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Sensation bei den Kommunalwahlen in Rumänien
Ein Deutscher regiert jetzt eine rumänische Metropole

Er kümmerte sich anfangs um obdachlose Kinder: Dominic Fritz, neu gewählter Bürgermeister von Temeswar.
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Die 300’000-Einwohner-Stadt Temeswar (rumänisch: Timișoara) hat im Dezember 1989 Revolutionsgeschichte geschrieben: Damals sollte ein Pfarrer der reformierten Gemeinde, der sich kritisch über Diktator Nicolae Ceausescu geäussert hatte, zwangsumgesiedelt werden. Die Bevölkerung versuchte, ihn gegen die Securitate zu schützen, am Ende wurde aus der Aktion ein Aufstand mit Strassenschlachten und Toten. Tage später wurde Ceausescu standrechtlich erschossen.

Nun hat sich in der multikulturell geprägten Stadt im Dreiländereck von Rumänien, Serbien und Ungarn erneut eine Revolution vollzogen – wenngleich diesmal eine kleine: Ein Deutscher, der als junger Mann nach dem Abitur an einer Jesuitenschule im Schwarzwald für ein soziales Jahr nach Temeswar gekommen war, verliebte sich in Land und Leute – und kehrte immer wieder zurück. Er hatte sich anfangs um obdachlose Kinder gekümmert, hielt den Kontakt, sah die grossen sozialen Probleme, die Korruption, die schleppende Vergangenheitsbewältigung und zog vor einem Jahr ganz nach Temeswar.

Geschichte geschrieben

Am Sonntag ist Dominic Samuel Fritz aus dem Dorf Görwihl im Kreis Waldshut nahe der Schweizer Grenze zum Bürgermeister der drittgrössten Stadt Rumäniens gewählt worden. Es sei eine «unglaublich grosse Ehre» für ihn, rief er seinen jubelnden Fans zu, als sich sein Sieg abzeichnete. «Jetzt schreibt ihr Geschichte, denn zum ersten Mal in der Geschichte wird in Rumänien ein Bürgermeister gewählt, der nicht in Rumänien geboren ist, der keine Wurzeln hier hat!»

Für den neuen Job gab der 37-jährige Politik- und Verwaltungswissenschaftler, der Studienaufenthalte in den USA, Grossbritannien und Frankreich absolvierte, eine Karriere in Deutschland auf: Er war zeitweilig bei den Grünen engagiert gewesen und hatte im Büro des früheren deutschen Bundespräsidenten Horst Köhler gearbeitet, zuletzt als Büroleiter. In der EU dürfen auch Einwohner, die keinen Pass des jeweiligen Landes haben, zu Wahlen antreten. In Temeswar mit seinen deutschen und jüdischen Wurzeln und seinem Sprachengemisch habe er begriffen, sagte Fritz seiner ehemaligen Heimatzeitung, dem «Schwarzwälder Boten», «was Europa ist».

2021 wird Temeswar Kulturhauptstadt Europas, Fritz will «das Potenzial der Stadt heben».

Er spricht mittlerweile akzentfrei Rumänisch und hat als passionierter Musiker, der Cello und Klavier spielt, einen beliebten Gospelchor begründet, der ihn in der Stadt bekannt machte. Als eines von acht Kindern habe er, so Fritz, in der Grossfamilie kämpfen, verhandeln, Niederlagen einstecken gelernt, das habe ihn zum Politiker gemacht.

Nun will er sich 1200 Kilometer entfernt von Berlin, wo er zuletzt lebte, in der Hauptstadt des ehemaligen Banat in der österreichisch-ungarischen Monarchie, mit voller Kraft in seine neue Arbeit werfen. Jahrelang ist er gependelt, hat monatelang Wahlkampf für die USR (Union zur Rettung Rumäniens), eine liberale Antikorruptionspartei, gemacht und will nun «Grenzen überschreiten» – in vielerlei Hinsicht.

2021 wird Temeswar Kulturhauptstadt Europas, Fritz will «das Potenzial der Stadt heben», wie er der Deutschen Welle sagte. Vor allem aber will er seine proeuropäische Partei USR weiter voranbringen. Sie konnte sich in den Kommunalwahlen vom vergangenen Wochenende in mehreren Grossstädten durchsetzen, so etwa in Klausenburg (Cluj-Napoca) und in Bukarest.

Stimmungstest für die Wahlen im Dezember

Die etablierten Volksparteien verloren landesweit, allerdings wurden die regierenden Nationalliberalen (PNL) von Ministerpräsident Ludovic Orban stärkste Partei. Die Postkommunisten, die wegen der Aushöhlung des Rechtsstaats und einer Abwendung von der EU nach einer Regierungskrise im Machtkampf mit der PNL unterlagen und 2019 ihre Mehrheit verloren, erlitten starke Einbussen. Die Wahlen gelten als Stimmungstest für die Parlamentswahlen Anfang Dezember. Dominic Samuel Fritz will in Temeswar jetzt Zeichen setzen: Er verspricht ein transparentes Rathaus – und eine transparente Politik.