AboMission AKW-Kontrolle in der UkraineDer schwierige Weg nach Saporischschja
Die Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde haben das gefährdete Atomkraftwerk erreicht. Nun beginnt eine technische Mission – allerdings eine, die gewaltige politische Implikationen hat.
Ein Konvoi, angeführt von einem russischen Militärfahrzeug, rollt vorbei an Strommasten, Abluftkaminen, einem Parkplatz. Es folgen gepanzerte weisse Jeeps mit dem hellblauen Schriftzug «UN» auf den Türen. Dann schwenkt die Kamera auf das graue Gebäude des Reaktorblocks Nummer 1 im ukrainischen Atomkraftwerk Saporischschja. Es sind russische Staatsmedien, die diese Aufnahmen verbreiten: die Ankunft der Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in der Anlage.
Am Donnerstagmorgen noch hatte Generaldirektor Rafael Mariano Grossi von «verstärkten militärischen Aktivitäten» rund um das mit sechs Blöcken grösste Atomkraftwerk Europas gesprochen. «Nachdem wir schon so weit gekommen sind, brechen wir nicht ab», sagte der Diplomat. Die Risiken seien ihm bewusst – Grossi trug bereits eine blaue Schutzweste, als er sich in der 120 Strassenkilometer entfernten ukrainischen Grossstadt Saporischschja vor den Kameras äusserte. Zu wichtig sei die Mission.
Die Inspektoren sollen den Zustand des Kraftwerks begutachten, die Schäden, die durch die Kampfhandlungen entstanden sind, Ersatzteile und Strahlenmessgeräte liefern. Sie sollen die Sicherheitssysteme überprüfen und die Arbeitsbedingungen der Bedienmannschaften bewerten, das Risiko einer Atomkatastrophe minimieren. Zwei der Blöcke sind derzeit noch in Betrieb. Gefahren werden sie, wie die gesamte Anlage, von ukrainischen Technikern, die aber seit der Eroberung des Kraftwerks durch Russland im März unter der Kontrolle russischer Soldaten stehen.
Es ist eine technische Mission, das betont Grossi immer wieder, allerdings eine, die grosse politische Implikationen hat. Wochenlang hatte der IAEA-Chef mit ukrainischen und russischen Diplomaten über den Zugang verhandelt, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte sich eingeschaltet. Die Inspektoren mussten die Front überqueren und sich durch schwer umkämpftes Gebiet bewegen. Noch am Morgen hatte es in der Nähe Gefechte gegeben. Reaktor fünf musste nach Angaben des ukrainischen Betreibers Energodar notabgeschaltet werden, auch seien Stromleitungen getroffen worden, die zur Kühlung abgeschalteter Blöcke nötig sind. Und wieder bezichtigten sich die russische und die ukrainische Seite gegenseitig, verantwortlich zu sein.