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Kein 24. Grand-Slam-Titel
Die drei grossen Probleme der Serena Williams

Die Achillessehne macht Probleme: Serena Williams muss weiter auf den 24. Grand-Slam-Titel warten.
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Viktoria Asarenka hat im zweiten Game des dritten Satzes soeben mit einer präzisen Rückhand gepunktet, da beugt sich Serena Williams unvermittelt vornüber und greift mit der Hand an die linke Achillessehne. Auch in der Zeitlupe lässt sich kein Misstritt erkennen, doch offenbar verspürt die Amerikanerin einen stechenden Schmerz. Der Körper rebelliert einmal mehr gegen die Belastung, die ihm zugemutet wird.

Trainerlegende Nick Bollettieri ist mittlerweile 89-jährig, und doch trifft er den Nagel noch erstaunlich häufig auf den Kopf. So prophezeite er am Tag des US-Open-Halbfinals per Twitter: «Wenn es einen Weg zum Sieg gibt, wird ihn Serena Williams finden.» Genau das hatte die Gewinnerin von 23 Grand-Slam-Titeln in den drei Runden zuvor getan. Sie fegte ihre Gegnerinnen nicht wie zu ihren besten Zeiten vom Platz, sie rang sie vielmehr mühevoll nieder. Das sah nicht besonders schön aus: Die Kalifornierin wirkte schwerfällig, schnaubte zuweilen wie eine Dampflokomotive auf ihrer letzten Fahrt, und wenn die Zeit nicht mehr reichte, sich für eine Rückhand richtig hinzustellen, nahm sie den Schläger halt in die linke Hand.

Margaret Court präsentiert 1963 in Wimbledon  die Venus-Rosewater-Schüssel: Die Australierin hat im Einzel 24 Grand-Slam-Titel und damit einen mehr als Serena Williams geholt.

Die noch in diesem Monat 39-jährig werdende Williams hat an Athletik und Beweglichkeit eingebüsst. Nicht verloren hat sie hingegen ihre unerreichte Power – gegen Tsvetana Pironkova gelangen ihr 20 Asse – und ihren starken Willen. «Manchmal sage ich mir beim Aufschlagen: Es ist egal, ob der Arm abfällt, ich mache einfach weiter», erzählte sie nach der geglückten Wende im Viertelfinal. Und: «Ich bin nie zufrieden, das ist die Geschichte meiner Karriere. Ich werde bis zum Rücktritt nie zufrieden sein.»

In Paris geht die Jagd weiter

Nach einer kurzen Behandlung kämpft Serena Williams auch gegen Asarenka verbissen weiter. Doch gegen die topfitte Weissrussin, selber eine ehemalige Nummer 1, gibt es diesmal keinen Weg zum Erfolg. Nach knapp zwei Stunden steht Asarenka dank einem 1:6, 6:3, 6:3-Sieg als Finalistin fest; sie wird am Samstag in New York gegen Naomi Osaka um den Titel spielen. Williams kündigt nach dem Ausscheiden derweil an, sie werde definitiv nach Paris reisen.

Am in den Herbst verschobenen French Open wird sie ihre Rekordjagd fortsetzen. Denn noch immer fehlt ihr ein Grand-Slam-Titel, um den Einzelrekord Margaret Courts zu egalisieren. Die Australierin, zuletzt aufgrund homophober Aussagen in die Kritik geraten, hatte in den 1960er- und 1970er-Jahren auf dieser Stufe 24-mal triumphiert. Williams steht seit dem Australian Open 2017 bei 23. Als sie 2018 nach langer Babypause in Wimbledon gleich wieder in den Final einzog, schien es nur eine Frage der Zeit zu sein, bis sie die Bestmarke an sich reissen würde. Mittlerweile stellt sich hingegen die Frage: Kann sie es überhaupt noch schaffen?

Wenn eine Spielerin in fünf der acht letzten Grand-Slam-Events mindestens den Halbfinal erreicht hat, ist es definitiv verfrüht, sie abzuschreiben. Und doch wird immer offensichtlicher, dass die 38-Jährige drei ernsthafte Probleme hat:

Der fragile Körper

Tränen nach der Aufgabe: 2019 in Toronto konnte Serena Williams den Final gegen Bianca Andreescu (vorne) nicht beenden.

Verletzungsanfällig war sie aufgrund ihres Körperbaus und ihrer belastenden Spielweise schon immer. Doch nun, da Athletik und Elastizität altersbedingt nachlassen, wird ihr hohes Gewicht zunehmend zum Nachteil. Eventuell hindern die Mutterpflichten Serena Williams zudem daran, gleich intensiv zu trainieren wie vor der Geburt von Tochter Olympia. Jedenfalls gehört es längst zum Alltag des Tennisstars, kleinere oder auch grössere Beschwerden zu managen.

Der selbst auferlegte Druck

Sie hadert immer mal wieder mit sich selber: Serena Williams kann ihren hohen Ansprüchen nicht immer gerecht werden.

Als sie 2015 im US-Open-Halbfinal, den Grand Slam vor Augen, gegen die krasse Aussenseiterin Roberta Vinci implodierte, wurde klar: Auch die mental meist so starke Überspielerin ist verletzlich und kann an Nervenflattern leiden. Sie selber gibt zu, als Perfektionistin oft zu hohe Ansprüche an sich selber zu stellen. In New York erzählte sie eine Geschichte aus früher Kindheit. Sie habe einmal ihre Hausaufgaben, das Schreiben des Alphabets, nicht beenden können, weil ihr die Buchstaben zu wenig schön erschienen seien und sie diese immer wieder ausradiert habe. Ihr Perfektionismus sei angeboren, sagt sie. Und nun spürt Serena Williams, dass ihr nicht mehr allzu viele Chancen bleiben, ihrem Palmarès weitere Grand-Slam-Titel hinzuzufügen. Das erhöht den Druck zusätzlich.

Das Selbstvertrauen der Konkurrentinnen

Naomi Osaka (links) spielte nie gegen Serena Williams, als  diese am stärksten war: Die Japanerin lässt sich daher von der Amerikanerin nicht einschüchtern.

Während langer Zeit liessen sich die meisten Spielerinnen von Williams’ Muskelspiel, ihrem stechenden Blick und ihrem Geschrei auf dem Court einschüchtern. Weil ihre Gegnerinnen Angst vor ihr hatten, gewann sie oft selbst dann, wenn sie ausser Form oder angeschlagen war. Doch die Aura der Unbesiegbarkeit ist weg, hat Williams doch vier Grand-Slam-Finals in Folge verloren. Zudem haben die Vertreterinnen der jüngeren Generation, zum Beispiel Naomi Osaka und Bianca Andreescu, die Dominanz der Amerikanerin nicht am eigenen Leib erfahren. Sie steigen daher unbelastet und überzeugt, gewinnen zu können, in die Duelle. Und diese Einstellung kann matchentscheidend sein.