Schweizer Waffen für die WM in Katar«Ein Argument mehr, den Waffenexport zu verschärfen»
Ein Schweizer Rüstungsunternehmen liefert Kanonen nach Katar, um Fussballstadien zu schützen. Parlamentarierinnen sind über den neuesten Waffendeal entsetzt.
Nächstes Jahr findet die Fussball-Weltmeisterschaft im arabischen Emirat Katar statt. Mit dabei die Schweiz – als Waffenlieferantin.
Die Rüstungsfirma Rheinmetall Air Defence mit Hauptsitz in Zürich exportiert gemäss einer Recherche von «Blick» und «Beobachter» zwei Flugabwehrsysteme nach Katar. Die Kanonen sollen die Fussballstadien während der WM vor Luftangriffen schützen. Der Verkaufspreis beläuft sich auf 200 Millionen Franken. Fabian Ochsner, CEO von Rheinmetall Air Defence, sagte auf Blick TV: «Wir verkaufen Verteidigungssysteme. Wenn man die Systeme einem Staat nicht geben würde, würden wir ihm das Recht auf Verteidigung nicht zugestehen.»
Der Deal mit Katar ist umstritten, weil im Land Menschenrechte verletzt werden. Laut einem Bericht der englischen Zeitung «Guardian» sind seit der Vergabe der WM vor zehn Jahren 6500 Menschen aus Indien, Pakistan, Nepal, Sri Lanka gestorben, die sich als Arbeitsmigranten in Katar aufgehalten hatten. Die WM-Organisatorin Fifa schreibt von drei Toten auf WM-Baustellen.
Amnesty International forderte die Fifa auf, ihre Verantwortung wahrzunehmen und drohende Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit dem Fussballturnier zu verhindern: «Die Fussball-Weltmeisterschaft wäre ohne Arbeitsmigrantinnen schlicht nicht möglich. Das Leben vieler Gastarbeiter in Katar ist aber weiter von Missbrauch und Ausbeutung geprägt.»
Aussendepartement zeigte sich beunruhigt
Das Aussendepartement hatte das Exportgesuch von Rheinmetall Air Defence beurteilt. Es zeigte sich ob der Menschenrechtslage in Katar zwar beunruhigt: «Katar verletzte zum Zeitpunkt der Gesuchsbeurteilung 2019 insbesondere aufgrund der Situation der Arbeitsemigranten sowie der Einschränkungen der Meinungsäusserungs- und Versammlungsfreiheit die Menschenrechte systematisch und schwerwiegend.» Dennoch hat das Departement die Ausfuhr bewilligt.
Dies war möglich, weil der Bundesrat 2014 mit einer Ausnahmeregelung die Kriegsmaterialverordnung gelockert hatte. Die Regelung erlaubt Lieferungen von Kriegsmaterial auch in Länder mit schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen – sofern das Risiko gering ist, dass das Material für Menschenrechtsverletzungen verwendet wird.
Ständerat stimmte für Verschärfung
Die Sonderregelung gab Anlass für die Korrekturinitiative, die 2018 von SP, Grünen, GLP und BDP lanciert wurde. Die Initiative verlangt eine Verschärfung der Exporte von Kriegsmaterial: Die Schweiz soll unter keinen Umständen Waffen in Länder liefern dürfen, die systematisch und schwerwiegend die Menschenrechte verletzen. Diese Woche hat der Ständerat dem Gegenvorschlag zur Initiative zugestimmt: Die Ausnahmeregelung soll gestrichen werden. Der Nationalrat wird in der Herbstsession darüber befinden.
Priska Seiler Graf, SP-Nationalrätin und Mitglied der Sicherheitspolitischen Kommission, sagt: «Das Rüstungsgeschäft mit Katar ist ein Argument mehr, den Waffenexport zu verschärfen.» Fällt die Ausnahmeregelung weg, wären solche Geschäfte kaum mehr möglich. Seiler Graf sagt, die Schweiz könne sich nicht für ihre humanitäre Tradition und ihre Guten Dienste rühmen, aber gleichzeitig instabile Länder, die Menschenrechte verletzen, mit Kriegsmaterial beliefern. «So machen wir uns unglaubwürdig.» Die grüne Politikerin Marionna Schlatter findet den Katar-Deal einen «Skandal». Sie ist überzeugt, dass er die nationalrätliche Abstimmung beeinflussen wird.
Für Martin Candinas, Sicherheitspolitiker der Mitte, ist das Rüstungsgeschäft mit Katar nicht stossend. «Gemäss dem geltenden Gesetz sind solche Exporte erlaubt.» Im Fall Katar gehe es immerhin um den Schutz von Gästen, die an einem weltweiten Anlass zusammenkommen. Aber auch Candinas wird in der Herbstsession für eine Verschärfung der Waffenexporte stimmen.
Fraglich ist, ob Katar die Luftabwehrsysteme wirklich für die WM-Stadien und nicht vielmehr zur Landesverteidigung einsetzen wird. Katar rüstet seit Jahren militärisch auf, 2014 hat es für 23 Milliarden Dollar Kampfhelikopter, Lenkraketen und andere Waffen eingekauft. Der Nahostexperte Roland Popp sagte im «Beobachter», die veränderte Bedrohungslage in der Region sei wohl der wahre Grund für den Kauf der Flugabwehrsysteme – nicht die WM. «Militärische Drohnen, Marschflugkörper und Raketen sind sehr viel präziser geworden.» Einige nahöstliche Staaten seien seit kurzem in der Lage, Ziele aus grosser Distanz metergenau aus der Luft anzugreifen.
SVP-Nationalrat Jean-Luc Addor sagt: «Kriege hat es immer gegeben, leider. Das wird auch so bleiben.» Daher werde es immer eine Nachfrage nach Waffen geben. Verzichte die Schweiz darauf, diese Nachfrage zu befriedigen, opfere sie Tausende Arbeitsplätze.
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