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Schräger Star der italienischen Linken
Der unflätige Sheriff aus Neapel

Zwischen «’o Sceriffo» und «’o Faraone»: Vincenzo De Luca, Gouverneur Kampaniens, 71 Jahre alt, in einer Aufnahme aus dem Herbst 2017.
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Was ein «dreifacher Esel» genau ist, muss Vincenzo De Luca vielleicht einmal erklären. Wobei: Ob man das wirklich so genau wissen will? De Luca ist 71 Jahre alt und Gouverneur Kampaniens. Früher Kommunist, heute Sozialdemokrat. Vor allem aber ist er er selbst.

In Neapel rufen sie ihn «’o Sceriffo», Sheriff, weil er den Typus Law and Order markiert. Spätestens seit dem Ausbruch der Pandemie, die seine Region bisher nur vergleichsweise schwach getroffen hat, ist er im ganzen Land ein Star, ja ein Superstar. Ein schräger allerdings, selbst für die Verhältnisse der italienischen Politik, die schon immer reich war an Figuren aus dem Leihensemble der Commedia dell’arte.

«Prolle», «Blödmänner», «Frevler»

Berühmt wurde De Luca mit Liveschaltungen auf Facebook. Er unterweist darin die Bevölkerung, wie sie sich zu verhalten hat – mit Maske und fragwürdigen Stilblüten. Diese «Dirette» sind Kult geworden, die Höhepunkte daraus werden wie wahnsinnig geteilt. Als ihm zum Beispiel zu Ohren kam, dass junge Menschen in Neapel planten, trotz eingeschränkter Bewegungsfreiheit ihren Uni-Abschluss in Gesellschaft zu feiern, sagte De Luca: «Seid euch gewiss: Ich schicke die Carabinieri, aber mit Flammenwerfern.»

Besonders beliebt bei seinen Fans ist das Genre, das er seine ganze Karriere lang schon aufführt: Er greift seine Gegner an, Politiker und Reporter, und wird dabei immer ausfällig, jenseits jeder Etikette. Er nennt sie wahlweise «Prolle» , «Blödmänner», «Frevler», «Pfeifen», «Mistkerle» und, eben, «Esel». Über einen Chefredaktor, der ihn kritisierte, sagte er: «Ein Vollidiot. Ich hoffe, ich begegne ihm mal auf der Strasse – in der Nacht.»

Cupsieg und kein Halten: Fans von Napoli feiern den Triumph über Juventus Turin am letzten 17. Juni.

Zuletzt war Matteo Salvini dran, der Chef der rechten Opposition. Der frühere Innenminister hatte gewagt, zu fragen, wo wohl De Luca war, als neulich Tausende Fans des Fussballvereins SSC Napoli ihre Freude über den Cupsieg auf die Piazza trugen. Nun, De Luca verbat sich die Kritik und bedachte Salvini mit einer denkwürdigen Schimpfsalve, in der fast alle Prädikate aus dem bekannten Repertoire vorkamen, dazu der «dreifache Esel», der mal wieder «iahte», und der «Lümmel». Die Pointe: «Dieser politische Spitzenvertreter hat ein Gesicht, das aussieht wie sein Hintern, und der ist auch noch abgenutzt.»

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Für den «Corriere della Sera» ist De Luca zu weit gegangen. Eine ganze Seite widmete Italiens grösste Zeitung dem «surrealen Governatore» diese Woche. De Lucas Auftritte seien «inakzeptabel», heisst es im Artikel. Offensichtlich gebe es in seiner Umgebung niemanden, der ihm sage, es sei jetzt mal gut.

Ohne «Big Enzo» kein Sieg

Noch hat De Luca nicht geantwortet, aber lange muss man wohl nicht warten. Aus dem Norden lässt er sich nichts sagen, und der «Corriere» kommt aus Mailand. De Luca hat Philosophie studiert. In den zumutbaren Passagen seiner Reden zeugt seine Eloquenz von viel Kultur.

Zwanzig Jahre lange war De Luca Bürgermeister von Salerno, einer Stadt im Süden Neapels. Er regierte sie wie ein König, man nannte ihn auch «’o Faraone». Schulden kümmerten ihn nicht. Doch da er auch viel zustande brachte, war er beliebt. Die Kriminalität ging runter, die Strassen waren plötzlich sauber, die Abfalltrennung erreichte nationale Rekordwerte. In die Mitte der Verkehrskreisel liess er Blumen pflanzen, überall wurden Brunnen gebaut, das Gesundheitswesen wurde besser. Salerno war anders, das sprach sich herum.

Und so schaffte es De Luca 2015 an die Spitze der Region, eine Grosspromotion. Im kommenden Herbst wird neu gewählt. Der Sheriff ist Favorit, trotz aller Unflätigkeiten – oder vielleicht gerade deshalb. In den jüngsten Umfragen ist er plötzlich der viertpopulärste Politiker überhaupt in Italien. Ohne «Big Enzo», wie sie ihn im Partito Democratico nennen, verliert die Linke Neapel. Da geht einem halt schon mal der Mund über.