Analyse zu den bröckelnden Verträgen mit der EUAuf die Europa-Initiative darf die Schweiz nicht warten
Operation Libero will den Bundesrat mit einer Initiative zu neuen Verhandlungen mit der EU zwingen. Doch so viel Zeit, wie die Initianten für ihr Volksbegehren brauchen, hat die Schweiz gar nicht.

Nein, Operation Libero lanciert noch keine Europa-Initiative. Aber doch, sie präsentiert schon mal einen Verfassungstext, für den jederzeit die Unterschriftensammlung begonnen werden kann. Gefordert wird vom Bundesrat ein Abkommen mit der EU, das die Weiterführung des bilateralen Weges sichert und weiter gehende Integrationsschritte wie den EWR- oder den EU-Beitritt zulässt.
Ob und wann die Initiative lanciert wird, lässt Operation Libero offen. Gedacht ist die Europa-Initiative zunächst als Drohkulisse fürs Parlament, von dem die potenziellen Initiantinnen und Initianten noch vor den eidgenössischen Wahlen ein Europa-Gesetz erwarten. Dieses soll den Bundesrat aus der europapolitischen Angststarre lösen.
Mit Reden allein, sprich Verhandeln, verschwindet das EU-Problem nicht.
Doch ist die Initiative ein taugliches Mittel, um die europapolitische Blockade zu lösen? Aus mehreren Gründen sind Zweifel angebracht. Auf die entsprechende Frage haben die beteiligten Organisationen keine überzeugende Antwort.
Zwar wäre der Bundesrat bei einem Ja von Volk und Ständen verpflichtet, mit der EU unverzüglich wieder Verhandlungen über ein neues institutionelles Abkommen aufzunehmen. Doch ist davon auszugehen, dass die EU erneut Forderungen stellen wird, die in der Schweiz auf erbitterten Widerstand stossen. Daran scheiterte letztes Jahr der bereits ausgehandelte Entwurf für das Rahmenabkommen. Linke und Gewerkschaften wehrten sich gegen die Aufweichung des Lohnschutzes, Bürgerliche lehnten eine Übernahme der Unionsbürgerrichtlinie ab, umstritten war zudem die Streitschlichtung zwischen der EU und der Schweiz. Ein Verfassungsauftrag, der unverzügliche Verhandlungen mit der EU fordert, räumt diese strittigen Fragen nicht aus dem Weg.
Für Sanija Ameti, Co-Präsidentin von Operation Libero, behandeln Bundesrat, Parteien, Gewerkschaften und Wirtschaftsverbände die ungelöste EU-Frage wie einen Elefanten im Raum. Dieses Bild wird immer dann bemüht, wenn über ein grosses und für alle offensichtliches Problem geschwiegen wird, in der Hoffnung, es verschwinde von selbst. Doch mit Reden allein, sprich Verhandeln, verschwindet das EU-Problem ebenfalls nicht.

Hinzu kommt: Bis über die Europa-Initiative abgestimmt würde, dauerte es vier bis fünf Jahre. So lange kann die Schweiz das Europa-Dossier nicht liegen lassen. Vielmehr werden wohl die laufende Erosion der bilateralen Abkommen und der daraus entstehende wirtschaftliche Schaden die Schweiz früher dazu bewegen, mit der EU neue Verhandlungen aufzunehmen.
Die Allianz, die hinter der Europa-Initiative steht, nimmt sich überdies nicht besonders schlagkräftig aus. Neben Operation Libero beteiligen sich als einzige Partei die Grünen, dazu kommen eine von Professor Thomas Cottier geleitete proeuropäische Vereinigung sowie die Dachverbände der professionellen Kulturschaffenden und der Studierenden. Die Behauptung, hier habe sich die Zivilgesellschaft versammelt, nimmt sich vollmundig aus. Parteien wie die SP und die GLP, die sich gegenüber Europa offen zeigten, seien angefragt worden, hielten sich aber im Moment zurück, heisst es. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund, einer der Schlüsselakteure in der EU-Frage, erhielt keine Anfrage. Man wird den Verdacht nicht ganz los, dass Operation Libero möglichst kleine Akteure an Bord nahm, um die Führungsrolle zu haben.
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