Kommentar zum Barça-ChaosDieser Club war mal besonders, jetzt verhält er sich schäbig
Dass der FC Barcelona seine Spieler regelrecht rausekelt, um Platz für teure Neuverpflichtungen zu schaffen, ist unanständig – und dieses Vereins unwürdig.
Anfangs lächelte Martin Braithwaite noch, doch die Pfiffe von den Rängen liessen seine Miene erstarren. Gnadenlos musste sich der dänische Fussballer im Dienste des FC Barcelona ausbuhen lassen, und das nicht etwa von Fans von Real Madrid oder sonstigen Rivalen, nein: Es waren die eigenen Anhänger, die ihn derart abstraften. Mitleidig legte ein Teamkollege seinen Arm um Braithwaites Schultern.
Was hat der arme Kerl getan? Nun: nichts. Nichts – ausser auf seinem Vertrag zu beharren, der ihm einst unterbreitet wurde. Dafür erntet er Stinkefinger aus dem Publikum.
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Seit Februar 2020 steht Braithwaite beim FC Barcelona unter Vertrag. Der Club zahlt ihm 5 Millionen Franken jährlich. Doch inzwischen ist bei Barça vieles anders: Braithwaite soll gehen, möglichst schnell, denn die Katalanen haben sich neues, teures, besseres und vor allem prestigeträchtiges Spielermaterial angeschafft. Allen voran: Robert Lewandowski. Und der Club hat ein Problem: Weil er zu viel Geld ausgibt, erhielten die neuen Spieler so lange keine Lizenz von der spanischen Liga, bis die Bilanz stimmt. Gerade noch rechtzeitig trafen sie schliesslich ein. Am Samstag beginnt für Barça gegen Rayo Vallecano die neue Saison.
Trotzdem soll Braithwaite weiterhin weg. Auch Samuel Umtiti oder Frenkie de Jong hat der Club zu personae non gratae erklärt und ekelt sie regelrecht aus dem Verein – mit Unterstützung der Fans, die sie in den asozialen Medien aufs Gröbste anfeinden. Im Fall des Niederländers sucht Barça neuerdings sogar juristische Kniffe, um ihn zu vertreiben. Die frühere Clubführung habe viel zu gut dotierte Verträge unterschrieben, klagt sie. Es ist eine einzigartige Schlammschlacht.
Dieses Verhalten ist beschämend für einen Verein, der für sich in Anspruch nimmt, etwas Besonderes zu sein. «Més que un club» eben, wie es gross auf der Gegentribüne des Stadions Camp Nou geschrieben steht. Mehr als ein Club. Barça war einst der Inbegriff für das «jogo bonito», das schöne Spiel, und so verhielt es sich auch. Als einer der letzten Fussballvereine der Welt hielt es die Brust lange werbefrei und bezahlte danach das Kinderhilfswerk Unicef, damit es seinen Schriftzug verwenden durfte. Messi! Ronaldinho! Xavi! Més que un club.
Die Liga verlangt, dass die Gehaltssumme reduziert wird. So gesehen, badet der neue Präsident nur aus, was ihm der alte eingebrockt hat.
Doch Spitzenfussball in diesen Sphären ist nicht gratis zu haben. Unter Präsident Josep Bartomeu war zwischen 2014 und 2020 eine grössenwahnsinnige Führung am Werk. De Jong verdient rund 18 Millionen Euro jährlich, bei Antoine Griezmann waren es gar über 30. Kein Wunder, wuchs der Schuldenberg laufend.
Nun heisst es: sparen. Die spanische Liga verlangt, dass die Gehaltssumme des Teams nicht mehr als 70 Prozent der Einnahmen auffrisst. Auch deshalb wurde vor einem Jahr Superstar Messi ablösefrei gehen gelassen. Ginge es so weiter, droht dem FC Barcelona der Absturz ins Mittelmass. Er braucht Lewandowski. Er braucht aber auch finanzielle Luft. Lewandowski, so prominent der Name ist, verdient die Hälfte von De Jong.
Die Fans folgen Laporta anscheinend blind
So gesehen, badet der neue, alte Präsident Joan Laporta derzeit nur aus, was ihm Bartomeu eingebrockt hat. Aber man kann und muss das empathischer lösen und nicht einfach Sündenböcke suchen. Braithwaite, EM-Halbfinalist 2021, hat sportlich vielleicht nicht überzeugt, aber sich sonst nichts zuschulden kommen lassen. Vor allem: Er hat sich den Vertrag ja nicht selbst vorgelegt. De Jong hat während Corona sogar einer Gehaltsreduktion zugestimmt. Nun sperrt er sich gegen einen Transfer. Sein gutes Recht.
Trotzdem werden er und Braithwaite als Sündenböcke abgestempelt und sollen ausgetauscht werden durch Spieler, die auch nicht eben nichts gekostet haben. Und weil es gerade passt, werden die in Ungnade gefallenen Spieler noch dem Mob zum Frass vorgeworfen. Mutwillig, böswillig – Laportas Weg wird bei vielen Anhängern als alternativlos angesehen. Man folgt dem Präsidenten blind.
Mag sein, dass Grossverdiener wie Braithwaite, Umtiti oder De Jong kein Mitleid brauchen. Mag sein, dass die Spieler im heutigen Fussballgeschäft sowieso am viel zu langen Hebel sitzen. Aber muss man deshalb ein Drecksack sein?
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