ETH Zürich erforscht Mars-InnenlebenDer Rote Planet ist dünnhäutig und hat einen weichen Kern
Unter Federführung der ETH Zürich haben Forschende das Innenleben unseres Nachbarplaneten studiert. Sie wollen verstehen, warum sich der Mars so anders entwickelt hat als die Erde.
Während sich der Marsrover Perseverance der US-Weltraumbehörde Nasa darauf vorbereitet, oberflächliche Gesteinsproben zu nehmen, blickt Insight in die Tiefe. Das Gerät ist im November 2018 nahe am Marsäquator gelandet. Anfang 2019 legte der von der ETH Zürich mitentwickelte Erdbebensensor von Insight sein Ohr auf den Marsboden.
Ähnlich wie ein Arzt mit dem Stethoskop in einen Patienten hört das Seismic Experiment for Interior Structure (Seis) ins Innere des Mars hinein. Dazu registriert es feine seismische Signale: Mehr als 1000 Marsbeben hat der kuppelförmige Detektor mittlerweile registriert.
Nun berichten mehrere internationale Forscherteams unter Federführung der ETH Zürich über das, was diese Signale über das Innere des Mars erzählen. Vereinfacht ausgedrückt besitzt der Mars eine unerwartet dünne Kruste, einen recht dicken festen oberen Teil des Mantels und einen viel grösseren und leichteren Kern als gedacht. Drei im Fachmagazin «Science» publizierte Artikel erläutern die Details.
Könnte der Erde ein ähnliches Schicksal drohen wie dem Mars?
«Obwohl Mars und Erde bei ihrer Entstehung recht ähnliche Himmelskörper waren, hat der Mars eine ganz andere Entwicklung durchgemacht als die Erde», sagt Domenico Giardini, Professor für Seismologie und Geodynamik an der ETH Zürich, der die Studien leitet und an allen drei Publikationen beteiligt ist. «Letztlich wollen wir besser verstehen, warum das so ist und ob der Erde ein ähnliches Schicksal drohen könnte wie dem Mars.»
Wie Giardini sagt, mussten die Forscher bei ihren Studien vorgehen wie bei einer spielerischen Schatzsuche: Sie mussten zunächst die erste Station finden. Diese enthielt Erkenntnisse über den Mantel des Mars und Hinweise auf den Weg zur zweiten Station: den Planetenkern. Und so weiter. Der zu bergende Schatz ist das Verständnis von der Entstehung und Entwicklung des Roten Planeten.
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Die erste grosse Etappe bestand darin, überhaupt Genaueres über die tiefer liegenden Strukturen des Mars zu erfahren. Von den stärkeren Beben konnten die Forschenden nur sogenannte Raumwellen detektieren, die ins Innere des Mars laufen. Dort, wo sich die Struktur ändert, werden die Raumwellen reflektiert und gelangen teils bei Seis an die Oberfläche. Diese starken Beben lösten jedoch keine sogenannten Oberflächenwellen aus. Den Grund vermuten die Forscherinnen und Forscher darin, dass die Beben zu schwach und etwas zu tief sind. Damit fehlte eine entscheidende Informationsquelle: Erst aus der Kombination beider Wellentypen lässt sich Genaueres über die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Wellen und die Eigenschaften der inneren Schichten des Mars aussagen.
Erdbeben-Echo als wichtige Informationsquelle
«Wir haben mehr als ein Jahr für die Lösung dieses Problems gebraucht», sagt Giardini. Sie bestand darin, von den 43 bis dato registrierten starken tiefen Marsbeben das knappe Dutzend mit den klarsten Signalen genauer zu untersuchen. Denn diese wurden wie ein Echo mehrfach zwischen den inneren Strukturen des Mars und der Marsoberfläche hin und her reflektiert. «Aus diesen Echos konnten wir Information über die Ausbreitungsgeschwindigkeit und damit über die Chemie und Temperatur des Mantels ableiten», sagt Amir Khan, leitender Autor der entsprechenden Studie. Khan forscht sowohl an der ETH als auch an der Universität Zürich.
Das war die erste Station der Schatzsuche. Sie gab Auskunft über den Aufbau des Mantels bis in eine Tiefe von rund 800 Kilometern. Bis in eine Tiefe von 500 Kilometern ist der Mantel demnach sehr starr und gehört damit zur sogenannten Lithosphäre des Planeten. «Insgesamt ist der Mantel des Mars eine simplere Version vom Mantel der Erde», sagt Khan. «Über den tieferen Mantel bis in eine Tiefe von rund 1500 Kilometern wissen wir aber noch wenig.»
