Abweichler bei den RepublikanernDiese Gruppe sorgt für das Wahlchaos im US-Repräsentantenhaus
20 Republikanerinnen und Republikaner verweigern Kevin McCarthy die Wahl zum Sprecher des Hauses. Wir zeigen, wer diese sind – und weshalb sie rebellieren.
In den USA tobt der Machtkampf um das höchste Amt im US-Parlament unvermindert weiter. In der Nacht auf Donnerstag brachten drei weitere Wahlgänge keine neuen Ergebnisse: Kevin McCarthy verpasste die erforderliche Mehrheit weiterhin, weil ihm 20 Mitglieder seiner Partei die Stimme verweigerten. Diese Gruppe zeigt sich seit dem ersten Wahlgang kompromisslos und sorgt für Grabenkämpfe, die man sich in den USA eher von den Demokraten gewohnt war.
Wer sind die 20 Abweichlerinnen und Abweichler, welche für das Wahlchaos im Repräsentantenhaus sorgen? Viele davon sind feste Verbündete von Ex-Präsident Donald Trump und überzeugt, dass dieser die Präsidentschaftswahl 2020 gewonnen hat. Sie operieren am rechten Rand der Partei und fallen auch mit Verschwörungstheorien auf. 19 von ihnen sind gemäss Recherchen der «New York Times» Vertreter des «Freedom Caucus», einer konservativen Gruppierung innerhalb der republikanischen Partei. Die Gruppe fiel schon während Trumps Amtszeit auf, weil sie Vorlagen ihres Präsidenten bachab schickten, die ihnen nicht radikal genug waren. Eine offizielle Liste von Mitgliedern des «Freedom Caucus» gibt es nicht, einige haben sich aber öffentlich geäussert und bekämpfen nun auch McCarthy an vorderster Front.
Die Waffennärrin
Dazu gehört zum Beispiel Lauren Boebert aus dem Bundesstaat Colorado. Sie setzte sich bei den Wahlen im November um gerade mal 534 Stimmen oder 0,16 Prozent gegen den demokratischen Herausforderer durch – für ihren Wahlkreis ein überraschend knappes Resultat. Boebert ist eine Waffennärrin. Sie betrieb bis vor kurzem ein Restaurant namens Shooters Grill, in dem das Personal mit Pistolen im Holster «Shotgun Burritos» oder «Swiss & Wesson Burger» servierte. Auch die Gäste waren aufgefordert, ihre Waffen zum Essen mitzubringen. Im Sommer 2022 erneuerte der Besitzer den Vertrag mit Boebert nicht mehr, und das Shooters musste schliessen. Mit ihrer Waffenliebe provoziert die 36-Jährige aber auch in den sozialen Medien, so sorgte sie im Advent 2021 für Aufsehen, als sie ihre Kinder mit schwerem Geschütz vor dem Weihnachtsbaum posieren liess.
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Bei ihrer ersten Wahl ins Repräsentantenhaus 2020 fiel Boebert vor allem durch ihre Unterstützung für QAnon-Verschwörungstheorien auf. Mittlerweile bestreitet sie eine Nähe zur Gruppe und macht sich über deren Anhängerinnen wie Parteikollegin Marjorie Taylor Greene lustig. Sie glaube einfach nicht an gigantische Weltall-Laser der Russen oder der Juden, versetzte sie ihr vor einigen Tagen einen Seitenhieb.
Der Gasmaskenpolitiker
Auch Matt Gaetz ist ein bekanntes Gesicht im Lager der McCarthy-Verweigerer. Der 40-Jährige aus Florida fiel schon früh als einer der engsten Verbündeten von Donald Trump auf. 2016 unterstützte er zwar zuerst seinen Staatskollegen Jeb Bush, wechselte dann aber ins Trump-Lager, gewann die Wahl ins Repräsentantenhaus und machte sich als glühender Verteidiger des 45. US-Präsidenten einen Namen in Washington und bei Fox News. Wie Boebert verschaffte er sich auch mit Provokationen Aufmerksamkeit, so erschien er zu Beginn der Covid-Pandemie beispielsweise mit einer Gasmaske im Parlament und zweifelte an den Corona-Massnahmen.
