Exploit des Davis-Cup-SpielersDie verrückte Woche des Marc-Andrea Hüsler
Der Zürcher reiste nach Kitzbühel, ohne zu wissen, ob es ihm für die Qualifikation reicht. Dann schlug er vier Top-100-Spieler, darunter Fabio Fognini. Und plötzlich ist alles anders.
Das Coronavirus hat den Tenniskalender gehörig durcheinandergewirbelt. Das betrifft nicht nur die Topcracks, die nach dem US Open auf Sand zurückkehren, sondern auch jene, die jeden Franken umdrehen müssen. Die Tableaus sind teilweise übervoll, weil alle wieder spielen wollen. Der Schweizer Davis-Cup-Spieler Marc-Andrea Hüsler schaffte es daher als Weltnummer 303 nicht in die Qualifikation für das Challenger-Turnier im tschechischen Prostejov. So reiste er, der in der Woche zuvor in Ostrava die Qualifikation überstanden, dort aber in der Startrunde knapp am früheren Top-20-Spieler Viktor Troicki gescheitert war, enttäuscht im Zug zurück nach Zürich.
Doch vielleicht, schoss es ihm durch den Kopf, könnte er ja ins Qualifikationsturnier des ATP-250-Events in Kitzbühel nachrutschen. Denn die Rückreise aus den USA gestaltet sich nicht für alle Spieler reibungslos, die Pläne vieler ändern sich praktisch täglich. Also nahm er am vergangenen Sonntag die fünfstündige Zugreise in den Wintersportort auf sich, obschon er nicht wusste, ob er überhaupt spielen würde, und schrieb sich ein. «Manchmal muss man pokern», sagt er im Telefoninterview schmunzelnd. «Und als ich am Sonntagabend sah, dass nochmals einige abgesagt hatten und ich drin war im Tableau, war ich happy.»
«Als Kind dachte ich, wenn ich Tennis spiele, sollte es etwa so aussehen wie bei Lopez. Jetzt habe ich ihn geschlagen.»
Der 24-Jährige machte das Beste aus dieser Gelegenheit. In der Qualifikation schlug er Attila Balazs (ATP 78) und Prajnesh Gunneswaran (136), im Haupttableau legte er erst richtig los: Zuerst bezwang er den aufstrebenden Finnen Emil Ruusuvuori (92), dann den topgesetzten Fabio Fognini (12) und den spanischen Beau Feliciano Lopez (57). «Als Kind dachte ich, wenn ich Tennis spiele, sollte es etwa so aussehen wie bei Lopez», sagt Hüsler. «Jetzt habe ich nicht nur gegen ihn gespielt, sondern ihn sogar geschlagen.» Seine erste Partie gegen Balazs sei seine beste gewesen, der Sieg über Fognini natürlich der wertvollste seiner Karriere.
Im Halbfinal gegen den hochtalentierten Serben Miomir Kecmanovic (47) reichte es am Samstag nicht mehr. Hüsler biss sich in die Partie rein und glich mit angriffigem Spiel und viel Aufschlag-Volley auf 1:1-Sätze aus, am Ende fehlten ihm in der sechsten Partie in sechs Tagen dann aber etwas die Frische und die Präzision. Er führte im dritten Satz noch mit Break 2:1, verpasste Bälle zum 3:1 und unterlag schliesslich 2:6, 7:5, 3:6. «Ich machte im entscheidenden Moment zu viele Fehler», sagt Hüsler. «Aber ich fand ins Spiel, obschon ich mich gegen ihn nie recht wohlfühlte. Man kann aus jedem Match Positives wie Negatives herausziehen.»
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Aus seiner Woche in Kitzbühel dürfte es primär das Positive sein, das er mitnimmt. «Ich erlebte Emotionen, die neu für mich waren», sagt der Zürcher. «Ich schaffte es, Siege über Top-100-Spieler mehrmals zu bestätigen. Und ich behauptete mich auch an Tagen, an denen ich mich nicht so wohlfühlte.» Hatte er zuvor auf ATP-Stufe erst einen Sieg gefeiert – 2018 in Gstaad gegen Nicolas Almagro –, so stiess er nun bis in den Halbfinal vor und macht einen grossen Sprung in der Weltrangliste: voraussichtlich von Rang 303 auf 218.
Das erleichtert ihm die Planung in den kommenden Monaten: Fast überall wird er es nun an Challenger-Turnieren gleich ins Haupttableau schaffen. Einen solchen Wiedereinstieg hatte er sich, der mit einer Fussverletzung im November vier Monate ausgefallen war, kaum erträumt. Nach der Corona-Pause hatte er schon zum Schweizer Meistertitel des TC Seeblick einiges beigetragen, unter anderem Pedro Martinez (106) und Arthur Rinderknech (161) geschlagen und in seiner Paradedisziplin Doppel brilliert. Wenn der 1,96 Meter grosse Linkshänder sein angriffiges Spiel durchsetzt, kann er auch Topspieler bezwingen – das hat er nun bewiesen.
Um den Schwung zu nützen, reist und spielt er gleich weiter. Es folgen zwei Challenger-Turniere in Rumänien, in Iasi und Sibu. Ein Glas Wein gönne er sich in Kitzbühel aber schon noch, sagt Hüsler schmunzelnd.
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