US-WahlenDroht bei den US-Wahlen ein Informations-Chaos?
Die grossen Social-Media-Plattformen wappnen sich für den Kampf gegen Fake News am Wahltag. Bei Youtube und Reddit herrscht besorgniserregende Gelassenheit.
Die Präsidentschaftswahlen in den USA stellen auch die Social-Media-Plattformen vor besondere Herausforderungen. Im Fokus steht der Wahltag selbst, vor allem, da ein knapper Ausgang durchaus möglich scheint. Es wird sogar damit gerechnet, dass das Ergebnis nicht bald nach Schliessung der Wahllokale feststeht, sondern erst Tage oder Wochen später.
Grund dafür ist zum einen die hohe Wahlbeteiligung per Post und die Möglichkeit in einzelnen Teilstaaten, Stimmen auch dann noch zu zählen, wenn sie am Wahltag abgeschickt wurden. Zum anderen wäre da die Wahrscheinlichkeit rechtlicher Anfechtungen. Die Anwälte der Kandidaten Donald Trump und Joe Biden sind bereits auf den Gang vor Gerichte vorbereitet.
Nicht alle wappnen sich
Hingegen hat Präsident Trump am vergangenen Montag auf Twitter gefordert, es müsse am Wahltag Klarheit über das Ergebnis herrschen. Es ist also durchaus ein Szenario denkbar, in dem eine Seite den Wahlsieg für sich reklamiert, obwohl noch kein amtliches Endergebnis feststeht.
Ausserdem könnten Akteure versuchen, Zweifel an der Rechtmässigkeit des demokratischen Prozesses zu säen oder durch Desinformation oder Gewaltandrohungen Wählende von der Stimmabgabe abzuhalten. Für diese Eventualitäten wappnen sich einige Social-Media-Plattformen – aber nicht alle.
Facebook und Instagram
Die grösste Social-Media-Plattform der Welt sah sich in der Vergangenheit immer wieder Vorwürfen ausgesetzt, zu wenig gegen Desinformation zu unternehmen. Für die US-Wahlen betreibt Facebook ein sogenanntes «Election Operations Center», das seit 2018 immer wieder zum Einsatz kam. Es beobachtet Postings und Entwicklungen rund um die Wahlen und schreitet, falls es nötig werden sollte, ein.
Am Wahltag werden nach Schliessung der Wahllokale sowohl auf Facebook als auch bei Instagram Verweise auf das «Voting Information Center» eingeblendet, in dem der Fortschritt bei der Stimmenauszählung für Nutzer dokumentiert wird. Sollte einer der Kandidaten oder eine Partei den Sieg für sich beanspruchen, bevor er von mehreren Medien bestätigt wird, bekommen Userinnen eine Meldung angezeigt, dass die Auszählung der Stimmen noch läuft und kein Gewinner ausgerufen wurde.
Wenn mehrere grosse Medienhäuser übereinstimmend einen Kandidaten zum Sieger erklären, wird dies ebenfalls angezeigt. Weiterhin versieht Facebook alle Posts, die die Legitimität des Wahlprozesses (beispielsweise der Briefwahl) anzweifeln, mit einem Informationshinweis. Besonderes Augenmerk liegt rund um den Wahltag auch auf Postings, die eine Behinderung der Wahlabgabe andeuten, beispielsweise wenn jemand dazu aufruft, bewaffnet ins Wahllokal zu gehen.
Der Kurznachrichtendienst hat für die US-Wahlen seine «Civic Integrity Policy» erweitert. Wird hier ein Gewinner ausgerufen, bevor offizielle Stellen oder mindestens zwei nationale Medienhäuser ihn bestätigen, werden entsprechende Tweets mit einem Warnhinweis versehen. Auch Twitter hat eine Website, die über den Fortschritt der Stimmenauszählung informiert. Tweets, die zu einer Wahlbehinderung oder zu Einschüchterungen von Wählenden aufrufen oder die Umsetzung des Wahlergebnisses verhindern sollen, können entfernt werden.
Irreführende Tweets (nicht nur zu den Wahlen, beispielsweise auch zu Corona) werden bereits seit einiger Zeit entsprechend gekennzeichnet, zusätzlich werden Personen, die derartige Tweets weiterverbreiten wollen, Warnhinweise und weiterführende Information angezeigt, bevor sie den Retweet tätigen können.
Neu werden Tweets, die irreführende Informationen erhalten, erst angezeigt, wenn man sich durch diverse Warnhinweise und Informationen getippt hat. Trumps Tweet mit der Forderung nach einem klaren Ergebnis am Wahltag ist beispielsweise auf diese Art verschleiert, da er im gleichen Tweet eine widerlegte falsche Behauptung zur Briefwahl aufstellt. Derartige Tweets sollen laut Twitter vom Algorithmus herabgestuft werden und so weniger Reichweite erhalten.
Youtube
Die grösste Video-Streamingplattform der Welt gibt sich deutlich zurückhaltender. Es seien bereits zahlreiche Mechanismen implementiert, die die Verbreitung von Desinformation eindämmen sollen. Darüber hinaus blendet Youtube am Wahltag auf seiner Seite lediglich einen Link zu weiterführenden Informationen zu aktuellen Entwicklungen an, wenn man nach wahlverwandten Themen sucht.
Während der Wahlnacht sollen Kanäle von etablierten Medien wie CNN oder Fox News besonders promoted werden, die in Livestreams über die Wahlen berichten.
Tiktok
Auch wenn sich die vor allem bei jüngeren Userinnen beliebte Kurzvideoplattform Tiktok nicht in erster Linie als Informationsmedium sieht, verdeutlichen die Betreiber, wie sie ihre Community-Richtlinien im Hinblick auf die Wahlen anpassen: Inhalte, die den Glauben an demokratische Einrichtungen oder die Rechtmässigkeit der Wahlen untergraben oder Bürger vom Wählen abhalten sollen, werden entfernt.
Inhalte, die nicht belegte oder belegbare Behauptungen aufstellen – dazu gehört explizit auch das Deklarieren eines Wahlsiegers, solange das nicht offiziell bestätigt ist –, können in ihrer Reichweite eingeschränkt werden. Darüber hinaus wird seit vergangenem Donnerstag bei nicht belegbaren Behauptungen über den Wahlprozess, einem vorzeitigem Ausrufen eines Gewinners oder bei Versuchen, Wählerinnen von der Stimmabgabe abzuhalten, ein Link zu Tiktoks Wahlinformationsseite eingeblendet.
Keine besonderen Moderationsregeln hat das Megaforum Reddit für die US-Wahlen eingerichtet. Weite Teile der Plattform werden ohnehin von Usern moderiert. Diese Selbstregulierung funktioniere im Grossen und Ganzen sehr gut, sagt CEO Steve Huffman, der im September lediglich einen neuen Umgang mit politischer Werbung auf der Plattform ankündigte.
Reddit ist neben Twitter vermutlich der Social-Media-Kanal, über den sich Nachrichten am schnellsten verbreiten und bei dem tatsächlich eine sehr aktive Userschaft zügig auf Fehlentwicklungen reagiert. Ob das Vertrauen auf die selbstreinigenden Kräfte auch in der Wahlnacht ausreicht, wird sich zeigen.
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