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Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative
Die hektische Suche nach einem Ausweg

Die Gletscher verschwinden, weil sich das Klima erwärmt – auch der Aletschgletscher (im Bild). Deshalb drängt die Gletscherinitiative darauf, das Ziel netto null bis 2050 in die Verfassung zu schreiben.
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Simonetta Sommaruga versucht zu retten, was von der Schweizer Klimapolitik noch zu retten ist. Aber die Gletscherinitiative ist nicht der Rettungsring, den die Umweltministerin sich wünscht – auch wenn die Initianten das so darstellen. «Der Bundesrat muss sich zu der Initiative positionieren», sagte Sommaruga am Mittwoch vor den Medien in Bern. Da gebe es schlicht vom Gesetz vorgeschriebene Fristen. Aber eigentlich, so die Bundesrätin, seien jetzt nicht neue Artikel in der Bundesverfassung notwendig, sondern konkrete Massnahmen zur Anpassung des bestehenden CO₂-Gesetzes.

«Der Klimaschutz steht nicht still», beteuerte die SP-Politikerin. Tatsächlich sind ihr aber seit Anfang Jahr wichtige Pfeiler der Schweizer Klimapolitik weggebrochen. Erst stoppte das Parlament im März die neue Agrarpolitik 2020+, die wichtige Regelungen zur CO₂-Reduktion enthielt. Dann scheiterte im Juni an der Urne das umfassend erneuerte CO₂-Gesetz, das als zentrales Gerüst für die nächsten Jahrzehnte konzipiert war. Damit sind auch grosse Teile der langfristigen Klimastrategie des Bundesrats, die im Januar vorgestellt wurde, vorerst nicht mehr umsetzbar.

Sonderregelung für ländliche Gebiete

In diesen Kontext stellte der Bundesrat an seiner ersten Sitzung nach den Sommerferien am Mittwoch seinen direkten Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative. Er hat ihn nach der Vernehmlassung in leicht abgeänderter Form an das Parlament überwiesen. Der Bundesrat teilt die Absicht der Initiative, das sogenannte Ziel netto null bis 2050 in der Verfassung festzuschreiben: Ab dem Jahr 2050 soll die Schweiz nicht mehr Treibhausgase ausstossen, als natürliche und technische Speicher aufnehmen können. Sprich netto null.

Dass die Initianten dafür aber bis 2050 alle fossilen Brennstoffe verbieten wollen, geht dem Bundesrat zu weit. Er will auf ein grundsätzliches Verbot verzichten und Ausnahmen in die Verfassung schreiben: Militär und Polizei etwa sollen, wo notwendig, weiter Benzin oder Diesel einsetzen können, um die Sicherheit des Landes zu garantieren. Auch in «Berg- und Randgebieten», die weniger gut an den öffentlichen Verkehr angebunden seien, sind weniger strenge Auflagen vorgesehen. Und dann sollen die Massnahmen ein neues Kriterium erfüllen: Sie sollen «wirtschaftlich tragbar» sein. Was das bedeute, sei «auf Gesetzesstufe zu präzisieren», heisst es in der Botschaft des Bundesrats.

Vor allem die Sonderregelung für ländliche Gebiete gab an der Medienkonferenz zu reden. Dabei verwies Sommaruga auf das Abstimmungsverhalten im Juni: Die absehbare Erhöhung der Benzinpreise habe dort zur Ablehnung des CO₂-Gesetzes geführt, «da sind die Sensibilitäten anders». Niemand solle sich durch den Klimaschutz bestraft fühlen, meinte die Umweltministerin.

«Eine gemeinsame Basis ist in unserem Land wichtig.»

Simonetta Sommaruga, Umweltministerin

Sie führe bereits umfassende Gespräche, um gemeinsame Grundlagen für einen neuen Anlauf zu einem CO₂-Gesetz zu finden, insbesondere mit jenen, die das CO₂-Gesetz bekämpft haben. «Eine gemeinsame Basis ist in unserem Land wichtig», sagte Sommaruga. Fragen der Mobilität seien besonders umstritten, das habe sie auch von ausländischen Amtskolleginnen gehört. «Daran beisst man sich auch in der EU etwas die Zähne aus.»

Tatsächlich hat die Umweltkommission des Nationalrats schon einige weniger kontroverse Bestimmungen aus dem abgelehnten CO₂-Gesetz herausgetrennt und eine parlamentarische Initiative auf den Weg gebracht, um sie möglichst schnell umsetzen zu können. Die Zeit drängt, denn einzelne aktuelle Regelungen laufen Ende 2021 aus. Wenn es keine neue gesetzliche Grundlage gibt, könnten zum Beispiel Unternehmen, die umfassende Vorhaben zum Klimaschutz umsetzen, nicht mehr von der CO₂-Abgabe befreit werden – sie würden den Anreiz verlieren, überhaupt etwas zu tun.

Sehr unterschiedliche Vorstellungen

Denkbar ist, dass eine parlamentarische Initiative zum CO₂-Gesetz zu einem indirekten Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative führen könnte. Das wünschen sich etwa die Grünen, die hoffen, dass die Klimapolitik damit trotz der verlorenen Abstimmung im Juni schnell weiterentwickelt werden könnte. Die Diskussion darüber, wie ein solcher Gegenvorschlag aussehen könnte, beginnt aber gerade erst – und die verschiedenen Parteien haben sehr unterschiedliche Vorstellungen davon, was er enthalten sollte.

Sollte es zu einem indirekten Gegenvorschlag auf Gesetzesstufe statt einem direkten auf Verfassungsstufe kommen, würde der Bundesrat «sich dem nicht verschliessen», sagte Sommaruga. «Natürlich sind wir unter Druck», sagte sie. Der jüngste Bericht des Weltklimarats IPCC habe gezeigt, «wie ernst die Lage ist».