Interview mit Priska Seiler GrafNach Nein zu Kriegsgeschäfte-Vorlage – Linke nimmt Atomwaffen ins Visier
Die Schweiz will der Rüstungsindustrie den Geldhahn nicht zudrehen. Jetzt fordert SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf, dass der Atomwaffenverbotsvertrag ratifiziert wird – notfalls über eine Volksinitiative.
Keine Schweizerin, kein Schweizer ist gegen mehr Frieden auf dieser Welt, und niemand will Kriege befeuern. Weshalb ist die Initiative trotzdem gescheitert?
Mit dem sich abzeichnenden Achtungserfolg wurde zumindest die moralisch-ethische und inhaltliche Debatte erfolgreich geführt. Das Schweizer Stimmvolk reagiert zunehmend sensibler, wenn es um Kriegsmaterial oder Kriegsgeschäfte geht. Den Gegnern und Gegnerinnen ist es aber leider gelungen, mit falschen Zahlen bezüglich der betroffenen KMU Ängste zu schüren. Laut dem Verband der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie wären rund 3000 Betriebe betroffen gewesen. Weshalb es so viele gewesen wären, konnte dieser jedoch nie schlüssig darlegen.
Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie?
Wir überlegen uns ernsthaft, eine Volksinitiative zu lancieren, damit wenigstens der Atomwaffenverbotsvertrag der UNO endlich ratifiziert wird. Die meisten Leute stören sich daran, dass sich die Schweiz nicht konsequent gegen ein umfassendes Verbot von Atomwaffen stemmt. Es ist doch scheinheilig, dass die Schweiz als Heimat des Internationalen Roten Kreuzes und der Genfer Konvention diesen Vertrag aus formalen Gründen nicht ratifizieren will. Zudem hat das Parlament dem Bundesrat den unmissverständlichen Auftrag erteilt, diesen sofort zu ratifizieren. Die Weigerung des Bundesrats ist ein Affront sondergleichen.
Dieser Vertrag hat doch nur symbolischen Charakter, da ihn die Atommächte nicht unterzeichnet haben und auch andere westliche Länder wie Deutschland nicht dabei sind.
Man darf solche wichtigen politischen Signale nicht abwerten. Irgendwo muss man mal beginnen. Das war beim Streumunitions- und Antipersonenminenverbot auch so. Österreich hat übrigens ratifiziert. Auch das Internationale Komitee vom Roten Kreuz setzt sich klar für diesen Atomwaffenverbotsvertrag ein, denn gerade die Schweiz sollte hier als gutes Beispiel voranschreiten.
Die Rüstungsindustrie bleibt mit der Korrekturinitiative und dem Gegenvorschlag des Bundesrates auf der politischen Agenda. Wie schätzen Sie die Chancen dieses Anliegens nach der heutigen Ablehnung ein?
Das äusserst knappe Ja zur Kampfjetbeschaffung im September und der heutige Achtungserfolg zeigen, dass die Bereitschaft der Bevölkerung für einen restriktiveren Umgang mit Kriegsmaterial gestiegen ist. Die Korrekturinitiative fordert ja kein absolutes Verbot von Kriegsmaterialexporten. Sie verlangt lediglich, dass keine Schweizer Waffen in Länder exportiert werden dürfen, welche die Menschenrechte systematisch und schwerwiegend verletzen, oder in ein Land, das in einen Konflikt verwickelt ist. Der Gegenvorschlag des Bundesrates geht in diese Richtung, aber bei der Ausnahmeregelung muss das Parlament noch nachbessern, sonst ziehen wir die Initiative nicht zurück.
Was stört Sie an dieser Ausnahmeregelung?
Einer der wichtigsten Gründe, die Korrekturinitiative zu lancieren, war es, die Waffenexportregelungen demokratischer zu gestalten. Ausnahmebestimmungen, die der Bundesrat im Alleingang durchsetzen kann, widersprechen dieser Idee. Der Bundesrat soll nämlich die Kompetenz erhalten, «im Falle ausserordentlicher Umstände zur Wahrung der aussen- oder sicherheitspolitischen Interessen des Landes» von den gesetzlichen Bewilligungskriterien abzuweichen.
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