Neue Initiative der SPDie Schweiz stimmt über Hunderte Millionen für Kitas ab
Alle Familien sollen es sich leisten können, die Kinder in eine Kita zu schicken: Das ist das Ziel einer Volksinitiative der SP. Die Initiative ist zustande gekommen.
Min Li Marti sagt, sie höre es immer wieder aus der Bevölkerung: Kitas sind teuer, zu teuer. Viele Familien überlegen sich laut der SP-Nationalrätin, ob es sich finanziell lohne, wenn beide Elternteile arbeiteten – und kämen zum Schluss, dass es sich nicht lohne. Das soll die Kitainitiative ändern. Die Initianten unter Federführung der SP hatten vor rund einem Jahr mit der Unterschriftensammlung begonnen. Nun können sie die Initiative einreichen: Laut der SP liegen rund 105’000 gültige Unterschriften vor.
Die Initiative will Kitas allen Familien zugänglich machen. Bei einem Ja müssten die Kantone ein ausreichendes Angebot schaffen. Die Preise wären nach Einkommen abgestuft, und keine Familie müsste mehr als zehn Prozent des Einkommens für die Kinderbetreuung zahlen. Zwei Drittel der Kosten soll der Bund tragen. Weiter fordert die Initiative bessere Arbeitsbedingungen und angemessene Löhne für die Betreuungspersonen.
Wichtig für die Gleichstellung
«Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist der Schlüssel zur Gleichstellung», sagt Min Li Marti. Und für die Vereinbarkeit sei die externe Kinderbetreuung zentral. Heute stehe die Schweiz im internationalen Vergleich schlecht da. Ob Kita-Plätze verfügbar und bezahlbar seien, hänge vom Wohnort ab. Marti verweist auf eine Studie, wonach die meisten Familien, die auf externe Kinderbetreuung verzichten, dies aus Kostengründen tun. Das bedeute auch, dass nicht alle Kinder dieselben Chancen hätten, sagt Marti.
Zahlen des Bundesamtes für Statistik zeigen: Im Jahr 2021 erhielten in Haushalten der obersten Einkommensklasse 83 Prozent der Kinder familienergänzende Betreuung, in Haushalten mit den tiefsten Einkommen lediglich 38 Prozent.
«Wir müssen davon wegkommen, Kitas als linke Forderung zu sehen.»
Einige Exponenten aus dem bürgerlichen Lager unterstützen die Initiative, namentlich die Grünliberalen und einzelne Mitte-Vertreter. Sie argumentieren vor allem mit dem Fachkräftemangel. Es sei schlicht eine Notwendigkeit, dass die externe Kinderbetreuung verbessert werde, damit Frauen eine Erwerbstätigkeit ausüben könnten, sagt Mitte-Nationalrat Martin Landolt. Er sieht Kitas als Teil der Grundversorgung, eine Form von Service public: «In der modernen Welt gehören Kitas genauso dazu wie Postschalter oder Glasfaserkabel.»
Zwar gebe es in den Ballungszentren inzwischen genügend Kita-Plätze. Ausserhalb der Zentren sei das aber nicht der Fall. Das müsse sich ändern, sonst zögen Familien nicht in Randregionen. Landolt hofft, dass dieses Argument bürgerliche Politikerinnen und Politiker überzeugt. «Wir müssen davon wegkommen, Kitas als linke Forderung zu sehen.»
Mehr Bundesgelder vorgesehen
Die FDP sieht das freilich anders: Die Mehrheit der FDP-Fraktion stimmte im Frühjahr im Nationalrat gegen eine Gesetzesvorlage, die weniger weit geht als die Initiative. Und in der Mitte sind viele der Auffassung, mit dieser Gesetzesänderung sei genug getan. Geht es nach dem Nationalrat, sollen dauerhaft Bundesgelder in die Kinderbetreuung fliessen. Seit 2003 hat der Bund rund 450 Millionen Franken ausgegeben und damit über 72’000 Betreuungsplätze geschaffen. Das Programm zur Anschubfinanzierung läuft Ende 2024 aus.
Der Nationalrat will nun, dass der Bund während vier Jahren bis zu 20 Prozent der durchschnittlichen Kosten eines Betreuungsplatzes übernimmt – für rund 700 Millionen Franken. Danach würde der Bundesbeitrag neu festgelegt. Im Nationalrat argumentierten die Gegnerinnen und Gegner nicht nur mit den Kosten. Sie zweifelten auch an, dass die Erwerbsquote so erhöht werden kann. Viele Eltern wollten nach der Geburt von Kindern nicht mehr oder nur noch wenig arbeiten, sagte SVP-Nationalrätin Diana Gutjahr.
Als Nächstes berät der Ständerat über das Gesetz. Ob er einer Kita-Finanzierung in diesem Umfang zustimmt, ist offen. Für Min Li Marti wäre es bloss ein Anfang. Sie setzt auf die Initiative, die mehr fordert.
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