Posse um Antoine GriezmannEin Fussball-Weltmeister wird zum Running Gag
40 Millionen Euro? Bei Atlético Madrid haben sie gemerkt, dass das doch etwas viel ist für den Franzosen, und greifen deshalb in die Trickkiste – mit Erfolg.
Antoine Griezmann war in seiner Karriere bisher so einiges: Weltmeister, EM-Torschützenkönig, Europa-League-Sieger, Verräter, Nations-League-Gewinner. Momentan ist der Franzose aber vor allem eines: der Running Gag des Weltfussballs.
Denn mittlerweile weiss jeder Fan: Bricht die letzte halbe Stunde einer Partie von Atlético Madrid an, ist mit Sicherheit gleich Griezmann zu sehen, wie er von Trainer Diego Simeone die letzten Instruktionen erhält, bevor er eingewechselt wird. Nicht in der 70. Minute. Auch nicht direkt nach der Pause. Nein, es ist immer um die 60. Minute. Griezmann, der hochdekorierte Fussballer, ist nur noch ein Spielball zweier Vertragsparteien.
Indirekt dürfte der 31-Jährige selber daran schuld sein, aber das wusste er noch nicht, als er im Sommer 2018 Hauptdarsteller der aufwendig produzierten Dokumentation «La Decisión» war. Damals gehörte er zu den besten Stürmern der Welt, war vom FC Barcelona umworben, der Streifen drehte sich um seine Entscheidung, ob er bei Atlético bleibt oder nach Katalonien wechselt. «Hier kannst du zur Legende werden», sagte ihm seine Frau damals. Also blieb Griezmann, trotz Pfiffen eigener Fans, die ihn bereits als Verräter abkanzelten, weil in den Medien über den Transfer zu Barça spekuliert wurde. Er blieb, weil er eine Vereinslegende werden wollte – und wechselte ein Jahr später doch.
120 Millionen Euro liessen sich die spendablen Katalanen den Spass kosten, es hiess, dass Lionel Messi ausser sich gewesen sein soll. Ein Jahr zuvor soll er Griezmann höchstpersönlich angerufen haben, um ihn vom Wechsel zu überzeugen. Viele in Barcelona fühlten sich nach Griezmanns «decisión» benutzt, und dass die Doku von Kosmos produziert wurde, einem Unternehmen, das Barça-Verteidiger Gerard Piqué gehört, machte alles nicht besser.
Auch Atlético wird kreativ
Griezmann hatte also von Beginn an einen schweren Stand, wurde auch im Camp Nou von den eigenen Fans immer mal wieder ausgepfiffen, sein dicker Gehaltsscheck machte das alles nicht leichter. 45 Millionen brutto soll er jährlich verdient haben, das stand in keinem Verhältnis zu seinen Leistungen. Auch deshalb wollte ihn Barcelonas neuer Vereinspräsident Joan Laporta unbedingt loswerden. Nur: Wer bezahlt noch üppig Ablöse für einen Spieler, der so viel Geld verdient?
Also mussten sie bei Barcelona kreativ werden, sie arrangierten mit Atlético Madrid eine zweijährige Leihe, verbunden mit einer Gebühr von zehn Millionen Euro. Hinzu kommt eine Kaufpflicht, die aktiviert wird, falls Griezmann in mindestens 50 Prozent aller Spiele mindestens 45 Minuten absolviert. In der ersten Saison seiner Rückkehr war das in 81 Prozent der Matchs der Fall.
Über die Sommerpause schienen die Atlético-Verantwortlichen aber etwas reflektiert zu haben. Mit der Erkenntnis: 40 Millionen für einen 31-Jährigen, der vergangene Spielzeit 8 Tore in 36 Partien erzielte? Schon noch viel, irgendwie. Also wurden sie auch in der Hauptstadt kreativ. Sie fanden heraus: Auch bei einer in Spanien mittlerweile gar nicht mal so unüblichen Nachspielzeit von rund zehn Minuten bleibt Griezmann unter 45 Einsatzminuten, wenn er nach einer Stunde reinkommt. Also spielt Trainer Simeone dieses Spiel in allen sieben Matchs: 62., 62., 64., 63., 61., 63. und wieder 63. Minute: Das sind die Zeiten, in denen Griezmann eingewechselt wird – und die deshalb zum Running Gag im Fussball mutieren. Ob das Absicht sei, wurde Simeone mal gefragt. Er wich aus, wenn auch nur halbherzig: «Ich bin ein Mann des Clubs, das weiss mittlerweile jeder.»
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Natürlich haben das auch die Verantwortlichen des FC Barcelona gemerkt, im Frust kündigten sie eine Klage an. Nach ihrem Verständnis war das zweite Leihjahr optional, es zähle die Einsatzzeit des ersten Vertragsjahres. Atleti-Präsident Enrique Cerezo scheint das nicht gross zu beunruhigen, er habe noch keinen Brief von Anwälten erhalten, sagte er: «Und wenn, dann wird das wertlos sein.»
Vielleicht haben sie das auch in Katalonien eingesehen, Medienberichten zufolge sollen die Vereine neu verhandeln und sich bei einem Kompromiss von 25 Millionen Euro getroffen haben. Eine Bestätigung steht aber noch aus.
Und Griezmann? Der akzeptiert die Situation scheinbar klaglos, er könne sowieso nichts daran ändern, sagte er kürzlich. Und wenn er gegen Porto in der 11. Minute der Nachspielzeit den 2:1-Siegtreffer erzielt, küsst er das Vereinslogo und lässt sich von Simeone abknutschen. Nur um ein paar Tage später wieder auf der Ersatzbank Platz zu nehmen – bis zur 60. Minute.
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