WM-GlotzblogKick it like Freeman
Die Eröffnungsfeier der Fussball-WM in Katar wollte einen «Dialog über Inklusion und Diversität» bieten. Wie das konkret herauskam.
Kickt endlich in den Ball, statt auf Trommeln zu hauen: Gut möglich, dass es niemandem auf der Welt gibt, der gerne Eröffnungszeremonien von Fussballturnieren schaut. Macht man halt, weil die Übertragung im linearen Fernsehen mit der Feier beginnt. Aber an der WM in Katar ist ja so einiges anders als sonst.
Und tatsächlich sollten die politischen Themen rund um das umstrittene Gastgeberland während der Eröffnungszeremonie behandelt werden, in Form eines «Dialogs über Inklusion und Diversität». Dies wurde kurzfristig vor der Zeremonie bekannt. Was damit gemeint war? Die toten Arbeiter können sich nicht mehr zu Wort melden, Gianni Infantino steht bekanntlich eher auf Monologe als Dialoge, jedenfalls hielt er vor ein paar Tagen einen solchen («today I feel gay»). Er gilt schon heute als eine der dreistesten Reden der Sportgeschichte.
Man war also wirklich ein bisschen gespannt. Als die Feier begann, waren allerdings zuerst einmal ein paar Kamele zu sehen. Doch dann: Morgan Freeman! Der US-amerikanische Schauspieler sprach mit Youtube-Influencer Ghanim Al-Muftah, der keine Beine hat, über Inklusion. Ghanim al Muftah sagte: «Wir haben einen Aufruf verschickt, weil jeder willkommen ist. Dies ist eine Einladung an die ganze Welt.» Freeman antwortete: «Ich erinnere mich, dass wir, nachdem wir den Aufruf gehört hatten, ihn abgewiesen haben, und unseren eigenen Weg forderten. Und jetzt fühlt sich die Welt noch geteilter an.»
Subtexts des Dialogs: Für Katar sind Menschen mit körperlichen Behinderungen okay – nur Homosexuelle werden ausgegrenzt, weil sie «einen Schaden» haben, wie sich der katarische FIFA-Botschafter vor dem Turnier ausdrückte.
Dann kam der Showblock und ja, auf den obligaten Trommler-Einsatz verzichteten auch die Katarer nicht. Neben den generischen Worldmusic-Drums unterwältigten danach der südkoreanische Popstar Jung Kook von der Boyband BTS und der katarische Sänger Fahad Al-Kubaisi mit dem offiziellen WM-Song «Dreamers». Gut möglich, dass die das Motto der Street Parade geklaut haben. Tänzer unterstützten die beiden, wobei das generische Maskulinum bewusst gewählt ist. Es waren keine Frauen in der Tanz-Truppe.
Sowieso war es eine sehr testosteronlastige Veranstaltung – auf der Ehrentribüne waren die Männer auch unter sich. Zum Beispiel FIFA-Boss Gianni Infantino, der neben Emir Tamim bin Hamad al-Thani sass, der in einer kurzen Rede sagte, dass die Veranstaltung Menschen aller Nationalitäten und Glaubensrichtungen versammle: «Wie schön, dass die Menschen das, was sie trennt, beiseite lassen können, um ihre Vielfalt zu feiern und das, was sie zusammenbringt, auf einmal zu erleben.»
Vielleicht meinte er damit auch Mohammed bin Salman, der zu Infantinos Linken sass: Nachdem US-Geheimdienste den saudischen Kronprinzen beschuldigt hatten, den Journalisten Jamal Khashoggi in Istanbul durch ein Mordkommando zersägt zu haben, war er international lange politisch isoliert.
Ja, man ist stets froh, wenn endlich gekickt statt getrommelt wird, aber bei dieser Feier war man es noch ein bisschen mehr.
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