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Während des Impeachment gegen Trump führte er eine Gruppe Republikaner an, welche eine geheime Sitzung des untersuchenden Komitees stürmte. Noch Ende Dezember verlobte sich Gaetz in Trumps Anwesen Mar-a-Lago mit der 26-jährigen Ginger Luckey, doch wenn es um Kevin McCarthy geht, hat er nun scheinbar andere Ansichten als der Ex-Präsident. Als dieser am Mittwoch dazu aufrief, McCarthy zu wählen, antwortete Gaetz in einer Manier, die man sich sonst von Trump gewohnt ist, nur mit «Sad!» – «Traurig!». Gaetz hat bei McCarthy ganz andere Ansichten als der Ex-Präsident und sieht McCarthy als mitverantwortlich dafür, dass es den USA schlechter geht. Wenn man den Sumpf austrocknen wolle (Trumps Schlachtruf «drain the swamp»), könne man diese Aufgabe nicht dem grössten Alligator übergeben.
Hierbei zeige sich, weshalb eigentlich Trump-loyale Abweichler wie Gaetz oder Boebert so vehement gegen den Trump-Kandidaten McCarthy sind, erklärt John Boehner, ein Republikaner und ehemaliger Sprecher des Repräsentantenhauses: «Sie stehen gegen alles und wollen totales Chaos. Sie wollen alles niederreissen und neu aufbauen, so funktionieren sie», sagte er dem Sender CBS. McCarthy ist für sie demnach ein Vertreter der alten Ordnung, ein Mann, der schon seit Jahren bei den Republikanern in Machtpositionen sitzt und daher mitverantwortlich für aktuelle Probleme ist.
Gemäss einer Abstimmungsauswertung auf Fivethirtyeight gehören die 20 Politikerinnen und Politiker zu den konservativsten im Repräsentantenhaus und stellen sich klar gegen das Establishment, also die einflussreiche Oberschicht. Die Gruppe habe deshalb kein Interesse, die Macht an einen Mann abzugeben, der seit 2009 in der Führungsriege der Republikaner sitzt.
Der «gefährlichste Mann»
Ein weiterer bekannter Gegner McCarthys ist Paul Gosar, Zahnarzt aus Arizona. Auch er ist bei den Republikanern rechtsaussen einzuordnen und bezeichnet sich selbst als «gefährlichsten Mann im Kongress». Er weigerte sich am 6. Januar 2021, die Wahlergebnisse der Präsidentschaftswahl als gültig zu akzeptieren, er verteidigte den Mob, der das Capitol stürmte und stand unter Verdacht, mit Organisatoren des Putschversuchs in Kontakt gestanden zu haben. Er wird auch mit Gruppen von weissen Nationalisten in Verbindung gebracht und verbreitete Verschwörungstheorien von QAnon auf Twitter weiter.
Besonders auffällig ist, dass mehrere seiner neun Geschwister sich öffentlich gegen ihn aussprechen. Er sei ein Extremist und Landesverräter, sagte sein Bruder letztes Jahr zu NBC. Mehrere Familienmitglieder unterstützten bei den Wahlen einen anderen Kandidaten.
Der unterlegene Gegenkandidat
Boebert, Gaetz und Gosar gehören zur «Maga Squad» («Make-America-Great-Again-Truppe») von besonders treuen Trump-Anhängern, einer noch radikaleren Gruppierung innerhalb des «Freedom Caucus». Dazu gehört auch Andy Biggs, der Chef des «Freedom Caucus», der offiziell als Sprecher des Repräsentantenhauses kandidierte, aber McCarthy unterlag. Biggs repräsentiert wie Gosar Arizona, und auch seine Brüder halten nicht mehr viel von ihm. Sie machen den 64-Jährigen mitverantwortlich für den Capitol-Sturm und sprachen sich dafür aus, dass Biggs sein Amt abgeben muss. Biggs fiel auch auf, weil er der Capitol-Polizei die Ehrenmedaille für die Verteidigung des Kongresses am 6. Januar 2021 als einer von zwölf Republikanern verweigerte. Zusammen mit Gaetz führt er die Rebellion gegen McCarthy an.
