Omikron-Welle in Gauteng ebbt abNeuste Corona-Zahlen machen Südafrika Mut: Was heisst das für uns?
Südafrika ist Europa mit Omikron zeitlich voraus. Nun liegen neue Erkenntnisse aus dem Epizentrum vor. Ein Vergleich mit Europa muss mit Vorsicht erfolgen.
Sie hatte als Erste vor Omikron gewarnt, nun sorgt Angelique Coetzee für einen Hoffnungsschimmer. Einen Monat nach dem Ausbruch der neuen Variante zieht die Vorsitzende der südafrikanischen Ärztekammer eine Zwischenbilanz – und die fällt für das Land am Kap durchaus ermutigend aus. Es gebe wegen Omikron in Südafrika zwar mehr Fälle, aber sehr viel weniger Tote, sagt sie in einem CNN-Interview. Auch die Zahl der hospitalisierten Covid-Infizierten liege deutlich unter denen vorangegangener Infektionswellen. Bei Delta seien pro Tag 400 bis 500 Patienten eingeliefert worden, nun seien es meist unter 100. Und auch die Zahl der Covid-Patienten, die Sauerstoff benötigen, sei deutlich geringer. «Die meisten Erkrankungen verlaufen mild.»
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Im bisherigen Omikron-Epizentrum, der bevölkerungsreichen Gauteng-Provinz mit den Metropolen Johannesburg und Pretoria, verliert die Welle nach einem Monat offenbar bereits an Dynamik. «Wir sind über den Berg», folgert Coetzee und bestätigt damit eine Aussage von Südafrikas Gesundheitsminister Joe Phaahla. Dieser hatte vergangenen Freitag darauf hingewiesen, dass nur noch ein Viertel der Neuinfektionen im Land aus Gauteng stammen. «Zum Vergleich: Zehn Tage zuvor war Gauteng noch für 70 bis 80 Prozent der Neuinfektionen verantwortlich.»
Wegen der Feiertage würde sich Omikron nun von Gauteng aus auch in anderen Provinzen ausbreiten, sagt Coetzee. Die Fallzahlen im gesamten Land gingen aber zurück. Das bestätigt ein Blick auf das Dashboard des Nationalen Instituts für übertragbare Krankheiten (NICD). Am 15. Dezember wurden noch rund 25’000 Neuinfektionen gemeldet, mittlerweile sind es rund 15’000 Fälle. Es gibt aber auch Stimmen, die den Rückgang mit einem Meldeverzug und ausgeschöpften Testkapazitäten erklären.
Unverändert hoch ist mit 30 Prozent die Positivitätsrate. Laut Coetzee ist der Grund dafür simpel: Südafrikaner würden sich viel testen lassen – aber weniger impfen. Obschon ausreichend Impfstoff vorhanden wäre, sind am Kap erst 44 Prozent der Erwachsenen zumindest einmal geimpft. Bei den Personen, die älter als 60 Jahre sind, liegt die Impfquote bei 66 Prozent.
Laut Waasila Jassat vom NICD hat sich die Dauer der Krankenhausaufenthalte von Covid-Patienten trotzdem drastisch verringert im Vergleich zu vorangegangenen Infektionswellen – sie sank von bis zu zehn Tagen bei der dritten Welle auf nun weniger als die Hälfte. Es sei aber noch zu früh, daraus wissenschaftlich fundierte Schlüsse zu ziehen.
Viel mehr Genesene als in Europa
Es gibt auch genügend Gründe, die dagegen sprechen, die Situation in Südafrika 1:1 auf Europa zu übertragen. Am Kap ist die Bevölkerung mit einem Durchschnittsalter von 28 Jahren sehr viel jünger als hier. Nur etwa 6 Prozent der Bevölkerung sind über 65 Jahre alt, in der Schweiz sind es 18,8. Deshalb dürfte die höhere Anzahl an Ungeimpften nicht sonderlich ins Gewicht fallen.
Zurzeit ist in Südafrika Sommer und die Bewohner halten sich bei Temperaturen über 20 Grad oft draussen auf. Ausserdem gibt es am Kap sehr viel mehr Genesene als in der Schweiz. Laut einer neuen Untersuchung sind allein in Gauteng bereits 72 Prozent der Bevölkerung mit dem Virus in Berührung gekommen. Impfexperte Shabir Madhi von der Witwatersrand-Universität in Johannesburg warnt deshalb davor, Südafrika als Beispiel für den Verlauf der Omikron-Welle in anderen Ländern zu sehen.
Hohe Dunkelziffer in Grossbritannien?
So spitzen sich etwa in Grossbritannien und den USA, wo Omikron ebenfalls bereits dominant ist, die Debatten um schärfere Corona-Massnahmen zu. London rief schon den Katastrophenfall aus – nachdem sich die Fallzahlen innert eines Tages verdreifacht hatten. Wissenschaftliche Berater der britischen Regierung fordern eine schnelle Verschärfung, um eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern. Man sei «fast sicher, dass es aktuell Hunderttausende neue Omikron-Infektionen pro Tag» in England gebe – also eine hohe Dunkelziffer. Unklar ist aber noch, ob die Rekordzahlen an Infektionen zu einer drastisch erhöhten Zahl von Krankenhauseinweisungen führen werden.
Auch in den USA hat Joe Biden angesichts des sprunghaften Anstiegs der Omikron-Fälle neue Massnahmen angekündet. Der Präsident will nun mithilfe des Militärs Spitäler besser unterstützen und deren Kapazitäten schnell ausbauen.
Derweil breitet sich Omikron auf dem afrikanischen Kontinent ebenfalls rapide aus. Innerhalb von einer Woche ist die Zahl der aktiven Covid-Fälle um 83 Prozent gestiegen. Die Zahl der Todesopfer ist aber bislang gleich wie in Südafrika auch in den anderen Ländern tiefer als in den vorangegangenen Wellen. Die WHO sieht deshalb ermutigende Zeichen, zumindest in Bezug auf die jüngeren Bevölkerungen in Afrika: Matshidiso Meti, die regionale WHO-Direktorin, sagt: «Wir sind vorsichtig optimistisch, dass es in dieser Welle weniger Tote und schwere Fälle gibt.»
nlu
Fehler gefunden?Jetzt melden.