Kostenschub bei KrankenkassenDiese Senkung ändert nichts – die Prämien haben sich in 20 Jahren verdoppelt
Wir zahlen viel mehr für die Krankenkasse als früher – obwohl unsere Löhne nicht Schritt halten können. Junge Erwachsene sind besonders stark betroffen.
Das gab es seit 2008 nicht mehr: Der Bundesrat hat bekannt gegeben, dass die Belastung der Schweizer Haushalte durch die Krankenkassenprämien im kommenden Jahr sinken wird. Die mittlere Prämie, also die durchschnittlichen Kosten pro Person und Monat, wird in über der Hälfte der Kantone gesenkt, durchschnittlich beträgt der Rückgang 0,2 Prozent.
Doch aufgepasst. Die gute Neuigkeit täuscht über die Entwicklung der letzten Jahre hinweg, welche nur eine Richtung kannte: nach oben. Die nachfolgende Grafik, die der Bund jeweils veröffentlicht, ist irreführend. Sie suggeriert, dass der Trend schwankend ist oder über einen längeren Zeitraum sogar rückläufig. Tatsächlich ist aber das Gegenteil der Fall. Mit Ausnahme von 2008 haben sich die Krankenkassenprämien jedes Jahr erhöht.
Diese Zunahme betrifft jeden. Denn die Beiträge für die obligatorische Grundversicherung müssen alle Einwohnerinnen und Einwohner in der Schweiz bei einer Krankenkasse zahlen. In den letzten zehn Jahren sind die Prämien im Durchschnitt um 2,4 Prozent und seit Inkrafttreten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung 1996 sogar um jährlich 3,5 Prozent gestiegen.
1996 betrug die mittlere Prämie noch 128 Franken im Monat. Seither hat die durchschnittliche Belastung pro Person stark zugenommen. Im kommenden Jahr zahlen Versicherte in der Schweiz im Schnitt über 315 Franken monatlich an ihre Krankenkasse – zweieinhalbmal so viel.
Am stärksten ist die Zunahme bei den jungen Erwachsenen (19–25 Jahre), die im kommenden Jahr durchschnittlich 263.80 Franken pro Monat zahlen und damit mehr als doppelt so viel wie noch zur Jahrtausendwende. Nachdem die Prämien 2019 und 2020 gesunken sind, steigen sie nun wieder leicht an.
Auch die anderen Altersgruppen zahlen heute fast doppelt so viel wie noch im Jahr 2000. Bei den Kindern (0–18 Jahre) erhöhten sich die monatlichen Beiträge von durchschnittlich 52 auf fast 100 Franken, bei den Erwachsenen (ab 26 Jahren) von 188 auf fast 374 Franken.
Dem könnte man entgegnen, dass in den letzten Jahren auch die Löhne gestiegen seien. Das stimmt, seit 1996 haben sie im Schnitt um 29 Prozent zugenommen. Mit dem Wachstum der Prämien können sie aber nicht einmal ansatzweise Schritt halten. Die Durchschnittsprämie stieg im selben Zeitraum um ganze 187 Prozent. Die Schere zwischen dem Einkommen der meisten Schweizerinnen und Schweizer und den Beiträgen an die Krankenkasse geht also immer mehr auf.
Als Folge davon belasten die Prämien die Haushalte immer stärker, vor allem solche mit Kindern. Ein Viertel der Schweizer Bevölkerung bezieht eine individuelle Prämienverbilligung (IPV), um die Ausgaben abzufedern. Doch die Beiträge zur IPV steigen weniger rasch als die Prämien selbst, wie das letzte Monitoring des Bundes gezeigt hat. Bei wirtschaftlich schwachen Haushalten macht die durchschnittliche Belastung durch die Krankenversicherung schon 14 Prozent des verfügbaren Einkommens aus.
Politisch werden deshalb Rufe nach einer Obergrenze laut. Gleich zwei Initiativen zum Thema sind im vergangenen Jahr zustande gekommen: die sogenannte Kostenbremse-Initiative der CVP sowie die Prämien-Entlastungs-Initiative der SP.
Erstere verlangt, dass die Gesundheitskosten – und damit auch die Prämien – nicht stärker wachsen dürften als die Gesamtwirtschaft und die Löhne. Laut CVP lassen sich dadurch ohne Qualitätsverlust 6 Milliarden Franken sparen. Die SP-Initiative fordert, dass die Prämien maximal 10 Prozent des verfügbaren Haushaltsbudgets ausmachen dürfen. Der Rest soll über die IPV ausgeglichen werden, was für Bund und Kantone zu Mehrkosten von 3,6 Milliarden Franken führen würde.
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