Unter den 20 Abweichlern bei den Republikanern gibt es zudem fünf Neulinge, die 2022 gewählt wurden. Vier von ihnen erachten die Präsidentschaftswahlen von 2020 als nicht legitim und glauben Trumps Lügen, setzten sich so aber in ihren Wahlkreisen in Tennessee, Arizona, Florida und Texas durch. Aus letzteren drei Staaten kommen 9 der 20, die McCarthy die Gefolgschaft verweigern.
Die prominente McCarthy-Unterstützerin
Eine prominente Republikanerin, die auf der Liste der Abweichler erwartet werden könnte, ist Marjorie Taylor Greene. Sie gehört wie die oben genannten zu den Hardlinern am rechten Rand der Partei, soll zum «Freedom Caucus» und der «Maga Squad» gehören und verbreitet wohl am meisten Verschwörungstheorien im Kongress. Sie steht aber auch nach sechs erfolglosen Wahlgängen weiterhin fest hinter McCarthy. Sie kritisiert die Abweichler, welche die Republikaner spalten, und befürchtet, dass zuletzt gar eine Gruppe zusammen mit den Demokraten den nächsten Sprecher des Repräsentantenhauses wählen könnte.
US-Medien sehen die gemässigten Worte von Greene als ersten Schritt, um sich in der Partei mehr Akzeptanz und Einfluss zu verschaffen. Die QAnon-Anhängerin operierte bisher weitgehend am Rand der Partei und wurde einst gar aus Komitees ausgeschlossen. Nun will sie sich offenbar an der Seite von McCarthy in der Führungsriege etablieren und hat diesen gemäss eigenen Aussagen auch um Komiteepositionen gebeten.
Ein Schritt, der zuvor schon Jim Jordan aus Ohio gelang. Er gilt als Mitgründer des «Freedom Caucus» und Hardliner bei den Republikanern. Der 58-Jährige ist seit 2007 im Repräsentantenhaus und agierte dort zunächst nur am Rand. Er bekämpfte auch mal Vorlagen der eigenen Partei, die ihm zu wenig radikal schienen. Über die Zeit verschaffte sich Jordan aber eine bessere Stellung bei den Republikanern und hat nun den einflussreichen Vorsitz im House Judiciary Committee übernommen, dem juristischen Ausschuss. Von den Abweichlern wurde er gar als Gegenkandidat McCarthys vorgeschlagen und erhielt im dritten Wahlgang deren 20 Stimmen. Er sprach sich dann aber strikt für den offiziellen Kandidaten aus.
Die Rebellierenden votieren seither für Byron Donalds. Der 44-Jährige aus Florida ist erst seit 2016 im Kongress und wäre der erste schwarze Sprecher im Repräsentantenhaus. Er gehört zur Gruppe der Abweichler und Trump-Loyalisten.
Wie es weitergeht
Matt Gaetz hat geschworen, nie für Kevin McCarthy zu stimmen, egal wie viele Wahlgänge es noch gebe und wie lange die Prozedur dauere. Den Rekord hält hier übrigens die Wahl von 1855, damals dauerte es zwei Monate und brauchte 133 Wahlgänge, um den Sprecher zu bestimmen.
1923 waren neun Wahlgänge notwendig, wenn Gaetz und seine Gruppe so weitermachen, wird diese Marke diese Woche noch gebrochen. Möglich wäre aber auch, dass einige Abweichler mit genügend Zugeständnissen von McCarthy doch noch die Seiten wechseln. So versprach er, dass künftig in republikanischen Vorwahlen für sichere republikanische Sitze die Kandidaten keine Parteigelder mehr erhalten sollten. Einige Konservative waren verärgert, weil sie ihre Machtposition gegen moderatere Politikerinnen oder Politiker aus der eigenen Partei verteidigen mussten.
Ob das genügt, um Einzelne umzustimmen, zeigt sich schon bald. Der siebte Wahlgang von 2023 steht am Donnerstag um 12 Uhr US-Zeit an, also 18 Uhr Schweizer Zeit.
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