Ein Buch – drei Meinungen
Drei Redner haben am Literaturclub der Lesegesellschaft Wädenswil fünf Bücher besprochen. Es standen Werke mit «gewaltigem» Inhalt im Zentrum des Abends.
Im Theater Ticino ist es am Dienstagabend heftig zu und her gegangen. Beim Literaturclub der Lesegesellschaft Wädenswil geht es um Gewalt, Krieg und Mord. Die drei eingeladenen Redner besprachen fünf literarische Neuerscheinungen des letzten Jahres.Angelehnt an das Format «Literaturclub» des Schweizer Fernsehens weicht diese Veranstaltung denn in ein einem entscheidenden Punkt von seinem TV-Vorbild ab: Es ist kein Kräftemessen zwischen Literaturwissenschaftlern, sondern eine Diskussion mit Vertretern aus unterschiedlichsten Bereichen, die ihre Faszination für Bücher teilen.
Die Gäste auf der Bühne sind zwischen 30 und 40 Jahre alt. Valérie Arato Salzer ist Kulturbeauftragte beim Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund. Patrick Ilg arbeitet als Kommunikationsexperte beim Architekturbüro Herzog & de Meuron. Die einzige Literaturwissenschaftlerin unter den eingeladenen Gästen ist Andrea Elmer. Der vierte im Bunde, Reto Kohler, Produzent und Redaktor beim SRF, ist an diesem Abend verhindert.
Jeder ist Experte
Die Zusammensetzung der Gäste ist seit der Erstaufführung 2015 gleich. Es sind Freunde von Nicole Dreyfus, der Initiantin der Veranstaltung, welche gleichzeitig auch das Gespräch moderiert. «Ich habe bewusst mit dem klassischen Schema der Expertenrunde bei Buchbesprechungen gebrochen», sagt die Journalistin und Historikerin aus Zürich. Mit ihrem Format will Dreyfus, die ebenfalls Literatur studiert hat, aufzeigen, dass man keinen Doktortitel braucht, um sich mit Büchern auseinanderzusetzen und sich über Literatur zu unterhalten. Ruedi Peter, Präsident der Lesegesellschaft Wädenswil, bestärkt Dreyfus: «Für mich liegt die Stärke dieser Veranstaltung darin, dass sie aufzeigt, wie verschieden dasselbe Buch von unterschiedlichen Lesern aufgenommen und interpretiert werden kann.»
Happige Kost
Die Bücherliste entstehe in langen Diskussionen, berichtet Nicole Dreyfus. Jedes Jahr würden sie die verschiedenen internationalen Buchpreislisten nach interessanten Neuerscheinungen durchkämmen. Was heute Abend auf dem Programm steht, ist keine leichte Kost.
«Schildkrötensoldat» von Melinda Nadj Abonji erzählt vom Erwachsenwerden im Jugoslawienkrieg. In Leïla Slimanis «Dann schlaf auch Du» ermordet die Nanny die ihr anvertrauten Kinder. «Ausser Sich» von Sasha Marianna Salzmann handelt von der ungehaltenen Suche nach Identität. Um eine Vergewaltigung geht es in «Im Herzen der Gewalt» von Édouard Louis. Und Olga Grjasnowas «Gott ist nicht schüchtern» spielt vor dem Hintergrund des Syrienkriegs.
Angeregte Diskussionen
Nicole Dreyfus schafft mit Vergleichen zur Literaturgeschichte und mit Verweisen auf aktuelle gesellschaftliche Geschehnisse eine angeregte Diskussion. Die drei Redner sind sattelfest in allen fünf Büchern, scheuen sich auch nicht, ein scharfes Urteil abzugeben oder den Kollegen zu widersprechen.
Wenn Patrick Ilg die Handlung in «Dann schlaf auch Du» mit der Vorhersehbarkeit von Soap Operas vergleicht oder Valérie Arato Salzer den Protagonisten von Édouard Louis einen Jammerlappen nennt, geht ein Schmunzeln durch die Reihen der Zuschauer. Ansonsten lauschen die rund 20 Besucher stillschweigend den Gesprächen auf der Bühne.
Um zehn Uhr abends ist die Veranstaltung vorüber; die Besucher lassen den Abend noch kurz an der Bar Revue passieren. Nicole Giger aus Zürich sass auch schon bei den zwei letzten Literaturclubs im Publikum: «Wenn ich anderen zuhöre, wie sie sich über Bücher unterhalten, bekomme ich Inspiration für neuen Lesestoff.»
Die nächste Veranstaltung der Lesegesellschaft ist «Die Katze mit 9 Leben – Geschichten über Geschichten», erzählt von Sibylle Baumann, Panflöte: Jörg Frei. Mittwoch, 14. März, im Kalthaus der ZHAW, Grüental, Wädenswil.
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