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SRF-Journalistin in Minsk verschleppt
«Die Maskierten zerrten mich in einen schwarzen Minibus»

«Du, mitkommen!» SRF-Journalistin Luzia Tschirky wurde stundenlang von anonymen Agenten festgehalten.
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Es ist keine Festnahme, es ist ein Kidnapping.

Am Sonntagnachmittag, kurz nach 14 Uhr Ortszeit, ist Luzia Tschirky in Minsk auf der Strasse unterwegs, nicht weit von der Schweizer Botschaft mitten in der Stadt. Die SRF-Journalistin will mit einer Bekannten, einer Juristin bei einer Menschenrechtsorganisation, und deren Mann einen Kaffee trinken gehen. An einem Fussgängerstreifen warten die drei, dass es grün wird, als plötzlich ein schwarzer Minibus neben ihnen stoppt.

Eine Handvoll Männer springt heraus, «alle dunkel gekleidet, ohne Uniform oder Abzeichen und mit schwarzen Gesichtsmasken», erzählt Tschirky. Sie protestiert, ruft, sie sei Schweizerin und Journalistin. «Doch die Maskierten zerrten uns in den schwarzen Minibus.»

Seit zwei Jahren ist Luzia Tschirky, 29 Jahre alt, Korrespondentin für das Fernsehen SRF in Moskau, zuständig auch für die übrigen Länder der ehemaligen Sowjetunion. Erst am letzten Mittwoch ist sie in Minsk angekommen, hat seither noch keinen einzigen Bericht senden können.

Agenten mit Schlagstöcken

Während der Minibus losfährt, zeigt Tschirky den maskierten Männern ihren Pass und die Akkreditierung des weissrussischen Aussenministeriums. Sie hält ihre Dokumente sogar gegen die Bodycams, welche die Männer tragen – in der Hoffnung, dass irgendjemand vor einem fernen Bildschirm sie sehen möge. Doch sie bekommt keine Antwort und keine Erklärungen.

Monatelang hatte sich Tschirky darum bemüht, für das Schweizer Publikum überhaupt aus Minsk berichten zu dürfen. Schon im letzten Frühling hatte sie bei der Regierung ein Visum und eine Journalisten-Akkreditierung beantragt. Doch erst im Dezember hat sie die nötigen Papiere erhalten.

Tschirky wählt die Nummer einer Mitarbeiterin der Schweizer Botschaft in Minsk. Sie kann nur gerade einen Satz sagen, als einer der Maskierten ihr das Handy wegreisst.

Der Minibus, in dem auch noch mehrere weitere Gefangene sitzen, fährt durch die Stadt. Wohin, sagt man den Insassen nicht. Und sie sehen es auch nicht: Die Fenster sind verdeckt. Auf den hinteren Sitzen erkennt Tschirky drei Agenten der Sondereinheit Omon, mit Schlagstöcken und Tasern bewaffnet. Omon – das ist eine jener Einheiten, die jeweils gewaltsam gegen die Demonstranten vorgehen, welche seit Monaten gegen Diktator Alexander Lukaschenko protestieren. Doch Tschirky und ihre Begleiter haben nicht demonstriert, wie sie betont. «Wir sind nur an einer Ampel gestanden, ausser uns war die Strasse menschenleer.»

Tschirky nimmt im Minibus ihr Handy hervor, schafft es, per Mail ein paar Worte an einen «Tagesschau»-Kollegen in Zürich zu texten. Dann wählt sie die Nummer einer Mitarbeiterin der Schweizer Botschaft in Minsk. Sie kann nur gerade einen Satz sagen, bevor einer der Maskierten ihr das Handy wegreisst.

Doch immerhin weiss die Schweizer Botschaft jetzt Bescheid. Man habe sofort beim weissrussischen Aussenministerium interveniert, berichtet Botschafter Claude Altermatt später am Tag gegenüber dieser Zeitung.

Irgendwann stoppt der Minibus, und Tschirky und ihre beiden weissrussischen Begleiter müssen in einen grauen Personenwagen umsteigen. Auch hier: Agenten ohne Erkennungsmarken. Auch hier: keine Erklärungen. Kurz darauf stoppt das Auto bei einer Polizeistation, und die drei Verschleppten werden in einen Kellerraum gebracht. Dort sitzen – wie Tschirky sich erinnert – schon rund zwanzig weitere Personen.

Die Dame im Pelzmantel

Tschirky protestiert auch hier bei den anwesenden Polizisten, zeigt wieder ihre Papiere, verlangt, mit der Schweizer Botschaft telefonieren zu können. Alles vergeblich. Stattdessen muss sie immer und immer wieder erklären, was sie hier mache, mit welchem Flug sie gekommen sei, in welchem Hotel sie residiere.

Dann, nach etwa zwei Stunden, kommt eine Frau im Pelzmantel in den Keller, sie hebt sich als Frau und mit ihrer vornehmen Kleidung ab von den Männern, die sonst hier Dienst tun. Die Frau fragt, wer hier die Ausländerin sei. Sie gibt sich als Mitarbeiterin einer Migrationsbehörde zu erkennen, überprüft Tschirkys Papiere, ruft irgendeinen Vorgesetzten an.

Kurze Zeit später kommt der Chef der Polizeistation und zeigt auf Tschirky: «Du, mitkommen!» Sie verlangt, dass auch ihre beiden Begleiter mitgehen dürfen. Vergeblich. Sie bekommt ihr Handy zurück und steht kurze Zeit später vor dem Polizeiposten auf der Strasse.

Sie ruft ein Taxi, verkündet per Twitter ihre Freilassung und lässt sich zur Schweizer Botschaft bringen. Dort findet am frühen Abend auch das Telefongespräch mit dieser Zeitung statt.

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«Seltsam und beunruhigend» sei ihre knapp dreistündige Gefangenschaft gewesen, sagt Tschirky. Und ein mulmiges Gefühl hat sie auch, wenn sie daran denkt, am Abend in ihr Hotel zurückkehren zu müssen. «Die Agenten haben mich explizit nach der Nummer meines Hotelzimmers gefragt.»

Doch viel mehr Sorge als um sich selber mache sie sich um ihre weissrussischen Begleiter. Anders als Tschirky konnten sie keinen ausländischen Pass vorweisen, anders als Tschirky mussten sie im Keller der Polizeistation bleiben.

Für Tschirky zeigt der Vorfall, dass in Lukaschenkos Weissrussland niemand mehr sicher sein kann, nicht einmal unschuldige Passanten, die am helllichten Tag an einer Ampel warten. «Die Menschen hier müssen jederzeit damit rechnen, dass man sie einfach mitnimmt.»

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