Beschränkung der Amtszeit Diese prominenten Politiker hoffen auf eine Ausnahme
Parteien regeln, wie lange ihre Mitglieder im Amt sein dürfen. Vor den Wahlen 2023 tickt die Uhr für viele – unter anderem auch Cédric Wermuth und Jacqueline Badran.
Für Cédric Wermuth beginnen die Wahlen 2023 an diesem Dienstag. Damit der Co-Präsident der SP Schweiz nochmals für den Nationalrat kandidieren darf, benötigt er von seinen Parteimitgliedern eine Art Sondergenehmigung: Die SP Aargau beschränkt die Amtszeit ihrer Abgeordneten grundsätzlich auf drei Legislaturen. Für eine erneute Kandidatur muss Wermuth am Parteitag vom Dienstagabend zwei Drittel der Delegierten hinter sich bringen. Denn erstmals in den Nationalrat gewählt wurde er bereits 2011.
Dass Wermuth die Zweidrittelhürde schafft, ist angesichts seiner Prominenz und seines Gewichts in der Partei anzunehmen. Vielen könnte es aber anders ergehen: Gemäss einer Auswertung dieser Redaktion sind von den 200 Mitgliedern des Nationalrats 64 gleich lange wie Wermuth oder noch länger im Amt. Im Ständerat sind es sogar fast die Hälfte, nämlich 20 von 46. Vor allem die Mitte-Fraktion ist hinsichtlich der Amtsdauer tendenziell überaltert: 21 ihrer 45 Mitglieder sind seit mindestens drei Legislaturen dabei.
Ein Teil der Langgedienten hat bereits den Abgang auf Ende 2023 angekündigt. Viele haben sich aber noch nicht festgelegt. Und einige sehen sich wie Wermuth mit statutarischen Limiten konfrontiert.
Parteien weichen gerne mal von den Limiten ab
Das betrifft etwa Jacqueline Badran. Die Zürcher SP-Nationalrätin ist seit 2011 im Amt. Damit wäre gemäss den Bestimmungen ihrer Kantonalpartei grundsätzlich Schluss – es sei denn, die Delegierten bewilligen mit Zweidrittelmehr eine Verlängerung. Der Entscheid hierzu ist erst auf April 2023 traktandiert.
Auch die profilierte Sicherheitspolitikerin Ida Glanzmann (Mitte, Luzern) könnte nur mit einer Ausnahmebewilligung ihrer Kantonalsektion wieder nominiert werden. In der SVP sind Andreas Aebi, Erich von Siebenthal und Andrea Geissbühler (Bern) in der gleichen Situation. Der Glarner FDP-Ständerat Thomas Hefti wiederum sieht sich mit einer Obergrenze ganz anderer Art konfrontiert: Wie der «Blick» kürzlich berichtete, muss Hefti wohl abtreten, weil er demnächst das Pensionsalter erreicht – und der Kanton Glarus keine Rentner im Ständerat duldet.
Von ihren eigenen Limiten weichen die Parteien allerdings gerne mal ab, zumindest für ihre Schwergewichte. Im Waadtland hat SP-Fraktionschef Roger Nordmann kürzlich die zweite ausserordentliche Verlängerung seines Mandats bewilligt erhalten. Bei der Berner SVP gab der Rücktritt des populären Adrian Amstutz 2019 den Anlass, eine Ausnahmeklausel für erneute Kandidaturen nach 16 Jahren zu schaffen.
Wem nützen die Limiten?
Insgesamt sind Amtszeitbeschränkungen heute aber sehr viel verbreiteter als noch vor 20 oder 30 Jahren. Das schlägt sich auch in immer kürzeren durchschnittlichen Amtszeiten der Parlamentarier nieder. Wo keine offiziellen Beschränkungen existieren, werden «Sesselkleber» oft informell zum Rücktritt gedrängt. In auffälliger Weise erlebt das dieser Tage die Aargauer Mitte-Nationalrätin Ruth Humbel, deren Parteikollegen öffentlich ihren Abgang ankündigen, obschon sie selber sich dazu noch nicht geäussert hat.
Bleibt die Frage nach dem Sinn: Sind die Limiten im allgemeinen Interesse, oder nützen sie vor allem den Ambitionen ehrgeiziger Jungpolitiker? Für Cédric Wermuth ist die «Grundidee sinnvoll», wie er in der «Aargauer Zeitung» erklärte: Langjährige, etablierte Parlamentarier sollten die Basis in speziellem Mass überzeugen müssen, um nochmals antreten zu können. Es brauche beides: frischen Wind und Erfahrung. Wermuth verweist in diesem Zusammenhang auf die sozialdemokratische Ikone Helmut Hubacher, die 34 Jahre im Parlament sass.
Fest steht freilich: Für Biografien wie jene Hubachers scheint der heutige Politbetrieb kaum mehr angelegt. Hubacher wurde insgesamt neunmal in den Nationalrat gewählt. Mit den Regeln, wie sie nun für Wermuth gelten, hätte er dafür sechsmal eine Ausnahmebestimmung gebraucht.
In einer früheren Version dieses Artikels hiess es, auch Alfred Heer (SVP, ZH) sei von einer Amtszeitbeschränkung betroffen. Korrekt ist, dass Heer 2023 noch einmal normal kandidieren kann.
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