Platz 4 für Schweizer CurlerinnenVon Königinnen zu Bettlerinnen in 24 Stunden
Die Weltmeisterinnen können auch die zweite Medaillenchance nicht nutzen. Im Bronzespiel unterliegen sie Schweden 7:9.
Der Volunteer hatte ein feines Gespür. Als Melanie Barbezat für ein Interview in der Mixed Zone stoppte, streckte er ihr eine Box mit Taschentüchern hin. Er hatte gemerkt, dass die Schweizerin mit den Emotionen kämpfte nach dieser bitteren Niederlage. «Thank you», bedankte sich die Athletin und lächelte kurz, ehe sie mit ihren Äusserungen auf Französisch weiterfuhr. Sie sei natürlich sehr enttäuscht, erklärte sie. Alina Pätz erklärte wenig später gefasst: «Wir waren heute zu wenig gut, um zu gewinnen.»
Dass die so knappe wie bittere Halbfinal-Niederlage gegen Japan am Vortag Spuren hinterlassen hatte, merkte man schon im ersten End gegen Schweden. Pätz hatte die Chance, durch einen erfolgreichen letzten Stein ein Zweierhaus zu schreiben. Ihr Stein schlug aber an einem eigenen an, und so gingen stattdessen die Schwedinnen 1:0 in Führung. Im vierten End stellte das Team um Skip Anna Hasselborg von 1:1 auf 3:1, und so zog es sich immer weiter. Einer gelungenen Sequenz folgte immer wieder ein Rückfall. «Wir hatten viele Chancen», sagte Pätz, «aber gegen ein solches Spitzenteam muss man diese auch nutzen.»
Die Schwedinnen waren allerdings der denkbar unangenehmste Gegner für ein Medaillenspiel überhaupt. Sie hatten den Schweizerinnen schon in der Vorrunde die einzige Niederlage zugefügt und verfügen über Erfahrung à discrétion in entscheidenden Situationen. Skip Hasselborg und ihre Crew konnten sich schon bei Olympia 2018 und den EM-Turnieren 2018 und 2019 die Goldmedaille umhängen lassen. Fast logisch, dass sie den Vorsprung anschliessend mit dem letzten Stein im Rücken nach Hause spielten. Skip Hasselborg bewies bei der allerletzten Aktion des Abends stählerne Nerven.
Ungewohnt fehlerhaft und zu wenig effizient
Seit drei Jahren ist das Team des CC Aarau die führende Frauen-Equipe weltweit. Seit drei Jahren sind sie Weltmeisterinnen, dank der Titel 2019 und 2021, 2020 wurde wegen Corona nicht gespielt. Von Beginn der WM 2021 in Calgary bis zum Ende der Vorrunde in Peking gelang ihnen ein unglaublicher Lauf von 23 Siegen aus 25 Spielen bei den wichtigsten beiden Turnieren.
In China hatten sie nicht immer ganz das gezeigt, was sie können, die Resultate täuschten aber lange über leichte Defizite hinweg. Zudem waren sie auch der festen Überzeugung, die Formkurve zeige nach oben. Bis am Freitag ein Viererhaus der Japanerinnen im fünften End zeigte, dass die Stabilität nicht ganz so ausgeprägt ist wie angenommen. Es folgte eine zweite Hälfte der Partie, die ähnlich zusammengefasst werden kann wie das Bronzespiel: ungewohnt fehlerhaft und zu wenig effizient.
Innert einem Tag wurden die Frauen aus Tirinzonis Team somit von Königinnen zu Bettlerinnen. Sie könne bestätigen, dass es die schlimmsten 24 Stunden ihrer sportlichen Karriere gewesen seien, sagte die 42-Jährige: «Ich würde nicht sagen, dass es der Tiefpunkt ist. Es sind immerhin Olympische Spiele, und es ist niemand gestorben. Aber die Enttäuschung ist gewaltig.»
«Dass wir dennoch bis zuletzt unsere Chancen hatten, zeigt, was möglich gewesen wäre, wenn wir nur etwas besser gespielt hätten.»
Schon die Niederlage gegen Japan hatte sehr geschmerzt, das Team raffte sich aber noch einmal zusammen auf für einen letzten Erfolg. Die Stimmung sei optimistisch gewesen, sagte Tirinzoni, alle hatten das Gefühl, man sei ready für einen letzten Effort: «Aber dann haben sich ungewohnte Fehlsteine eingeschlichen, und das hat aufs Selbstvertrauen gedrückt. Dass wir dennoch bis zuletzt unsere Chancen hatten, zeigt, was möglich gewesen wäre, wenn wir nur etwas besser gespielt hätten.»
Die Schweizer Curlerinnen und Curler waren mit drei Teams nach Peking gereist, die allesamt auf Edelmetall hoffen durften. Geblieben ist nur riesige Enttäuschung statt der insgesamt achten Olympiamedaille. Die Mixed-Silbergewinner von Pyeongchang, Jenny Perret/Martin Rios, schieden in der Vorrunde sang- und klanglos aus, und auch das Team von Peter De Cruz blieb bei den Männern deutlich unter den Erwartungen. Zum schlechten Abschluss waren auch Tirinzoni und Co. nicht abgebrüht genug. Dieses Scheitern wiegt am schwersten. Das Warten auf eine Frauen-Olympiamedaille, das seit 2006 und Mirjam Otts Silber in Turin andauert, geht damit mindestens bis zu den Spielen in Italien im Jahr 2026 weiter.
Die Analyse im Team Tirinzoni muss noch eine Weile warten. Am Montag landet das Quintett in der Schweiz, schon am Dienstagabend muss es nach Genf reisen, wo der Verband die Schweizer Meisterschaft ohne Rücksicht auf die Agenda der Olympiareisenden angesetzt hat. Es geht auch um die Qualifikation für die Weltmeisterschaft und somit das nächste grosse Ziel für das Team, das trotz der zwei letzten Titel keinen Startplatz auf sicher hat. Tirinzoni versucht, nach vorne zu blicken: «Wir gewinnen sehr gerne und versuchen, das auch in Genf zu tun.»
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