Der Fall MelnitschenkoDie Heimlichtuerei des Bundes mit den Oligarchen schadet der Schweiz
Sanktionierte Russen verschieben im Verborgenen Milliarden an ihre Partnerinnen. Der Bund hätte diese grundsätzliche Problematik öffentlich machen müssen.
Der Fall Melnitschenko wirft eine grundsätzliche Frage auf, über die man in der Schweiz bisher noch kaum vertieft diskutiert hat. Wollen wir, dass sanktionierte Oligarchen die Aktien ihrer Firmen verkaufen müssen?
Roman Abramowitsch zum Beispiel will seinen FC Chelsea unter dem Druck britischer Sanktionen loswerden. Gennady Timtschenko musste früher schon seine Anteile am Genfer Ölriesen Gunvor abtreten. In Politik und Öffentlichkeit kommt das jeweils gut an. Sanktionierte Oligarchen sollen nicht nur ihre Jachten und Villen verlieren, sondern eben auch ihre Firmen, so der Tenor.
Doch jetzt sehen wir plötzlich, wie ein sanktionierter Russe hinter den Kulissen eine milliardenschwere Firmenbeteiligung einfach mit einem Federstrich an seine nicht sanktionierte Ehefrau überschreibt. Die Firma – sie bleibt in der Familie.
Das kann nicht der Sinn der Sache sein. Wenn man Vermögenswerte so einfach in der Familie halten kann, was bringen dann die Sanktionen noch?
Solche Manöver zu verbieten, ist aber auch nicht einfach. Sanktionen sind für einzelne Personen und Firmen vorgesehen. Um die Weitergabe in der Familie zu verhindern, müsste man systematisch Ehefrauen, Kinder und Verwandte mitsanktionieren. Da stellt sich rasch die Frage, bei welchem Onkel man dann aufhört.
Warum braucht es immer wieder die Medien, um das öffentlich zu machen?
Und die Rechtfertigungen für Sanktionen sind nicht immer leicht. So ist zum Beispiel nicht nachvollziehbar, warum Frau Melnitschenko nicht sanktioniert ist, dafür der Sohn des Stahl-Oligarchen Pumpianski, der Schweizer ist und mit seinen drei Kindern in Genf lebt.
Wie auch immer diese Debatte ausgeht: Sie kann heute überhaupt nur geführt werden, weil die Informationen über die Manöver der Oligarchen von den Medien an die Öffentlichkeit gebracht wurden. Das war schon in einem ähnlichen Fall in Deutschland so:
Als der ebenfalls sanktionierte Oligarch Alexei Mordaschow im März ein grosses Aktienpaket am Reisekonzern TUI an eine Offshorefirma verschob, hatte er nicht erwähnt, wer diese kontrolliert. Es waren Investigativreporter, die dank dem Datenleck Pandora Papers enthüllen konnten, dass die Mutter von Mordaschows Kindern hier in die Kränze kam. Nur dank den Journalisten ist die Frau inzwischen vorgesehen für die nächste Runde der EU-Sanktionen.
Auch Melnitschenko hatte nur verkündet, er sei als Begünstigter der Firma Eurochem «zurückgetreten». Dass einfach seine Frau an seine Stelle trat, hatte er vergessen zu erwähnen. Es stellt sich die Frage, warum braucht es immer wieder die Medien, um das öffentlich zu machen?
Das Seco wusste von diesem Manöver, doch auch aus der Verwaltung kam kein Anstoss für eine vertiefte Debatte, ob man so etwas zulassen soll.
Es ist befremdend, dass wir nur dank journalistischen Enthüllungen über diese entscheidenden Aspekte der Sanktionen debattieren können. Die Oligarchen bestätigen mit ihren verborgenen Manövern über Trusts und Offshorefirmen einmal mehr alle Klischees. Aber weil der Bund sich an der Heimlichtuerei beteiligte, steht er nun da wie der nützliche Helfer der sanktionierten Russen. Das schadet dem Ansehen des Landes. Einmal mehr.
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