Prozessauftakt in ParisDie «Charlie Hebdo»-Terroristen stehen vor Gericht
In Paris beginnt der Prozess um den islamistischen Anschlag auf das Satiremagazin. Die Narben, die der 7. Januar 2015 hinterlassen hat, sind tief.
«Charlie Hebdo» gibt sich unerschrocken. Auf der aktuellen Titelseite des Satiremagazins kann man zwei maskentragende Kinder sehen, die sich statt Schulranzen Särge auf den Rücken geschnallt haben. «Werden sie das Schuljahr beenden?», steht in der dazugehörigen Schlagzeile. Fünfeinhalb Jahre nach dem islamistischen Anschlag auf die Redaktion will «Charlie Hebdo» so bleiben, wie das Blatt immer war: derb, unverschämt, frei.
Dennoch sind die Narben tief, die der 7. Januar 2015 hinterlassen hat. Damals stürmten zwei Brüder das Redaktionsgebäude und töteten zwölf Menschen. Einen Tag später begann ein mit den Brüdern befreundeter Terrorist seine Mordserie. Er tötete am 8. Januar eine Polizistin, am 9. Januar nahm er die Kunden eines koscheren Supermarkts als Geiseln. Vier von ihnen erschoss er.
An diesen drei Januartagen begann eine Serie islamistischer Anschläge in Frankreich, die mehr als 250 Menschen das Leben kostete. Und der islamistische Terror zeigte klar seine Grundzüge: Er richtet sich gegen die Republik und ihre Repräsentanten, er richtet sich gegen die Meinungsfreiheit und die Werte der westlichen Demokratien, und er richtet sich insbesondere gegen Juden.
Prozess dauert bis November
Wie haben diese Anschläge das Land verändert? Wie das Leben der Hinterbliebenen? Und wie genau wurden die Anschläge geplant? Um diese Fragen wird es von Mittwoch an im Pariser Justizpalast gehen, dann beginnt der Prozess gegen 14 Hintermänner der Terroranschläge. Der Prozess soll bis 10. November dauern, 50 Verhandlungstage sind vorgesehen. Weil der Prozess als «historisch» gilt, wird er auf Video aufgezeichnet, das Bildmaterial wird archiviert.
Um eine vollständige Aufklärung kann es dabei allerdings nicht gehen. Die Brüder wurden von einer Anti-Terror-Spezialeinheit erschossen, nachdem sie zwei Tage lang auf der Flucht waren. Der befreundete Terrorist wurde bei der Stürmung des Supermarkts durch die Polizei getötet.
Anders als die berühmt gewordenen Attentäter, ist der Name des nun Hauptangeklagten in Frankreich kaum bekannt. Ali P. gilt für die Vertreter der Anklage als «rechte Hand» des Terroristen und wird sich vor Gericht verantworten müssen. Dem nun 33-Jährigen wird vorgeworfen, bei den Anschlägen die Waffenbeschaffung unterstützt zu haben. Er wird der Mittäterschaft eines Terroraktes beschuldigt. P. sitzt bereits seit 2015 eine Haftstrafe ab. Von den weiteren 14 Angeklagten werden nun 11 vor Gericht erscheinen. Drei weitere werden per Haftbefehl gesucht.
Eine logistische Herausforderung
Es handelt sich um die Brüder Mehdi und Mohamed Belhoucine, von denen vermutet wird, dass sie bei Kampfhandlungen im irakisch-syrischen Grenzgebiet umgekommen sind. Auch Hayat Boumedienne, die dritte Gesuchte, wurde lange tot geglaubt – bis sie 2019 im Bildmaterial syrischer Überwachungskameras auftauchte. Boumediennes aktueller Aufenthaltsort ist unbekannt. Sie war bis zu den Anschlägen Lebensgefährtin des Terroristen und soll ihn unterstützt haben, seine Taten zu finanzieren. Boumedienne verliess Frankreich wenige Tage ehe er zur Waffe griff. Sie reiste über die Türkei ins Kriegsgebiet nach Syrien, um sich der Terrormiliz Islamischer Staat anzuschliessen.
Zusätzlich zu seiner gesellschaftlichen Bedeutung stellt der «Charlie Hebdo»-Prozess auch eine immense logistische Herausforderung dar. Eigentlich hätte der Prozess bereits im März beginnen sollen, er wurde wegen der Corona-Pandemie verschoben. Wegen der nach wie vor geltenden Abstandsregeln, die eine weitere Verbreitung des Virus eindämmen sollen, wird der Prozess während seiner zweimonatigen Dauer fast eine gesamte Etage des Pariser Justizpalasts blockieren.
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