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Interview mit Infektiologen
«Die indische Variante könnte uns auf dem linken Fuss erwischen»

«Mit der indischen Variante Delta haben wir einen ungemütlichen Gast vor der Tür», sagt Infektiologe Andreas Cerny.
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Wie beurteilen Sie die neuen Lockerungsvorschläge des Bundesrats?

Der Bundesrat versuchte in allen Lebensbereichen vorwärtszumachen. Das ist sicher sinnvoll. Das geschieht allerdings auf enorm breiter Front. Die Ansteckungszahlen sinken zwar, bewegen sich aber immer noch auf relativ hohem Niveau. Die indische Variante Delta wird ziemlich sicher auch zu uns kommen. Einreisebeschränkungen werden die Verbreitung bei uns bestenfalls verzögern, aber nicht verhindern. Das heisst, wir haben einen ungemütlichen Gast vor der Tür.

Gehen Sie davon aus, dass die Massnahmen schon bald wieder verschärft werden müssen?

Ich bin kein Prophet. Aber die Wahrscheinlichkeit dafür ist gross. Neue Daten sprechen von einer um 60 Prozent höheren Ansteckung im Vergleich zur britischen Variante. Immerhin ist Delta wahrscheinlich nicht gefährlicher oder tödlicher. Doch die neue Variante könnte uns nach den erneuten Öffnungsschritten auf dem linken Fuss erwischen.

Sie fänden es besser, zu warten und die Fallzahlen weiter zu senken?

Zumindest eine etwas weniger risikoreiche Öffnung wäre sinnvoll. Wenn zum Beispiel im Aussenbereich von Restaurants keine Sitz- und Maskenpflicht mehr gelten soll und unbeschränkt Leute bewirtet werden können, ist das nicht ungefährlich. Es gibt sehr grosse Gartenrestaurants, die lange offen sind und wo noch Veranstaltungen stattfinden. Wenn sich dort ein Infizierter ohne Maske von Tisch zu Tisch bewegt, kann es sehr schnell zu vielen Ansteckungen kommen. Bei den Tanzlokalen finde ich die neue Regelung jedoch vernünftig.

«Anfang Jahr haben wir bei der britischen Variante gesehen, dass es relativ schnell gehen kann.»

Dort kommt man nur mit einem Covid-Zertifikat rein. Ist das nicht ein versteckter Impfzwang?

Man hat auch die Möglichkeit, mit Tests ein Zertifikat zu bekommen. Aber klar wird so ein sanfter Druck ausgeübt. Insbesondere bei den Jungen wird wohl der eine oder die andere sich schon deswegen impfen lassen.

Finden Sie das gut?

Es mag nicht unbedingt so sympathisch sein, wenn auf diese Weise sanfter Druck ausgeübt wird. Fürs Allgemeinwohl ist es aber sicher besser, wenn auch die Jungen geimpft sind.

Die Alternative wäre letztlich, dass man die Lokale gar nicht aufmacht. Das wäre auch ungerecht.

Das wäre die Konsequenz.

Kann die Impfung verhindern, dass sich die indische Variante bei uns festsetzt?

Aktuell sind wahrscheinlich noch zu wenig Leute geimpft oder genesen, um eine Verbreitung zu bremsen. Man muss auch bedenken, dass die meisten vollständig geimpften Personen älter sind und eher wenig von den Öffnungen profitieren. Das tun eher die Jüngeren, bei denen die Durchimpfung deutlich tiefer ist.

Immerhin sind heute rund 50 Prozent der Erwachsenen mindestens einfach geimpft. Bis sich die indische Variante bei uns richtig verbreitet, wird der Impfschutz deutlich höher sein.

Anfang Jahr haben wir bei der britischen Variante gesehen, dass es relativ schnell gehen kann. Erste Nachweise im Abwasser gab es im Dezember, im März waren wir bei einem Anteil von über 70 Prozent. Je mehr Infektionen auftreten, desto schneller verbreitet sich eine neue Variante.

Was raten Sie den Menschen angesichts der neuen Lockerungsschritte?

Ohne vollständigen Impfschutz würde ich vorsichtig bleiben und mit gesundem Menschenverstand die bekannten Schutzmassnahmen weiterhin einhalten. Wenn mich die Maske nicht stört, muss ich mich auch nicht schämen, diese auch an Orten wie Haltestellen anzuziehen, wo sie nicht mehr vorgeschrieben ist.