Umfrage zu NaturschutzDie Mehrheit will keine Wasserkraftwerke in Schutzgebieten
Im Parlament gibt es Pläne, geschützte Biotope der Stromproduktion zu opfern. Nun zeigt eine repräsentative Umfrage: Eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung ist dagegen.
Das Val Roseg, die Greina oder die Rheinschlucht: Biotope von nationaler Bedeutung dienen dem Schutz bedrohter Arten. Laut dem Bundesamt für Umwelt tragen diese Auen, Moore und Trockenwiesen massgeblich zur Erhaltung der Biodiversität in der Schweiz bei. Neue Wasserkraftwerke und andere Energieanlagen dürfen in solchen Biotopen heute nicht gebaut werden.
Doch im Parlament gibt es Bestrebungen, das zu ändern. Ohne Abstriche beim Naturschutz sei der Ausbau der erneuerbaren Energien nicht möglich, heisst es auf bürgerlicher Seite. Die Änderung soll im Gesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien vorgenommen werden, über das derzeit die Umwelt- und Energiekommission des Ständerates berät. Bürgerliche Ständeräte haben entsprechende Anträge eingereicht.
Gesetzlich verankert werden soll, dass Nutzungsinteressen gegenüber Schutzinteressen Priorität haben. Das Bauverbot für Energieanlagen in Biotopen soll gestrichen werden.
Naturschutz hat Priorität
In der Bevölkerung findet das allerdings keinen Anklang, wie eine repräsentative Umfrage von gfs-zürich im Auftrag des WWF zeigt, deren Resultate dieser Redaktion vorliegen. Eine deutliche Mehrheit will am Schutz festhalten: Über 60 Prozent der Befragten sprachen sich gegen neue Anlagen in diesen Gebieten aus.
41 Prozent stimmten der Aussage «voll und ganz» zu, in national geschützten Auen und Mooren dürften keine neuen Wasserkraftanlagen gebaut werden. Weitere 19 Prozent stimmten dieser Aussage «eher» zu. Ein ähnliches Resultat ergab sich bei der Formulierung, neue Wasserkraftwerke sollten nur ausserhalb national geschützter Auen und Moore gebaut werden dürfen.
Weniger als 20 Prozent der Befragten stimmten diesen beiden Aussagen «ganz und gar nicht» oder «eher nicht» zu. Nur eine Minderheit möchte also den Schutz der Biotope von nationaler Bedeutung aufweichen. Dass die Mehrheit den Schutz beibehalten möchte, gilt für beide Geschlechter, doch ist das Ergebnis bei den Frauen deutlicher.
Grundsätzlich will eine grosse Mehrheit der Bevölkerung Bäche und Flüsse – und damit auch die Auengebiete – schützen. 74 Prozent der Befragten stimmten der Aussage zu, es brauche Schutzgebiete, um die letzten noch natürlichen oder naturnahen Bäche und Flüsse vor Verbauung und Wassernutzung zu schützen. 77 Prozent möchten, dass neue Wasserkraftanlagen nur dann von Fördermitteln profitieren, wenn sie klare Umweltkriterien einhalten. So sollen Wasserkraftwerke etwa ausreichend Wasser in Bächen und Flüssen belassen, damit Fische und andere Lebewesen überleben und zur Fortpflanzung wandern können.
Die Fragen wurden im Rahmen der Univox-Umwelt-Umfrage gestellt, gehören aber nicht zu den Kernthemen, die seit Jahren erhoben werden. Die gesamten Resultate der neuesten Umwelt-Umfrage wird gfs-zürich in einigen Wochen publizieren.
«Die wichtigsten Naturjuwelen»
Umweltverbände wie den WWF und Pro Natura dürften die Ergebnisse darin bestärken, Pläne für eine Lockerung des Schutzes zu bekämpfen. Die Verbände argumentieren, diese Biotope machten nur gerade 2 Prozent der Landesfläche aus. Viele seien bereits heute stark durch die Wasserkraftnutzung beeinträchtigt. Würden noch weitere der Energieversorgung geopfert, stehe die geringe erschliessbare Produktion in keinem Verhältnis zum Schaden. Anderswo sei das Potenzial für die Stromproduktion ungleich grösser – etwa bei der Fotovoltaik an Fassaden und auf Dächern – und mit deutlich geringeren Eingriffen verbunden.
Aus Sicht der Umweltverbände können Versorgungssicherheit, Klimaschutz und Naturschutz Hand in Hand gehen. Lösungen seien möglich, ohne «die wichtigsten Naturjuwelen» zu opfern, sagt der WWF. Das zeigten auch die Ergebnisse des runden Tisches zur Wasserkraft. Die Gegenseite, die sich in einer «Allianz Versorgungssicherheit» zusammengeschlossen hat, sieht das anders. Sie argumentiert, man könne nicht alles haben. Die Schweiz müsse sich zwischen Naturschutz und dem Ausbau erneuerbarer Energien entscheiden.
Wie interne Dokumente zeigen, hat sich die bürgerliche Allianz zum Ziel gesetzt, die Bevölkerung umzustimmen: Die Energieversorgung soll Priorität haben. Erste Schritte sind eingeleitet. So hat der Verband der Kleinwasserkraft, Swiss Small Hydro, jüngst die Lancierung einer Volksinitiative mit dem Titel «Jede einheimische und erneuerbare Kilowattstunde zählt» angekündigt.
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