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Meinung

Kommentar zur Seco-Staatssekretärin
Die neue Chefin muss mehr liefern als die alte

Ihr eilt der Ruf voraus, initiativ und dynamisch zu sein: Helene Budliger Artieda (57), heute Schweizer Botschafterin in Thailand. 
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Guy Parmelin gelingt ein Überraschungscoup. Der Wirtschaftsminister macht eine Frau zur neuen Chefin des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco), die niemand auf dem Radar hatte. Helene Budliger Artieda, derzeit Botschafterin in Thailand, wird damit zur wichtigsten Wirtschaftsfunktionärin der Schweiz. 

Budliger hat zwar einst Betriebswirtschaft studiert – allerdings in Kolumbien, das von der Schweizer Wirtschaftsrealität maximal weit entfernt ist. Praktische Erfahrung aus der Schweizer Privatwirtschaft bringt sie keine mit. Auch das Seco, dieses Riesenamt mit 800 Mitarbeitenden, kennt Budliger Artieda nicht von innen.

Doch der 57-jährigen Diplomatin eilt der Ruf voraus, initiativ, dynamisch und führungsfreudig zu sein. Das ist schon einmal ein gutes Startkapital. Denn Initiative und Dynamik hat das Seco nach elf Jahren unter der Leitung von Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch dringend nötig.

Es lag auch am Seco, dass die Schweiz nach Russlands Invasion in der Sanktionsfrage so unvorbereitet war.

Die amtierende Staatssekretärin hat zwar einen sehr guten Ruf als Wirtschaftsdiplomatin. Auch operativ schien sie das Seco im Griff zu haben. Doch inhaltlich wuchs Ineichen-Fleisch als Seco-Chefin nie über ihr angestammtes Fachgebiet hinaus. In der Öffentlichkeit war sie praktisch inexistent. Nie in ihrer langen Amtszeit schaffte sie es, wirtschaftspolitisch einen spürbaren Akzent zu setzen. Im Gegenteil: Mehrfach reagierten sie und das Seco in Krisen und politischen Schlüsseldossiers erst spät und nur unter äusserem Druck. Oder gar nicht.

Das jüngste Beispiel ist die Ukraine-Krise: Das Seco war entscheidend mitverantwortlich, dass die Schweiz nach Russlands Invasion in der Sanktionsfrage derart unvorbereitet war. Ineichens Seco hatte es verpasst, für den Bundesrat Handlungsoptionen vorzubereiten. Auch beim ersten Corona-Lockdown musste das Seco vom Gesamtbundesrat praktisch dazu gezwungen werden, in einer ausserordentlichen Krise über ausserordentliche Massnahmen auch nur nachzudenken.

Beim Debakel um das Rahmenabkommen mit der EU war von Ineichen-Fleisch ebenfalls wenig bis nichts zu spüren. Dabei ist das Seco für die flankierenden Massnahmen zuständig, an denen das Rahmenabkommen letztlich gescheitert ist. Selbst bei der Frauenförderung war Ineichen-Fleisch, selbst die erste Frau an der Seco-Spitze, bemerkenswert erfolglos. In der 13-köpfigen Seco-Geschäftsleitung sitzen heute neben ihr elf Männer und nur eine Frau.

Elf Jahre lang an der Seco-Spitze: Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch tritt auf Ende Juli zurück.

Derzeit steht die Schweiz wirtschaftspolitisch vor gewaltigen Herausforderungen. Als Folge des Ukraine-Kriegs droht eine Weltwirtschaftskrise. Die Inflation steigt und steigt. Im Volk bröckelt der Rückhalt für eine liberale Wirtschaftspolitik, wie im März 2021 das bloss hauchdünne Volks-Ja zum Freihandelsabkommen mit Indonesien offenbarte. Und überhaupt: Ob die traditionelle Schweizer Freihandelspolitik im sich zuspitzenden Ost-West-Konflikt künftig überhaupt noch funktionieren kann, ist derzeit fraglich.

In dieser Situation sind in der Wirtschaftspolitik Ideen und konkrete Massnahmen gefordert. Es ist darum zu hoffen, dass Parmelins personelle Wette aufgeht – und dass unter der neuen Staatssekretärin aus dem Seco wieder mehr Innovation, Weitsicht und politische Gestaltungskraft kommen.