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Internationale Raumstation (ISS)
Der Ukraine-Krieg ist auch im Weltall angekommen

Nichts soll der «Mission» schaden: Ost und West arbeiten auf der Internationalen Raumstation eng zusammen.
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Die Meinungsfreiheit, klar, sie sei wichtig, heisst es in einer E-Mail, die die US-Raumfahrtbehörde Nasa gerade an ihre ehemaligen Astronautinnen und Astronauten versendet hat. Fast immer gilt für solche Satzkonstruktionen, dass irgendwann das grosse Aber folgt: Die Damen und Herren aus der Raumfahrt mögen sich mit ihrer Kritik an den «russischen Partnern» aber bitte zurückhalten. Alles andere schade «unserer aktuellen Mission».

Drei Wochen nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine gibt die Nasa die Devise aus: Kein Wort zum Krieg, bloss niemanden verärgern, insbesondere nicht Russland, den geschätzten Partner. Auch Europa tut so, als sei nichts passiert in der Raumfahrt – obwohl Russlands nationalistischer Weltraumchef Dmitri Rogosin, Leiter des staatlichen Unternehmens Roskosmos, zuletzt immer wüstere Drohungen in die Welt gesetzt hatte, bis hin zum Absturz der Internationalen Raumstation (ISS). Doch der Westen weiss: Will er mit der Raumstation weitermachen, geht das bis auf weiteres nur mithilfe der Russen. Und er weiss auch: Russlands Drohungen sind vor allem Verbalattacken, gezielte Angriffe in einem Propagandakrieg. Denn so schnell stürzt die ISS nicht ab.

Moskau droht mit Absturz der Station

Ost und West sind auf der Raumstation eng verbunden, jenem internationalen Gemeinschaftsprojekt, das in gut 400 Kilometer Höhe um den Planeten kreist. Russlands Teil ist für die Lagekontrolle und fürs regelmässige Anheben der Station zuständig. Das ist nötig, weil selbst in mehreren Hundert Kilometer Höhe noch immer einige Luftmoleküle vorhanden sind, welche die mit fast 28’000 Kilometern pro Stunde dahinrasende ISS abbremsen. Sie verliert langsam an Höhe und muss von Zeit zu Zeit angehoben werden. Das deutlich grössere westliche Segment, betrieben von den USA, Kanada, Japan und zehn europäischen Staaten, ist für die Stromversorgung der gesamten Station zuständig.

Russland versucht diese Abhängigkeit propagandistisch auszunutzen. Würde sich sein Land nicht mehr um die Bahnkontrolle kümmern, drohte Raumfahrtchef Rogosin unlängst auf Twitter, würde die Station abstürzen – vielleicht auf Europa, vielleicht auf die USA. Und in einem Roskosmos-Video, manipulativ zusammengeschnitten aus Animationen und Videoaufnahmen von der ISS, docken Kosmonauten sogar den russischen Teil ab und lassen den Rest der Station mitsamt der westlichen Crew aus dem All fallen.

Die Nasa arbeitet bereits an einer eigenen Möglichkeit, um die Station anzuheben.

Doch selbst eine von den Russen aufgegebene ISS würde viele Monate in ihrer Umlaufbahn verbleiben. Hinzu kommt, dass die Nasa bereits an einer eigenen Möglichkeit arbeitet, um die Station anzuheben. Etwas anders wäre die Lage bei einem gezielten Absturz der ISS. Solch ein Szenario spielen die beteiligten Raumfahrtagenturen seit längerem durch, schliesslich soll 2024 eigentlich Schluss sein mit der Raumstation – auch wenn die USA dieses Datum gern ins Jahr 2030 verschieben würden. Zumindest war das der Stand vor dem russischen Angriff auf die Ukraine.

Astronautinnen und Astronauten sind aufeinander angewiesen: Das russische Team auf der ISS. 

Über all dem schwebt der Faktor Mensch. Die Crew der ISS versteht sich als Schicksalsgemeinschaft, nur getrennt durch eine dünne Aluminiumhülle vom lebensfeindlichen Weltraum. Der Korpsgeist unter Astronautinnen und Astronauten ist hoch. Staatsangehörigkeiten, das hört man immer wieder, spielen auf der Raumstation keine Rolle. Jemandem aus dieser Crew vom Boden aus zu befehlen, die Luke hinter sich zuzuziehen und Kolleginnen und Kollegen aus politischen Gründen zurückzulassen, klingt undenkbar. Andererseits: Bis vor drei Wochen galt so vieles als undenkbar.

Weitermachen, Ruhe bewahren, Klappe halten ist daher das Motto bei der Nasa. Und auch Europas Raumfahrtagentur ESA fährt eine ähnliche Strategie. Der ISS-Betrieb laufe «sicher und stabil», gab Generaldirektor Josef Aschbacher diese Woche zu Protokoll. Wie es weitergehe mit der Zusammenarbeit? Aschbacher antwortete wie üblich diplomatisch: «Wir müssen alle Optionen in Betracht ziehen. Es wäre verfrüht, darüber zu spekulieren.»

Auch der Frage, ob man mit einem Provokateur wie Rogosin überhaupt noch zusammenarbeiten könne, wich der ESA-Chef aus: «Wir lassen uns nicht provozieren.» Allerdings sei man sich der «Auswirkungen auf die wissenschaftliche Erforschung des Weltraums bewusst», schreibt die ESA in einer Mitteilung. Man schliesse sich den gegen Russland verhängten Sanktionen «uneingeschränkt an». Konkret: Die gemeinsam mit Russland geplante Marsmission ExoMars liegt erst mal auf Eis.