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Wahlkampf in Frankreich
Die Républicains sind auf der Suche nach sich selbst

Strebt das höchste Staatsamt an: Michel Barnier, früherer Brexit-Chefunterhändler und EU-Kommissar.
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In Zeiten, in denen ein Standardvorwurf an die Politik lautet, es ginge nur noch um Namen und Personen, nicht um Inhalte, standen Frankreichs konservative Républicains am Wochenende gut da. Für ihr Rentrée-Treffen, mit dem der Wiederbeginn der politischen Saison eingeläutet wird, haben sie ein inhaltliches Programm vorgelegt. Und auf Starauftritte der Parteigrössen verzichtet. Nur wirkt dies eher wie eine Entscheidung, die aus der Not geboren ist.

In dem Ideenprospekt, der auf dem Treffen verteilt wird, präsentiert sich eine Partei mit klar liberalen, rechtskonservativen Werten. Weniger Steuern, weniger Sozialabgaben für Unternehmen, eine in der Verfassung festgelegte Obergrenze für Einwanderung, härtere Regeln für Asylverfahren. Klimaschutz bedeutet für diese Partei: Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke und keine Subventionen mehr für Solar- und Windenergie.

Für diese Politik gibt es in Frankreich eine stabile Wählerschaft. Meinungsforscher halten es nicht für sicher, aber doch für möglich, dass ein Kandidat oder eine Kandidatin der Republikaner es 2022 in die zweite Runde der Präsidentschaftswahl schafft. Bei der Regionalwahl im Juni konnten die Konservativen alle von ihnen regierten Regionen halten. Ganz anders als Präsident Emmanuel Macron sind sie gerade in den kleineren Städten fest verankert.

Streit zum Start des Präsidentschaftskampfes

Und doch agieren die Republikaner zum Start des grossen Präsidentschaftskampfes unglücklich. Sie wissen weder, wer für sie kandidieren soll, noch, wie oder wann sie ihren Kandidaten oder ihre Kandidatin küren wollen. In Frankreich hat das Rennen auf den Élysée-Palast begonnen, aber die Konservativen streiten noch vor der Startlinie herum.

Im Pariser Parc Floral sieht zunächst alles sehr aufgeräumt aus. Schon von weitem kann man erkennen, wo die Jugendorganisation der Republikaner zum Jahrestreffen einlädt. Man muss nur den Gruppen junger Männer in hellblauen und weissen Oberhemden folgen. Mehr als 1500 «Jeunes Républicains» haben sich angemeldet – die Partei will zeigen, dass ihr Potenzial beim Nachwuchs liegt. Auf den Podien lässt man dann aber lieber den Älteren den Vorrang. Die Jugend lädt ein, die Alten präsentieren ihre Lösungen.

Im Gedränge vor der Bar schüttelt mal Parteichef Christian Jacob Hände, dann die Ex-Ministerin, Ex-Europapolitikerin und Ex-Bürgermeisterkandidatin Rachida Dati. Auf ihren Jutebeuteln trägt die Jugend die konservativen Ex-Präsidenten, die Gesichter von Jacques Chirac und Nicolas Sarkozy, spazieren. Wer früher wichtig war, wird noch heute geliebt. Doch wem gehört die Zukunft?

Gehört zu den führenden Leuten der Republikaner: Rachida Dati, frühere Ministerin.

Vier Männer und eine Frau werben um die Unterstützung der Republikaner bei der kommenden Wahl. Nur sind zwei von ihnen, die frisch wiedergewählten Regionalpräsidenten Valérie Pécresse und Xavier Bertrand, mit grosser Geste aus der Partei ausgetreten, um ihre Grossformatigkeit zu unterstreichen. Ausgerechnet die beiden sind nun die Favoriten in den Umfragen.

Als zum Veranstaltungsbeginn ein Video der Regionalwahlsieger gezeigt wird, buhen die Jungrepublikaner Bertrand aus. Je selbstbewusster sich der Politiker aus Frankeichs Norden in den Medien gibt, desto düpierter ist die Partei, auf deren Unterstützung er trotz allem angewiesen ist. Anders als Bertrand ist seine Konkurrentin Pécresse am Abend zum Umtrunk eingeladen. Manche murren leise, wer kann, macht ein Selfie mit ihr. Die einzigen Kandidaten, die man bei dieser Veranstaltung an ein Mikrofon lässt, sind der Brexit-Verhandlungsführer Michel Barnier und der Abgeordnete Éric Ciotti.

Wobei Barnier und Ciotti nicht als Wahlkämpfer auftreten, sondern bei Diskussionsrunden zu Experten eingehegt werden. Barnier spricht über Aussenpolitik, Ciotti über innere Sicherheit. Sollte man mit Zurückhaltung einen Präsidentschaftswahlkampf gewinnen können, hätte Barnier gute Chancen. Frankreichs Monsieur Brexit lässt im Gespräch stets den anderen den Vortritt, widerspricht nicht, als seine Parteikollegin Nadine Morano gegen den angeblich zu grossen Einfluss Brüssels stichelt. Man dürfe «das Einstehen für Europa nicht den Macronisten überlassen», sagt Barnier.

Es geht auch um die Existenzberechtigung der Partei

Im nur zur Hälfte gefüllten Saal ist das Interesse mässig. Applaus gibt es von den Delegierten nur, als Barnier sagt, Europa müsse «die Völker, ihre Identität, ihre Sprache beschützen». Als wache die Partei erst dann auf, wenn einer klingt wie Sarkozy, der Identitätsfragen zum Kern der präsidialen Arbeit erhob.

Vergleicht man diesen politischen Spätsommer mit jenem von 2016, dann fällt eine Parallele auf: Die Chancen stehen in Frankreich gut für Parteien und Personen, die auf konservative Werte und unternehmerfreundliche Politik setzen. Nur tun sich die Republikaner schwer, diesen ihnen eigentlich angestammten Platz auch tatsächlich zu besetzen. 2017 stolperten sie über die Affären und über die Sturheit ihres Kandidaten François Fillon. Gute vier Jahre später hat der liberale Macron viele ihrer Kernthemen besetzt. Und vom rechten Rand aus lockt Marine Le Pen diejenigen Wähler, die Einwanderung für Frankreichs grösstes Problem halten.

Der Spielraum der Républicains hat sich verkleinert. Bei der kommenden Wahl geht es nicht nur ums Gewinnen, sondern auch ganz grundsätzlich um die Existenzberechtigung der Partei.