12 Jahre VerzögerungDie SBB vergraulen die Romandie
Die Bahnwelt verändert sich in der Westschweiz gerade massiv. Das sorgt für breiten Unmut und Konsternation.
Möglichst viele zufriedene Kundinnen und Kunden haben: Das will jedes Unternehmen. In Krisenzeiten kann sich dieser Fokus ändern, wie im aktuellen Fall der SBB in der Romandie. Da scheint es der SBB derzeit vor allem darum zu gehen, möglichst wenige unzufriedene Kundinnen und Kunden zu haben. Doch die Probleme der SBB sind gross, und es tauchen immer neue auf. Politikerinnen sind genervt, Bahnkunden fühlen sich vergrault, auch weil die Ticketpreise weiter steigen.
Der Höhepunkt: Im März wurde bekannt, dass sich der Um- und Ausbau des Bahnhofs Lausanne um zwölf Jahre verzögert. Statt im 2025 wird der Bahnhof erst 2038 fertiggestellt. Dabei hatten die Bauarbeiten längst begonnen – und werden jetzt nicht wie geplant fortgesetzt. Denn gewisse Pläne lassen sich nicht umsetzen, auch weil Ingenieure Sicherheitsbedenken äusserten.
Das Schlamassel hat Auswirkungen auf die gesamte Genferseeregion. Der Bahnhof Lausanne ist ein Nadelöhr für den ÖV zwischen Deutsch- und Westschweiz und auch für die Verbindungen vom Unterwallis bis ins französische Grenzgebiet nach Genf. Zudem entsteht in Lausanne derzeit ein Quartier für 10’000 Menschen, das mit der neuen Metrolinie M3 erschlossen und möglichst rasch an den Bahnhof angebunden werden soll. Auch diese Anbindung dürfte sich um Jahre verzögern.
«Eine kalte Dusche»
Für lange Gesichter in der gesamten Romandie sorgten die SBB letzte Woche mit der Präsentation eines Fahrplanentwurfs für die Jahre ab 2025. «Die jüngste kalte Dusche», nennt der Waadtländer Unternehmerverband «Centre Patronale» die Fahrplanpläne. Dabei tat die Bahn alles dafür, den Fahrplan möglichst positiv zu verkaufen. Die SBB versprachen, ab 2025 die Pünktlichkeit in der Westschweiz zu erhöhen.
Doch die Pünktlichkeit hat einen Preis. So verlängern sich Fahrzeiten um mehrere Minuten, etwa auf den Linien Bern–Lausanne und Lausanne–Genf. Die Züge müssen wegen Baustellen bremsen, weil die Bahninfrastruktur erneuert wird. Dabei wollten die SBB die Fahrzeiten zwischen Bern und Lausanne ursprünglich verringern.Sie mussten diesen Plan wegen der nicht funktionierenden Neigetechnik aber aufgeben.
Für massiven Ärger sorgt weiter, dass es Direktverbindungen von Neuenburg via Yverdon nach Genf nur noch zu Hauptverkehrszeiten gibt. Künftig müssen Passagiere im Lausanner Vorort Renens umsteigen. Damit wird Renens zum Oerlikon der Westschweiz, worüber nebst den Pendlern auch die Stadtoberen entlang der Jura-Südfuss-Route den Kopf schütteln. In der Romandie ist man sich schlicht nicht gewohnt, dass ein Vorort ein Verkehrsknotenpunkt sein kann.
Auch die Leitung des Genfer Flughafens ist nicht glücklich, weil sie damit rechnet, dass Passagiere am Jura-Südfuss wegen der Umsteigerei und längerer Fahrzeiten den Zürcher Flughafen bevorzugen.
Protest der Städte
Die Flughafenleitung und die Städte Biel, Neuenburg, Yverdon-les-Bains und selbst La Chaux-de-Fonds haben bei den SBB interveniert. Die Bahn zeigt sich gesprächsbereit, man werde «sich in den nächsten Wochen mit den Vertretern der Städte und des Flughafens treffen, ihnen den neuen Fahrplan im Detail präsentieren und um einen konstruktiven Dialog besorgt sein», schreiben die SBB als Reaktion auf die Proteste.
«Seit der Einführung der Bahn 2000 wurden die Fahrpläne in der Romandie nicht mehr grundlegend geändert.»
Angesichts der Probleme dürfte Frédéric Revaz, SBB-Mediensprecher für die Romandie, noch über Jahre hinaus gefordert sein. Revaz sagt: «Seit der Einführung der Bahn 2000 wurden die Fahrpläne in der Romandie nicht mehr grundlegend geändert.» Das sei nun aber der Fall und auch wegen der notwendigen Erneuerung der Bahninfrastruktur notwendig.
Mit dem Halt in Renens entspreche man einem seit langem geäusserten Wunsch der Universität und der ETH Lausanne, den Hochschulcampus besser ans Bahnnetz anzubinden. Dazu, dass die SBB selbst wirtschaftlich vom Halt in Renens und der Entwicklung von Ost-Lausanne profitieren werden, weil sie seit langem in dortige Immobilien und eine topmoderne Infrastruktur investieren, sagt Revaz: «Damit hat es nichts zu tun. Wir planen unsere Fahrpläne für unsere Kunden und deren Bedürfnisse.»
Revaz betont darüber hinaus eine weitere Verbesserung: «Zwischen dem Unterwallis und der französischen Stadt Annemasse bei Genf werden mehr Regioexpress-Züge zirkulieren.» Dem halten Kritiker entgegen, die SBB beseitigten damit nur ein Versäumnis. Die SBB wollten die Linie mehr befahren, hatten während der Pandemie aber nicht genügend Kapazitäten bei der Wartung ihrer Züge und es gab Engpässe beim Zugpersonal.
Die SBB können heute froh sein, mit dem Freiburger Vincent Ducrot einen Romand an der Spitze zu haben. Müsste ein Deutschschweizer Ducrots Hiobsbotschaften in die Westschweiz tragen, hätte er einen noch schwereren Stand.
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