Vergewaltigung, versuchte Wahlmanipulation, BetrugDie Justiz könnte Trumps Comeback stoppen
Die möglichen Verbrechen Donald Trumps beschäftigen derzeit mehrere Gerichte. Von den Untersuchungen könnte der Ex-Präsident aber auch profitieren.
Als Donald Trump kürzlich in Florida bekannt gab, dass er in zwei Jahren wieder Präsident der USA werden will, da stand draussen vor seinem Palast ausser seinem Fanklub auch ein einsamer Gegner. Statt der Flaggen, auf denen seine Verehrer den Wahlverlierer von 2020 als Retter der Nation feierten, hatte der mutige Mann Schilder mit einer anderen Idee dabei: Er wedelte vor Trumps Hauptquartier Mar-a-Lago unter anderem mit einem Pappschild mit dem handgeschriebenen Vorschlag, dass Trump antreten solle, und zwar den Weg ins Gefängnis.
Noch sass Trump in keiner Zelle, er regierte stattdessen im Oval Office das mächtigste Land der Welt. Seine Probleme mit dem Rechtsstaat hat der Unternehmer und Politiker bisher stets abgeschüttelt, er beschäftigt dafür eine Armee von Anwälten. Nun allerdings hatte es Trump mit seiner Bewerbung für 2024, trotz des Debakels seiner Kandidaten bei den Zwischenwahlen 2022, wohl auch deshalb so eilig, weil seine juristischen Schwierigkeiten gerade enorm zunehmen. Scheitert seine geplante Rückkehr ins Weisse Haus diesmal schon vor Gericht?
Das ist eine der Fragen, die Amerika in den kommenden Monaten beschäftigen werden. Wer dabei noch durchblicken will, der muss sich anstrengen, denn Trump ist in einen Wust von Verfahren verwickelt. Es geht um seinen Versuch, die Wahlniederlage vor zwei Jahren in einen Wahlsieg umzuwandeln, es geht um den Sturm aufs Capitol vom 6. Januar 2021, um entwendete Geheimpapiere, möglicherweise unbezahlte Steuern sowie mutmasslich aufgeblähte Immobilienwerte. Und spätestens seit Donnerstag steht obendrein der Vorwurf der Vergewaltigung im Raum.
Mehrere Gerichte sind mit ihm beschäftigt
An diesem Tag verklagte die frühere Kolumnistin E. Jean Carroll in New York den Republikaner wegen Körperverletzung und Verleumdung. Sie beschuldigt ihn, sie Mitte der Neunzigerjahre in der Umkleidekabine eines New Yorker Kaufhauses vergewaltigt zu haben. Er habe Carroll «schwer verletzt und ihr erhebliche Schmerzen und Leiden, dauerhafte psychische Schäden, den Verlust ihrer Würde und eine Verletzung ihrer Privatsphäre zugefügt», so die Klageschrift. «Seine jüngsten diffamierenden Äusserungen haben den Schaden, den Carroll bereits erlitten hatte, nur noch vergrössert.» Trump behauptet, er kenne diese Frau gar nicht, sie habe die Vergewaltigung erfunden. «Und obwohl ich es nicht sagen soll, werde ich es tun», postete er. «Diese Frau ist nicht mein Typ.»
Das Ganze sei eine Lüge, schrieb Trump, genau wie all der übrige Schwindel, der ihm seit sieben Jahren vorgespielt werde. Seine übliche Reaktion. So leicht wird er diesen und anders gelagerte Fälle jedoch voraussichtlich nicht los. Derzeit sind mehrere Gerichte mit ihm beschäftigt.
Der erfahrene Jäger in Sachen Korruption
Vor einer Woche hatte der US-Justizminister Merrick Garland den Staatsanwalt Jack Smith zum Sonderermittler in einer weiteren Causa Trump ernannt. Smith, ein erfahrener Jäger in Sachen Korruption, soll erstens die Sichtung und Beurteilung der Dokumente aus Trumps Trutzburg Mar-a-Lago in Palm Beach überwachen. Dort entdeckte das FBI im August kistenweise teils vertrauliche Akten, die Trump aus dem Weissen Haus mitgenommen hatte. Zweitens soll er prüfen, ob sich Trump strafbar gemacht hat, als er seine Anhänger anheizte und ein Mob die Zentrale der amerikanischen Demokratie auf dem Capitol Hill überfiel.
In Georgia sieht sich derweil ein Bezirksstaatsanwalt an, wie Trump und seine Verbündeten in diesem Bundesstaat offenbar das Wahlergebnis kippen wollten. Trump hatte den dortigen Staatssekretär Brad Raffensperger demnach am Telefon angewiesen, ihm rasch Stimmen zu besorgen. Der Plan misslang.
Ein Gericht in Manhattan vermutet beim Unternehmen Trump «Gier und Betrug».
Das wäre der politische Teil seiner aktuellen Affären, dann sind da ausserdem Trumps Finanzen. So wies der Oberste Gerichtshof seinen Einspruch ab und gestattet der Steuerbehörde, dem noch bis Januar von den Demokraten geführten Repräsentantenhaus seine Steuerunterlagen zukommen zu lassen.
Ebenfalls mit seinen Steuern befasst sich ein Gericht in Manhattan, dessen Staatsanwaltschaft vermutet beim Unternehmen Trump «Gier und Betrug». Laut den Anklägern wurden Führungskräfte der Organisation jahrelang mit teuren Autos und Wohnungen bezahlt, ohne dass sie dafür Steuern entrichteten. Zwei Firmen der Trump Organization sind wegen Steuerhinterziehung, Diebstahls und Urkundenfälschung angeklagt. Der ehemalige Finanzchef Allen Weisselberg räumte seine Schuld ein, die Trump Organization nicht. Und nur ein paar Ecken weiter verfügte ein New Yorker Richter, dass im Oktober 2023 der Zivilprozess gegen Trump, sein Imperium und drei seiner Kinder stattfinden wird.
Trump spielt die Rolle des Opfers besonders gern
Die Verhandlung folgt auf die Klage der New Yorker Generalstaatsanwältin und Demokratin Letitia James vom September. Sie ist nach Jahren der Recherche überzeugt davon, dass die Trumps ihr Vermögen um Milliarden Dollar geschönt hatten, damit sie günstigere Versicherungsprämien und Kredite erschwindeln konnten. Sie verlangt, dass die Familie 250 Millionen Dollar zurückzahlt. Die Trumps streiten alles ab und sagen, die Ermittlerin James sei politisch motiviert und der Richter Arthur Engoron voreingenommen. «Ich habe mich an die Fakten und das Gesetz gehalten», erwidert Engoron.
Es sieht nicht gut aus für den 76 Jahre alten Bewerber. Theoretisch könnte die Justiz Trumps Comeback stoppen, mit Sicherheit wird sie ihn durch den Wahlkampf begleiten. Vielleicht vereint Trump seine Anhänger auf diese Weise aber erst recht wieder hinter sich, die Rolle des Opfers spielt er besonders gern. Das lasse ihn wie einen politischen Kämpfer aussehen, zitiert das Magazin «Politico» einen Trump-nahen Experten. «Und er will ein politischer Märtyrer sein.»
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