Ursprung des CoronavirusDie Laborthese wird immer unwahrscheinlicher
Fledermäuse, die in Höhlen auf Laos leben, tragen Viren, die nahezu identisch sind mit Sars-CoV-2. Sie können sich in menschlichen Zellen vermehren und werden von Covid-Antikörpern abgewehrt.
Immer wieder zirkuliert die Hypothese, das Coronavirus (Sars-CoV-2) sei aus dem Wuhan Institute of Virology (WIV) entwichen und habe von dort aus seinen Siegeszug um die Welt begonnen. Voll und ganz aus der Luft gegriffen ist dies in der Tat nicht: Bei der möglichen Kultivierung des Virus aus Fledermäusen am WIV (oder einem anderen Labor) könnte es auf den Menschen übergesprungen sein. Es ist jedoch schwierig bis unmöglich, dies von der weit wahrscheinlicheren Hypothese zu unterscheiden, wonach Sars-CoV-2 in Wildtieren wie Fledermäusen entstand und dann über einen oder mehrere tierische Zwischenwirte den Sprung zum Menschen geschafft hat. Klarer wäre die Situation nur, wenn im Erbgut von Sars-CoV-2 Hinweise auf Genmanipulationen sichtbar würden, etwa um das Virus in eine Biowaffe zu verwandeln. Nichts davon ist jedoch bis heute belegt.
Nun berichten Forschende um Marc Eloit von der Université de Paris, sie hätten in Fledermauspopulationen auf Laos, das an China grenzt, neue Coronaviren nachgewiesen, die frühen Sars-CoV-2-Varianten genetisch sehr ähnlich sind. Wie sie im Fachmagazin «Nature» berichten, haben sie 645 asiatische Hufeisennasen (Rhinolophidae) untersucht, die zu 46 verschiedenen Arten gehören.
Genetische Sequenz für «Türöffner» zu menschlichen Zellen
Drei der neu entdeckten Coronaviren sind besonders interessant. Denn diese Viren besitzen eine genetische Sequenz für einen «Türöffner», der jenem entspricht, den auch Sars-CoV-2 nutzt, um in menschliche Zellen einzudringen. Dieser Türöffner, genannt Rezeptorbindende Domäne (RBD), dockt an einen Rezeptor menschlicher Zellen, genannt ACE2. Die Coronaviren aus den Fledermäusen sind gemäss der Studie in der Lage, ebenso effizient an menschliche ACE2-Rezeptoren zu binden wie die ersten im Menschen aufgetauchten Varianten von Sars-CoV-2.
Erstmals konnten die Forschenden somit ein mögliches Vorläufervirus von Sars-CoV-2 identifizieren, das via ACE2-Rezeptor in menschliche Zellen eindringen kann. Einer der drei Virentypen konnte sich auch in menschlichen Zelllinien vermehren und wurde daran durch Sars-CoV-2-Antikörper gehindert.
Die Erkenntnisse stützten die Hypothese, Sars-CoV-2 könnte seinen Ursprung in Fledermäusen haben, die in den Kalksteinhöhlen in Südostasien und Südchina heimisch seien, heisst es in der Studie.
«Ich halte diese Studie für sehr gut gemacht und für wichtig», sagt Silke Stertz vom Institut für Medizinische Virologie der Universität Zürich, die zu Influenzaviren in Fledermäusen forscht. «Mir gefällt vor allem, dass die Autorinnen und Autoren nicht nur Virussequenzen isoliert, sondern auch das Virus kultiviert haben. Die Verbindung aus Sequenzanalyse und Virusinfektion von humanen Zellen zeigt meiner Meinung nach auf überzeugende Weise, dass es in Fledermäusen Sars-CoV-2-ähnliche Viren gibt, die humane Zellen infizieren können.»
Für die Frage nach dem Ursprung des Virus hält Stertz die Publikation für hochrelevant: «Hier wird ein weiteres Puzzleteil zur Aufklärung der Entstehung des Virus zugefügt, da die Autoren und Autorinnen Viren in Rhinolophus-Fledermäusen gefunden haben, die Sars-CoV-2 noch ähnlicher sind als bisher bekannte Fledermausviren. Diese Ergebnisse stärken die These zur Entstehung des Virus in der Natur und schwächen meiner Meinung nach die Hypothese zur Laborentstehung des Virus.»
«Studien zur Isolation von Viren in Fledermäusen helfen, um die Gefahr weiterer Übertragungen zu untersuchen.»
Laut Stertz ist die Forschung auf einem sehr guten Weg, um die natürliche Entstehung des Coronavirus zu entschlüsseln. «Wir sehen dabei, dass Studien zur Isolation von Viren in Fledermäusen in dieser Gegend nicht nur hilfreich sind, um die Entstehung von Sars-CoV-2 zu verstehen, sondern auch, um die Gefahr weiterer Virusübertragungen zu untersuchen.»
Ein Puzzlestein fehle allerdings noch: Neben der erwähnten RBD für den ACE2-Rezeptor besitzt das sogenannte Spike-Protein von Sars-CoV-2 noch ein weiteres bedeutendes Merkmal: die sogenannte Furinspaltstelle. Diese konnte in den zurzeit untersuchten Fledermaus-Coronaviren nicht nachgewiesen werden. «Hier müssen wohl noch mehr Viren in Fledermäusen gesucht werden, um diesen Teil der Entstehung von Sars-CoV-2 nachzuverfolgen», sagt Stertz. Es sei bekannt, dass Furinspaltstellen in Coronaviren vorkommen. «Aber wo genau der Ursprung dieser Spaltstelle bei Sars-CoV-2 liegt, ist noch unklar und sollte untersucht werden.»
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