Editorial zur Schwäche der USAJoe Biden nimmt niemand mehr ernst
Der US-Präsident hat keine Kraft mehr, Kamala Harris hat nichts zu sagen, und Donald Trump macht Wahlkampf. Die Weltmacht Amerika ist mit sich selber beschäftigt, ihre Feinde freuts.
Es ist ein halbes Jahr her, da trat Joe Biden vor die Kamera und verkündete, dank seiner Hilfe gebe es jetzt bald einen Waffenstillstand in Gaza und die israelischen Geiseln kämen bald frei. Im Nahen Osten kehre so wieder der Frieden ein, davon waren die Amerikaner überzeugt. Das Gegenteil ist eingetreten. Der Krieg zwischen der Hamas und Israel hat sich zum Konflikt zwischen Israel, der Hizbollah, den Huthi, dem Libanon und dem Iran ausgeweitet. Die Schifffahrt durch den Suezkanal stockt, und ob das Öl und Gas aus Dubai, Katar und Kuwait noch lange durch den Golf von Oman kommt, ist fraglich.
Genauso überzeugt waren die Amerikaner, dass die 60 Milliarden Dollar Waffenhilfe, die der Kongress Anfang Jahr endlich freigegeben hatte, in der Ukraine eine Wende auf dem Schlachtfeld bringen würde. Das Gegenteil ist passiert, die Russen sind seit Monaten auf dem Vormarsch. Nicht schnell, aber stetig erobern sie Dorf um Dorf, und der Westen tut nichts. Niemand nimmt mehr Wolodimir Selenski ernst, wenn er seinen Siegesplan vorstellen will. Und was das amerikanische Institute for the Study of War neuerdings behauptet –nämlich, dass dies eine ausgeklügelte Strategie des kontrollierten Rückzugs sei –, glaubt auch kaum einer.
Doch nicht nur an diesen beiden Brennpunkten haben die Amerikaner und ihre Verbündeten in den letzten Jahren nur noch verloren, sondern auch in Afrika. Die Sahelzone, bis vor einem Jahr noch Einflussbereich der Franzosen und ihrer Verbündeten, der USA, ist verloren. Dort sind jetzt Diktatoren von Russlands Gnaden an der Macht. Schlimmer noch, Venezuelas Präsident Nicolás Maduro hat zum wiederholten Mal die Wahlen gefälscht, die Amerikaner haben zum wiederholten Mal den Oppositionschef als legitimen Präsidenten anerkannt, und trotzdem haben sie die Sanktionen gelockert. Nicaraguas Ex-Revolutionär Daniel Ortega bestiehlt sein Volk, knüppelt Aufstände nieder und tut nicht einmal mehr so, als gäbe es demokratische Wahlen. Selbst im amerikanischen Hinterhof, in Venezuela und Nicaragua, machen Moskau-hörige Langzeitdiktatoren, was sie wollen.
Man kann hinschauen, wo man will, die USA, das wirtschaftlich und militärisch mächtigste Land, sind auf dem Rückzug vor Gegnern, die auf dem Papier viel schwächer sind. Wenn Joe Biden hinsteht, mahnt, droht und sagt, wie es sein sollte, passiert: gar nichts. Sein Aussenminister Antony Blinken reist zwar unablässig um die Welt, aber dort, wo es brennt, hat er noch keinen sichtbaren Erfolg erzielt. Man kann es drehen und wenden, wie man will: Joe Biden ist eigentlich der mächtigste Mann der Welt, aber niemand nimmt ihn mehr ernst.
Das hat einerseits mit seiner gesundheitlichen Verfassung zu tun. Dafür kann er zwar nichts, aber er hat es viel zu lange vertuscht. Ein Amt wie das des amerikanischen Präsidenten, das so auf eine Person zugeschnitten ist, die fast alles entscheiden muss, kann nicht jemand ausführen, der so angeschlagen ist. Hinzu kommt, dass selbst bei den Demokraten niemand mehr auf ihn schaut, sondern alle an Kamala Harris’ Lippen hängen. Die sagt aus lauter Angst, einen Fehler zu machen und das knappe Rennen gegen Trump zu verlieren, zu all den aussenpolitischen Fragen nichts Konkretes. Also auch nichts, was irgendjemanden in der Welt beeindrucken würde. Das ist zwar den Amerikanern egal, aber es schwächt die USA ungemein.
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