Schweiz schert ausRussische Diplomaten dürfen in Bern und Genf bleiben
Die meisten europäischen Länder weisen zurzeit Vertreter Russlands aus. Die Schweiz zieht nicht mit.

Die meisten EU-Sanktionen gegen Russland hat die Schweiz übernommen. Jetzt schert sie aber bei einer Massnahme aus, welche die meisten Länder Europas nach Bekanntwerden der jüngsten mutmasslichen russischen Kriegsverbrechen getroffen haben.
Der Bundesrat hat sich an seiner Sitzung vom Mittwoch dagegen ausgesprochen, russische Diplomaten auszuweisen. Dies sagte dessen Sprecher André Simonazzi auf Anfrage. Forderungen nach einer solchen Massnahme waren in den vergangenen Tagen in der Schweiz unter dem Eindruck der Bilder aus der Ukraine und den Nachrichten über Gräueltaten der Soldaten Russlands laut geworden.
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Die Vertreter des Putin-Regimes dürfen in Bern oder Genf bleiben, obschon der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) rund ein Drittel von ihnen der Spionage unter diplomatischem Deckmantel verdächtigt. «Wenn die Schweiz Diplomaten ausweist, geschieht dies aus Gründen der inneren Sicherheit, und diese Fälle werden nicht öffentlich kommuniziert», sagte der Bundesratssprecher. Damit es soweit kommt, muss ein Agent fast in flagranti erwischt werden.
Funktionsfähigkeit der Schweizer Botschaft gefährdet
Seinen Verzicht begründet der Bundesrat mit diplomatischen Interessen sowie Interessen von Schweizer Staatsangehörigen in Russland. Die Kommunikationskanäle mit Russland müssten aufrechterhalten werden, insbesondere im Interesse des Schutzmachtmandates, das die Schweiz in Moskau für Georgien ausübt, sagte Simonazzi. Zudem könnten politische Sanktionen in Form von Ausweisungen russischer Diplomaten die Funktionsfähigkeit der Schweizer Botschaft in Russland beeinträchtigen, was nicht im Interesse der Schweizerinnen und Schweizer vor Ort wäre.
Beim Entscheid hat auch die Erfahrung von 2018 eine Rolle gespielt. Damals, im Nachgang zum Giftanschlag auf einen Doppelagenten in Südengland und russische Spionageaktivitäten gegen das Labor Spiez und die Welt-Antidoping-Agentur in Lausanne, hatte die Schweiz mehreren Diplomaten des Kremls die Akkreditierung verweigert. Russland tat im Gegenzug dasselbe mit Schweizer Vertretern - womit die Botschaft in Moskau schnell unterbesetzt war.
In den meisten europäischen Ländern spielten ähnliche Befürchtungen angesichts der jüngsten Aggression Russlands keine übergeordnete Rolle. Zuletzt hat Spanien angekündigt, 27 russische Diplomaten würden weggeschickt, in Italien sind es 30 und Portugal 10. Am Montag hatte Deutschland 40 russische Diplomaten zu unerwünschten Personen erklärt. In Frankreich sind 35 Diplomaten von einer Ausweisung betroffen. Die baltischen Staaten haben nach Bekanntwerden der jüngsten Massaker in der Ukraine sogar die Schliessung der russischen Generalkonsulate angeordnet. Zu den wenigen europäischen Ländern, die wie die Schweiz von derartigen Massnahmen absehen, gehört bislang Österreich.
Sanktionen rascher umsetzen
Der Bundesrat befasste sich am Mittwoch auch mit den Sanktionen - und beauftragte Wirtschaftsminister Guy Parmelin damit, den Informationsfluss mit der EU zu verbessern. Durchgesetzt hat sich dem Vernehmen nach ein Vorschlag von Innenminister Alain Berset. Das Ziel: Parmelin soll sich über die vorhandenen Kanäle zur EU darum bemühen, jeweils vor der offiziellen Publikation Informationen zur nächsten EU-Sanktionsrunde zu erhalten. Das soll Verzögerungen verhindern.
Umweltministerin Simonetta Sommaruga schlug vor, dass die Schweiz auf den EU-Text verweisen soll, die Sanktionen also eins zu eins übernehmen - und in einem zweiten Schritt allfällige Ausnahmen erlassen. Dafür fand sich jedoch keine Mehrheit. Parmelin selber sah keinen Handlungsbedarf. In einem Bericht, den der Gesamtbundesrat bestellt hatte, kam sein Departement zum Schluss, für eine Beschleunigung gebe es kaum Spielraum. Eine Mehrheit im Bundesrat teilte diese Einschätzung aber nicht.
Mehr Geld für die Armee
Der Bundesrat diskutierte ausserdem über parlamentarische Vorstösse für eine stärkere Armee. Die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrats fordert in einer Motion, die Fähigkeiten der Armee zur Landesverteidigung wieder aufzubauen. Dazu sollen die Armeeausgaben ab dem nächsten Jahr schrittweise erhöht werden, bis sie 2030 statt fünf neu sieben Milliarden betragen.
Dasselbe fordern auch die Ständeräte Werner Salzmann (SVP) und Thierry Burkart (FDP) sowie die freisinnige Aargauer Nationalrätin Maja Riniker. Der Bundesrat hat sich noch auf keine Stellungnahme zu den Vorstössen geeinigt. Es bestünden noch Ungereimtheiten, weil nicht alle Vorstösse exakt dasselbe verlangten. Das Verteidigungsdepartement muss nun Klarheit schaffen, welche zusätzlichen Rüstungsvorhaben in welcher Priorität finanziert werden sollen. Eine Mehrheit im Bundesrat ist gemäss regierungsnahen Quellen aber offenbar der Meinung, dass die Armee bald über beträchtliche Zusatzmittel verfügen soll.
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