Sommaruga-NachfolgeRuiz und Gorrite sagen ab – Bruderer, Herzog und Wasserfallen prüfen Kandidatur
Die Auswahl für die Nachfolge von Simonetta Sommaruga ist überschaubar. Männer kommen nicht infrage – und für manche Kandidatinnen kommt die Vakanz zur Unzeit.
Zwei Frauen sollen es sein, Bewerberinnen aus allen Landesteilen sind erwünscht: Die klare Ansage der SP-Parteispitze schränkt das Feld der möglichen Kandidaturen bereits am Tag von Simonetta Sommarugas Rücktritt ein. Männer kommen damit nicht mehr infrage. Im Fokus standen zuletzt etwa der Zürcher Ständerat Daniel Jositsch – im Bundeshaus sind seine Ambitionen ein offenes Geheimnis – oder der Waadtländer Nationalrat und Gewerkschaftspräsident Pierre-Yves Maillard.
Das SP-Führungsduo Mattea Meyer (die selber nicht antreten will) und Cédric Wermuth betonte vor den Medien die breite Auswahl möglicher Kandidatinnen auf allen Staatsebenen. Bei genauerer Betrachtung ist diese Auswahl allerdings überschaubar, denn mehrere valable SP-Vertreterinnen gehen mit einem Handicap ins Rennen.
Eva Herzog, Basler Ständerätin
Bereits Regierungserfahrung hat die Basler Ständerätin Eva Herzog. Sie war vor ihrer Wahl ins Stöckli während fünfzehn Jahren Finanzdirektorin von Basel-Stadt. Sie gehört dem pragmatischen SP-Flügel an und machte sich als Regierungsrätin stark für die Reform der Unternehmensbesteuerung, die dann allerdings am Referendum ihrer eigenen Partei scheiterte.
Dank ihrer wirtschaftsfreundlichen Positionen ist sie auch im bürgerlichen Lager breit respektiert – in den eigenen Reihen machte sie sich damit allerdings nicht nur Freunde. Ins Gewicht fällt zudem Herzogs Alter: Die Baslerin wird im Dezember 61-jährig. Nach drei Amtsjahren hätte sie somit bereits das offizielle Rentenalter für Frauen erreicht. Sie schliesst auf Anfrage eine Kandidatur aber nicht aus. Würde sie antreten, wäre sie die Favoritin.
Pascale Bruderer, Aargauer Nationalratspräsidentin
Als Sommaruga vor rund zwölf Jahren in den Bundesrat gewählt wurde, war Pascale Bruderer Nationalratspräsidentin. Später wechselte die populäre Aargauer Politikerin in den Ständerat. 2019 zog sie sich aus der Bundespolitik zurück, um sich ganz dem Unternehmertum zu widmen. Die 45-Jährige ist heute Teilhaberin sowie exekutive Verwaltungsrätin bei einem IT-Start-up-Unternehmen. Bruderer teilte dieser Zeitung mit, dass sie über eine Kandidatur bis am 8. November entscheidet.
Evi Allemann, Berner Regierungsrätin
Möglicherweise kommt die Nachfolgerin von Simonetta Sommaruga erneut aus dem Kanton Bern. Zu den aussichtsreichen Kandidatinnen gehört Regierungsrätin Evi Allemann. Sie wurde 2003 mit 25 Jahren als jüngste Nationalrätin gewählt. Nach fünfzehn Jahren wechselte die Juristin in die Berner Regierung, wo sie der Justizdirektion vorsteht.
Als Vertreterin des moderaten Parteiflügels ist Allemann auch für das bürgerliche Lager gut wählbar. Da die 44-Jährige in der vergangenen Legislatur zurückgetreten ist, kennen sie allerdings viele im stark erneuerten nationalen Parlament nicht mehr persönlich. In ihrer Rolle als Regierungsrätin ist sie bisher nicht besonders aufgefallen. Allemann sagte auf Anfrage, dass der Rücktritt Sommarugas überraschend komme und sie sich die Frage einer Bundesratskandidatur bis heute nie konkret gestellt habe.
Flavia Wasserfallen, Berner Nationalrätin
Ebenfalls häufig genannt (wie für jedes höhere Amt in der Partei) wird die Berner Nationalrätin Flavia Wasserfallen. Die 43-jährige Politologin ist seit 2018 im Nationalrat und engagiert sich vor allem in der Gesundheits- und Sozialpolitik. Sie ist auch Präsidentin des Patientendachverbands.
Wasserfallen soll allerdings bei den Wahlen 2023 den Berner Ständeratssitz der SP verteidigen. Zudem werden ihr auch Ambitionen auf einen Sitz in der Berner Stadtregierung nachgesagt. Am Tag des Sommaruga-Rücktritts war Wasserfallen für Medienanfragen noch nicht erreichbar. Eine Nacht später teilt sie auf Anfrage schriftlich mit: «Ich überlege mir eine Kandidatur.»
