Kampagne gegen ZwangsprostitutionDie Basler Polizei will wissen: «Hast du Eier, Freier?»
Konsumenten sollen im Kampf gegen Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung von Frauen mithelfen.
Die Sprüche sind plump, ja geradezu reisserisch: «Hat sie ‘ne Wunde, Kunde?», «Denk mal dran, Mann», «Aufgepasst, Gast». Und natürlich: «Hast du Eier, Freier?» Zumindest der letzte Spruch gibt Leserinnen und Lesern zu erkennen: Ah, es geht um Prostitution. Die provozierenden Slogans stammen aus der Feder der Kantonspolizei Basel-Stadt und der Schweizerischen Kriminalprävention. Zusammen starten sie eine Online-Kampagne, um Freier aufzufordern, beim Konsum sexueller Dienstleistungen achtsam zu sein. Das Ziel: mithilfe der Konsumenten Fälle von Zwangsprostitution und Menschenhandel aufzudecken.
«Die Schweiz ist keine ‹Insel der Seligen›», sagt Polizeisprecher Toprak Yerguz auf Anfrage der BaZ. Und auch die Stadt Basel sei vom Thema nicht gefeit. Erst im Juli wurde ein 58-jähriger Mann von der Staatsanwaltschaft Basel wegen Menschenhandel verurteilt. Er hatte von einer Wohnung im Gundeldingerquartier aus junge Kolumbianerinnen für die Prostitution angeworben und sich an ihrer Situation bereichert. Im letzten Jahr haben die spezialisierten Beratungsstellen in der Schweiz 174 Opfer von Menschenhandel identifiziert, die Dunkelziffer dürfte noch viel höher sein.
Für die Behörden sei es extrem aufwendig und schwierig, Fälle von Zwangsprostitution und Menschenhandel zu finden und zu verfolgen, sagt Yerguz weiter. «Im Milieu hat man Angst vor der Polizei.» Deshalb wolle man nun Menschen involvieren, die näher an den potenziellen Opfern sind: die Freier.
Konkret sollen diese Slogans im Rahmen der Präventionskampagne auf einschlägigen Sex-Portalen aufgeschaltet werden. Wird man neugierig und wählt diese an, wird man auf eine Seite geleitet, die erklärt, bei welchen Anzeichen es sich möglicherweise um Zwangsprostitution handelt und wie man als Freier reagieren sollte.
Ist die Sexarbeiterin verletzt? Ist sie doch nicht wirklich volljährig? Wirkt sie verängstigt, apathisch oder ist sie gar unter Drogeneinfluss? Haben Sie einfach irgendwie ein ungutes Gefühl? Muss eine dieser Fragen mit Ja beantwortet werden, gibt es zwei Vorgehensweisen: Bei dringenden Vorfällen ist die Notrufnummer 117 zu wählen. Oder aber man kann sich beim Verein ACT212 melden. Das geht auch anonym. Negative Konsequenzen muss der Freier nicht befürchten. Auch wenn sich der Verdacht nicht bestätigen sollte. Die Kampagne ist auf sechs Monate befristet.
Schlechte Erfahrungen mit der Polizei
Dieses System ist keine Basler Erfindung, nationale Beratungsstellen haben bereits Erfahrung damit. «Es gibt tatsächlich Freier, die das melden», sagt Thomas Roth, Co-Leiter von Trafficked Victim Unit. Die Nichtregierungsorganisation (NGO) betreut und schützt aktiv Opfer von Menschenhandel in der ganzen Schweiz. Der Verein berät auch Behörden und Institutionen im Kampf gegen den Menschenhandel und Zwangssituationen – darunter auch das Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Basel-Stadt.
Informierte Freier seien wichtig: «Wir haben erlebt, dass Freier auch schon jemanden dazu motivierten, sich zu melden.» In den letzten zwei Jahren seien das aber nur 2 bis 3 Fälle gewesen. Denn für viele Opfer sei die Schwelle für eine Meldung riesig. «Oft kommen sie aus dem Ausland, aus armutsbetroffenen Ländern», sagt Roth. Dort hätten sie bereits schlechte Erfahrungen gemacht mit den Behörden oder der Polizei. Erfahrungen, die dann wiederum von den Zuhältern verstärkt werden. Ihnen werde gesagt: Wenn du dich meldest, wirst du verhaftet.
«Die Angst vor den Konsequenzen ist wie eine unsichtbare Kette.»
«Dieses Bild wird bei Kontrollen im ersten Augenblick bestätigt.» Denn meistens werden die Frauen zunächst festgenommen, bevor gemerkt wird, dass es sich eigentlich um Opfer handelt. «Die Angst vor den Konsequenzen ist wie eine unsichtbare Kette», sagt Roth. Aber wenn Freier sich melden oder Betroffene Informationen über den Schutzmechanismus für Opfer erhalten, könne das tatsächlich helfen, die Angstschwelle zu senken.
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