der FPÖ, später mit den Grünen zwei so unterschiedliche Koalitionspartner gewann, mag seinem Image als junger Alleskönner geschuldet sein. Sein Aufstieg war aber vor allem auch ein Vorbote jener zunehmend populistischen, nationalistischen, spalterischen, aggressiven Stimmung, die sich nicht erst mit der Corona-Pandemie in Europa ausbreitet.

Kurz stand, ähnlich wie Viktor Orbán in Ungarn und Jarosław Kaczyński in Polen, früh für einen Kurs der europäischen Desintegration und der gesellschaftlichen Härte gegen Schwache und Fremde. Dass sich diese politische Grundhaltung zum Mainstream entwickelte, darauf war Kurz auf kuriose Weise immer stolz.

Seine Partei war da ambivalenter. Christliche und traditionell konservative Kreise hatten wachsende Zweifel am zunehmend defensiven Showman Kurz. Er hat jetzt das Feld geräumt für eine Neuaufstellung. Es wurde Zeit.