Bundesrat gibt grünes LichtDrei Kantone werden bei den Wahlen zu Versuchskaninchen für E-Voting
In Basel-Stadt, St. Gallen und Thurgau dürfen im Herbst 65’000 Personen elektronisch wählen. Gegner drohen mit der Neulancierung der Initiative für ein Moratorium.

Während Spätentschlossene mit ihrem Stimmcouvert noch am Morgen des Wahlsonntags an die Urne rennen können, ist Wählen und Abstimmen für Auslandschweizer eine harzige Sache. Immer wieder kommen Unterlagen zu spät an. Oder gar nicht.
Die Auslandschweizer-Organisation (ASO) fordert deshalb Bundesrat und Parlament seit Jahren dazu auf, das E-Voting voranzutreiben. Für Ariane Rustichelli war der Mittwoch ein Freudentag: «Das sind gute Neuigkeiten», jubelt die Direktorin ins Telefon.
Der Grund: Der Bundesrat hat den Kantonen Basel-Stadt, St. Gallen und Thurgau die Grundbewilligungen erteilt, um E-Voting an den Nationalratswahlen im Oktober zu nutzen. Insgesamt 65’000 Personen – 1,2 Prozent aller Stimmberechtigten der Schweiz – können ihre Vertretung im Parlament elektronisch wählen.
Das Privileg ist primär Auslandschweizern dieser Kantone vorbehalten. In Basel-Stadt dürfen zudem 40 Stimmberechtigte mit einer Behinderung E-Voting nutzen. Und in St. Gallen rund 39’500 Personen aus fünf Pilotgemeinden, die sich bereits dafür anmelden mussten.
Der Bundesrat will damit «weitere Erfahrungen sammeln». Mit anderen Worten: Die drei Kantone sind die Versuchskaninchen der Schweiz.
Höhere Anforderungen nach Debakel 2019
Die Initiative ergriffen haben aber die drei Kantone, die ein entsprechendes Gesuch eingereicht hatten. Nachdem der Bundesrat grünes Licht gegeben hat, muss ein Kanton bei jedem weiteren Einsatz eine Einwilligung der Bundeskanzlei einholen.
Die Sicherheits- und Qualitätsanforderungen an die E-Voting-Systeme und den Einsatz an sich wurden nach dem Debakel 2019 massiv erhöht. Wegen Software-Mängeln hatte der Bundesrat damals die Notbremse gezogen, obwohl schon 15 Kantone über 300 Versuche mit E-Voting durchgeführt hatten.
Zurzeit nutzen Basel-Stadt, St. Gallen und Thurgau das E-Voting-System der Schweizerischen Post. Es ist das zum jetzigen Zeitpunkt einzig verifizierte und entwickelt sich ständig weiter. Es wird laufend durch ethische Hacker auf Schwachstellen geprüft. Zudem beauftragt die Bundeskanzlei unabhängige Expertinnen, das System immer wieder zu überprüfen.
Mit den Wahlen im Herbst steht nun der zweite Härtetest an. Die Basler, Thurgauerinnen und St. Galler konnten das E-Voting im selben Umfang schon bei der Abstimmung im Juni nutzen. Die Post nannte es eine «erfolgreiche Premiere». Auch wenn von den 65’000 zugelassenen Stimmberechtigten lediglich etwas mehr als 4000 – und damit knapp 7 Prozent – per E-Voting abstimmten.
Im Versuchskanton St. Gallen waren es sogar nur 4 Prozent aller zugelassenen Personen. Obwohl der Kanton dieses Jahr mit 400’000 Franken Kosten fürs E-Voting rechnet. Staatssekretär Benedikt van Spyk sagt, die Investitionen lohnten sich trotzdem. «Bei den Auslandschweizern wurden über 50 Prozent der Stimmen elektronisch abgegeben», sagt van Spyk.
Bei den in St. Gallen Wohnhaften hätten viele das Anmeldeverfahren als zu umständlich empfunden, weshalb man dieses für die Wahlen im Herbst vereinfacht habe. «Es braucht einfach Zeit, bis sich ein neuer Stimmkanal etabliert. Damit wächst das Vertrauen und schlussendlich die Nachfrage.»
Gegner künden bereits Widerstand an
Kein Vertrauen in das System hat SVP-Nationalrat Franz Grüter. Die Bewilligung sei angesichts der Gefahr von Wahl- und Abstimmungsmanipulationen «völlig unverständlich». Der IT-Unternehmer kämpfte an vorderster Front für die Volksinitiative «Ja zum E-Voting-Moratorium». Die Unterschriftensammlung wurde 2019 abgebrochen, weil die Versuche ohnehin gestoppt wurden.
Das Komitee prüft gemäss Grüter eine Neulancierung. Eine flächendeckende Einführung würde Grüter aber zuerst auf dem parlamentarischen Weg bekämpfen.
Rustichelli von der Auslandschweizer-Organisation hingegen hofft, dass bald weitere Kantone nachziehen. Bislang hat jedoch lediglich Graubünden E-Voting-Versuche ab voraussichtlich 2024 angekündigt. Viele Kantone seien nach dem Stopp durch den Bund beim letzten Anlauf wohl «gebrannte Kinder», erklärt sich Rustichelli die Zurückhaltung. «Sie haben damals viel Geld und Zeit investiert und warten nun ab.»
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