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Einsätze während Corona-Pandemie
Die Armee war ein Selbstbedienungsladen

Soldaten halfen im Kanton Bern während der Pandemie im Ambulanzdienst aus.
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Der 16. März 2020 wird als historischer Tag in die Schweizer Geschichtsbücher eingehen. An diesem Tag beschloss der Bundesrat, die Armee im Kampf gegen das Coronavirus zu mobilisieren. Es war die grösste Mobilmachung der Armee seit dem Zweiten Weltkrieg. Die Massnahme schien unausweichlich. Vor allem die Westschweizer Kantonsregierungen warnten den Bund, ihre Spital-, Pflege- und Logistikeinrichtungen in den Kantonen seien überlastet. 

Die Entwicklung der Opferzahlen war im März 2020 kaum absehbar. Zudem lösten die Bilder aus norditalienischen Spitälern bei hiesigen Behörden grösste Besorgnis aus: Dort lagen Corona-Patienten auf den Gängen.

800’000 Diensttage leisteten Armee, Zivilschutz und Zivildienst von März 2020 bis Ende Mai 2021 zugunsten der Kantone. 120 Millionen Franken kostete dies den Bund insgesamt. 

Nun hat die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) die Hilfeleistungen während der ersten und der zweiten Welle untersucht. Die EFK tat dies anhand von vier Fallstudien für die Kantone Waadt, Bern, Schaffhausen und Tessin. 

Das Fazit der EFK: «In der ersten Welle der Pandemie hat die Koordination auf Bundesebene ungenügend funktioniert.» Im Laufe der Zeit seien dann aber Verbesserungen erzielt worden. EFK-Direktor Michel Huissoud spricht von einem «Luxusproblem», weil es in der Schweiz trotz teils unbelegter Ansprüche seitens der Kantone nie zu Engpässen kam.

«Die Kantone haben die Bilder aus Italien gesehen und wollten auf der richtigen Seite stehen.»

Michel Huissoud, Direktor Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK)

Für Koordinationspannen und die Gesuchsflut an den Bund hat er dennoch Verständnis. Huissoud sagt: «Die Regierungen in den Kantonen haben die Bilder aus Italien gesehen und wollten auch darum auf der richtigen Seite stehen.» Für künftige Krisen sei es aber essenziell, die Mittel zielgerichtet einzusetzen, betont der Genfer. Die EFK kritisiert verschiedene Punkte.

Die Romands rufen nach dem Zivilschutz

Ein Vergleich zwischen den Kantonen zeigt auf, dass die Kantone Dienstpflichtige in sehr unterschiedlichem Umfang eingesetzt haben. Die EFK schreibt: «Der Kanton Waadt zum Beispiel hat den Zivilschutz im Vergleich zum Kanton Bern etwa um den Faktor zehn häufiger eingesetzt. Dies bei vergleichbarer Bevölkerung.»

Der Grund für den massiven Zivilschutzeinsatz in der Waadt war, dass der Kanton seine Impfzentren praktisch ausschliesslich mithilfe von Zivilschützern betrieb, was andere Kantone, primär in der Deutschschweiz, nicht taten. Wie die Waadt setzten auch Genf, Neuenburg, Freiburg und das Wallis im grossen Stil auf den Zivilschutz.

Die EFK schreibt: Von Covid-19 «stark betroffene Kantone setzten den Zivilschutz häufiger ein als schwächer betroffene Kantone, allerdings gibt es verschiedene Abweichungen von diesem Muster». Sie kritisiert, es sei «nicht angemessen», wenn der Bund die Kantone für «langfristige und planbare Aufgaben, für die grundsätzlich auch andere Ressourcen zur Verfügung stehen», zunehmend finanziert.

Die Kantone wittern den Profit

Der Bund stellte den Kantonen Soldaten und Zivilschützer praktisch gratis zur Verfügung. Die Kantone übernahmen teilweise die Kosten für deren Unterbringung und Verpflegung. Die EFK schreibt darum: «Aus dieser Konstellation können sich finanzielle Fehlanreize ergeben, indem diese anstelle von bereits angestellten beziehungsweise auf dem Arbeitsmarkt verfügbarem Personal eingesetzt werden.» 

Genau dies ist in Einzelfällen offenbar auch geschehen. Kantone nutzten den Einsatz von Soldaten, um die Überstunden ihrer Angestellten abzubauen. Weiter kam es zu Fällen, in denen Kantone Zivilschützer oder Soldaten für Sicherheitszwecke verwendeten, wobei sie Verträge mit privaten Sicherheitsfirmen kurzerhand aufkündigten. Als weiteres Beispiel setzte der Kanton Schaffhausen zu Beginn der Pandemie den kantonsärztlichen Dienst für das Contact-Tracing ein und übertrug die Aufgaben mit zunehmenden Fallzahlen auf Zivilschützer und Zivildienstleistende.

Insbesondere die Westschweizer Kantone setzten in der Corona-Pandemie auf die Hilfe von Zivilschützern.

Der Kanton Bern wiederum bestellte in der ersten Corona-Welle bei der Armee zehn Ambulanzfahrzeuge samt Soldaten. In der zweiten Welle beantragte er nochmals die gleiche Menge, der Bund bewilligte jedoch nur noch fünf militärische Spitalautos. Rückblickend steht fest: Die Ambulanzen wurden kaum gebraucht.

Gesuchschaos und reine Bestellungen

Neben den Kantonen bat auch das Staatssekretariat für Migration (SEM) den Bund um Unterstützung. Weil es in den Bundesasylzentren zu wenig Personal gab, gelangte das SEM sowohl an den Zivildienst als auch an die Armee, wobei die Gesuche identisch waren. Aber weder die Armee noch der Zivildienst wusste, dass das SEM praktisch identische Gesuche für dieselben Zwecke bei der anderen Behörde eingereicht hatte.

Es war sogar so, dass die Armee einen Hilfseinsatz in denselben SEM-Einrichtungen bewilligte, obschon da bereits 111 Zivildienstleistende im Einsatz waren. Die EFK schreibt: «Erst als die Armeeangehörigen vor Ort im Einsatz waren, wurde die fehlende Koordination bemerkt. Die Armee brach danach ihre Einsätze früher als geplant ab.»

Auch seitens der Kantone wurden neun Gesuche doppelt gestellt. Wenig erstaunlich ist darum, dass die EFK die getrennten Gesuchswege als «nicht effizient» bezeichnet. Die Finanzkontrolle kritisiert, dass während der ersten Welle in den Hilfsgesuchen «entscheidende Informationen» und «nachvollziehbare Begründungen» überwiegend fehlten und der Bund die Gesuche trotzdem bewilligte. Die EFK schreibt von «reinen Bestellungen». Zudem hätten Gesuchsteller «nicht realistische Erwartungen an die Fähigkeiten der Armee». So wurden Ärzte und Pflegende mit spezifischen Ausbildungen angefordert, obschon die Armee über solche Spezialisten gar nicht verfügt.