Elisabeth Baume-Schneider, jurassische Ständerätin
Der 58-jährigen jurassischen Ständerätin und früheren Staatsrätin Elisabeth Baume-Schneider wird ebenfalls das Format einer Bundesrätin zugeschrieben. 2002 wurde sie in die Regierung des Kantons Jura gewählt. Sie leitete dort das Erziehungs-, Sport- und Kulturdepartement. 2006 und 2008 präsidierte sie den Regierungsrat. Seit 2019 ist Baume-Schneider Ständerätin. In der kleinen Kammer vertritt sie als Präsidentin der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie wichtige Dossiers.
Diese Politikerinnen haben abgesagt
Einige mögliche Sommaruga-Nachfolgerinnen haben sich gegen eine Kandidatur ausgesprochen. Schon am Tag der Ankündigung aus dem Rennen genommen haben sich Mattea Meyer und Nadine Masshardt. Dazu kommen folgende Politikerinnen, die im Zeitraum danach als mögliche Kandidatinnen in Frage kamen:
Nuria Gorrite, Waadtländer Staatsrätin
Auch der Name der Waadtländer Staatsrätin Nuria Gorrite ist nach dem Rücktritt Sommarugas gefallen. Sie hat sich aus dem Rennen genommen. Die Waadtländerinnen und Waadtländer könnten weiterhin auf ihr Engagement im Staatsrat zählen, teilte Gorrite in einer Mitteilung mit. Sie fühle sich geehrt, habe sich aber entschieden, auf eine Kandidatur zu verzichten.
Von 2017 bis im Frühling leitet die 52-Jährige die Kantonsregierung. Sie war die erste Frau in dieser Position. Zurzeit ist sie Vorsteherin des Departements für Infrastruktur, Kultur und Personelles.
Rebecca Ruiz, Waadtländer Staatsrätin
Als wohl chancenreichste Kandidatin aus der Romandie galt die Waadtländer Staatsrätin Rebecca Ruiz. Die Kriminologin sass von 2014 bis 2019 im Nationalrat, aus dem sie nach der Wahl in die Waadtländer Regierung zurücktrat.
Die Parteispitze betonte zwar, Kandidatinnen aus allen Landesteilen berücksichtigen zu wollen. Doch die Wahrscheinlichkeit ist gering, dass das Parlament eine vierte Person – und damit eine Mehrheit im Bundesrat – aus der lateinischen Schweiz wählen wird. Dennoch sagte Ruiz zuerst, dass sie sich eine Kandidatur überlege. Nun gab sie bekannt, sie möchte sich auf ihr Amt als Gesundheitsdirektorin konzentrieren.
Marina Carobbio, Tessiner Ständerätin
Marina Carobbio kandidiert für den Tessiner Staatsrat, der im April neu gewählt wird. Daher hat sich die Ständerätin aus dem Rennen genommen, wie sie am Donnerstag mitteilt.
Jacqueline Fehr, Zürcher Regierungsrätin
Infrage kam bisher auch die Zürcher Regierungsrätin Jacqueline Fehr. Die 59-Jährige unterlag vor zwölf Jahren gegen Sommaruga. Am Donnerstag teilte Fehr mit, sie werde auf eine Kandidatur verzichten. Ihr Ziel sei eine Wiederwahl am 12. Februar in die Zürcher Regierung.
Priska Seiler Graf, Zürcher Nationalrätin
Nationalrätin Priska Seiler Graf hat ebenfalls ihren Verzicht auf die Nachfolge von Bundesrätin Simonetta Sommaruga bekanntgegeben. Sie wolle sich auf den Zürcher Regierungsrat konzentrieren, schrieb sie am Donnerstag auf Twitter.
Damit zieht Seiler Graf mit der amtierenden SP-Regierungsrätin Jacqueline Fehr gleich, die kurz zuvor bekanntgegeben hatte, nicht für den Bundesrat zu kandidieren. «Mein Ziel bleibt, am 12. Februar den zweiten SP-Sitz im Regierungsrat zurückzuholen», schreibt Seiler Graf.
Barbara Gysi, St. Galler Nationalrätin
Ebenfalls aus dem Rennen genommen hat sich die St. Galler Nationalrätin Barbara Gysi. Die Sozialpädagogin politisiert seit elf Jahren in der grossen Kammer. Die 58-jährige Gewerkschafterin ist bekannt wegen ihrer pointiert linken Sozialpolitik.
Wie bei SVP-Nationalrätin Esther Friedli ist der Zeitpunkt für eine Bundesratskandidatur aber ungünstig. Gysi will den frei werdenden Ständeratssitz von Paul Rechsteiner für die SP verteidigen und steht deshalb nicht zur Verfügung, wie sie am Donnerstag mitteilte.
Ursula Wyss, Berner Alt-Gemeinderätin
Ebenfalls aus dem Rennen nimmt sich die Berner Alt-Gemeinderätin Ursula Wyss.
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