Nachdem die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Wellen im Mantel bekannt war, konnten die Forschenden gezielt nach Wellen suchen, die vom Kern reflektiert wurden. Dafür hielten sie nach speziellen Raumwellen Ausschau, den sogenannten Scherwellen. Diese können sich nicht in Flüssigkeiten ausbreiten. Sie dringen daher auch nicht in einen flüssigen Planetenkern ein. Es wurde zwar schon erwartet, dass der Kern des Mars aus flüssigem Eisen und Nickel besteht. «Jetzt wissen wir es mit Sicherheit», sagt Giardini.
Warum haben leichte Elemente wie Schwefel und Wasserstoff den Kern verschmutzt?
Der Radius des Kerns beträgt rund 1830 Kilometer, wie die Forschenden in «Science» berichten. Das ist etwas mehr als die halbe Strecke von der Oberfläche zum Zentrum des Planeten – ein ähnliches Grössenverhältnis zwischen Kern und ganzem Planet wie bei der Erde. Damit ist der Kern des Mars erstens grösser und zweitens viel leichter als gedacht. Das bedeutet: «Neben den schweren Elementen wie Eisen und Nickel müssen noch leichtere Elemente wie Schwefel, Kohlenstoff, Sauerstoff und Wasserstoff im Kern vorhanden sein», sagt Simon Stähler vom Institut für Geophysik der ETH Zürich, leitender Autor der Kern-Studie. Eine grosse Frage lautet nun: Wie konnten diese leichten Elemente den Kern «verschmutzen»? Ein Teil der Erklärung ist laut Stähler, dass der Mars früher entstanden ist als die Erde und aus anderem Material.
Der flüssige Planetenkern stellt die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler noch vor ein weiteres Rätsel: Dieser sollte eigentlich ein Magnetfeld erzeugen. «Rund eine Milliarde Jahre lang war das Magnetfeld auf dem Mars sehr aktiv», sagt Giardini. «Dann ist es verschwunden. Wir wissen nicht, warum.»
Jetzt suchen die Forscher nach Signalen von Beben auf der anderen Seite des Planeten, deren Wellen den Kern durchdringen, um mehr über ihn zu erfahren. Denn das fehlende Magnetfeld ist ein entscheidender Faktor dafür, dass sich der Mars von der Erde unterscheidet: Ohne Magnetfeld gibt es keinen Schutz vor dem Sonnenwind. Dieser hat die einst vorhandene Atmosphäre des Mars nach und nach in den Weltraum hinaus geblasen und stark ausgedünnt.
Die dritte Studie handelt von der Kruste des Mars. Dazu untersuchten Forscherinnen um Brigitte Knapmeyer-Endrun von der Erdbebenstation Bensberg der Universität Köln eher schwache Beben mit hochfrequenten Signalen. Deren Ursprung liegt in geringer Tiefe in der Kruste des Mars. Diese Beben werden in der Kruste regelrecht gefangen und pflanzen sich nahezu ungedämpft fort.
Die Studien helfen, andere Planeten und Exoplaneten besser zu verstehen
«Es hat sich gezeigt, dass die Kruste viel dünner ist als erwartet», sagt Giardini, der ebenfalls an dieser Studie beteiligt ist. Sie weist eine Dicke zwischen 24 und 45 Kilometern auf. Modelle hatten eine Dicke zwischen 30 und 90 Kilometern nahegelegt.
«Diese drei Studien schränken die möglichen inneren Strukturen des heutigen Mars stark ein», schreiben Sanne Cottaar und Paula Koelemeijer von der University of Cambridge in einem ebenfalls in «Science» erschienenen Artikel, der die drei Studien einordnet. «Das verbessert unser Verständnis darüber, wie der Planet vor Milliarden Jahren gebildet wurde und wie er sich mit der Zeit entwickelt hat.» Laut Stähler sind die aktuellen Studien sehr nützlich, um die Modelle zur Planetenentstehung zu validieren. «Das hilft uns, auch andere erdähnliche Planeten oder Exoplaneten besser zu verstehen, auf denen wir niemals landen und ein Seismometer betreiben werden können.»
Eine weitere, noch zu findende Station ist laut Giardini die genaue Verteilung des Wassers. An den Polen sind Vorkommen bekannt. Unklar ist aber, in welchen Tiefen und in welchen Mengen Wasser im Innern des Mars vorhanden ist. «Auch hier müssen wir erst eine Frage klären, bevor wir die nächste angehen können», sagt Giardini. Eben wie bei einer Schatzsuche.
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