Carlos Alcaraz in BaselDer neue Tenniskönig fühlt sich noch als Lehrling
Der 19-jährige Spanier ist die Hauptattraktion an den Swiss Indoors. Er orientiert sich an Rafael Nadal – und bezeichnet einen anderen prominenten Landsmann als «zweiten Vater».
Als das Jahr 2022 begann, hatte Rafael Nadal verletzungsbedingt in den sieben vorangegangenen Monaten genau ein Turnier gespielt und war auf Rang 6 abgerutscht. Carlos Alcaraz, sein halb so alter Landsmann aus Murcia, fand sich zu jenem Zeitpunkt auf Rang 32.
Was seither geschah, ist eine Art spanische Tennisrevolution. Nadal gewann seine ersten drei Turniere der Saison, darunter zum zweiten Mal das Australian Open, danach auch sein 14. French Open und ist nun wieder die Nummer 2 der Welt. Derweil setzte Alcaraz zu einem Lauf an, der ihn bereits zu 52 Siegen und auf Rang 1 getragen hat, nach Turniersiegen in Rio, Miami, Barcelona, Madrid und am US Open.
Damit führen erstmals seit 22 Jahren und den Amerikanern Pete Sampras und Andre Agassi zwei Landsleute die ATP-Weltrangliste an, erstmals überhaupt zwei Nichtamerikaner. «Das ist crazy. Es bedeutet mir viel, Teil der spanischen Geschichte zu sein», kommentierte Alcaraz, mit 19 Jahren die jüngste Nummer 1 der Geschichte.
Er will über seine Zweifel sprechen
Nun sitzt der blutjunge Gipfelstürmer an diesem Samstag im Medienraum der Basler Swiss Indoors und wirkt, wie Teenager eben wirken, wenn Fragen auf sie niederprasseln: etwas verloren und etwas wortkarg. Nein, er habe nie zuvor in der Schweiz gespielt, auch nicht als Junior. «Ich freue mich darauf, vor dem Schweizer Publikum zu spielen.» Dass er das Turnier auch wegen Roger Federers Erfolg in seinen Fahrplan aufgenommen habe, stimme aber nicht.
Etwas mehr zu sagen hat der US-Open-Champion, wenn die Rede auf sein Team kommt. In Basel wird er von seinem Vater, seinem Physiotherapeuten, seinem Onkel und, natürlich, von Chefcoach Juan Carlos Ferrero begleitet, einem ehemaligen Roland-Garros-Champion. «Er ist für mich wie ein zweiter Vater, er bedeutet mir alles», sagt er. «Für mich ist es wichtig, ein grosses Team zu haben, in dem ich allen vertrauen kann.» Alcaraz, der als Sechsjähriger zu spielen begann, hat vier Brüder. «Schon als Kind war es mir wichtig, immer mit jemandem über meine Zweifel sprechen zu können.»
Alcaraz sagt zwar, dass er sich nie hätte vorstellen können, so schnell die Nummer 1 zu werden. Gross beeindrucken lässt er sich davon aber nicht. «Für mich hat sich mit der Nummer 1 nichts geändert. Ich bin immer noch der Gleiche und trainiere normal weiter. Aber klar versuche ich jetzt, die Saison auch als Erster zu beenden.» Drei Turniere stehen noch auf dem Fahrplan, nach den Swiss Indoors folgen Paris-Bercy und das ATP-Finale in Turin. Er betrachte Rang 1 nicht so sehr als Belastung, sondern eher als Kompliment für alles, was er schon erreicht habe, sagt er noch. «Die Situation hat sich zwar geändert, aber mein Leben ist das gleiche geblieben.»
Wie sehr der Rummel um ihn zugenommen hat, scheint ihn ebenfalls nicht gross zu stören. Ruhm, Geld und Aufmerksamkeit – daran versuche er einfach nicht zu denken. «Ich liebe es, Tennis zu spielen, und das will ich weiter tun und versuchen, mehr Turniere zu gewinnen.» Und wenn zwischendurch mal eine Fotosession für ein Magazin wie «Vanity Fair» anstehe, geniesse er dies auch.
Vom Newcomer zum Rekordjäger
Schon im Jahr 2020 hatte sich Alcaraz von Rang 491 auf 141 verbessert und war von der ATP zum Newcomer des Jahres gekürt worden. Im Jahr darauf stand er am US Open bereits im Viertelfinal, als bisher jüngster Spieler seit 1963 und als jüngster an einem der vier Grand Slams seit Michael Chang (Paris 1990). 2022 begann ebenso spektakulär, als er in Rio jüngster Sieger eines ATP-500-Turniers wurde. Dann holte er sich in Miami und Madrid auch schon seine ersten Masters-1000-Trophäen, wobei er in Spanien als jüngster Spieler Nadal und Djokovic hintereinander bezwingen konnte.
«Ich muss jeden Tag besser werden.»
Alcaraz, der zum Auftakt heute Montagabend (ab 18.45 Uhr auf SRF 2) auf den Briten Jack Draper (ATP 48) trifft, weiss, dass er noch lange nicht am Ziel ist. «Alles» müsse er verbessern, sagt er, «ich muss jeden Tag besser werden. Rafa (Nadal) ist auch nicht mehr der gleiche Spieler wie mit 22, 23. Man muss sein Spiel immer weiter verbessern, auch seine mentale Einstellung.» In Kurzform tönt das so: «Ich bin 19 und habe noch viel Arbeit vor mir.»
Dabei ist er ein ganz gewöhnlicher junger Sportler geblieben, der zwischendurch auch Volleyball oder Golf spielt, für Real Madrid schwärmt und als Vorbild Nadal nennt. Entsprechend ist auch Roland Garros sein Lieblingsturnier. Alles ganz normal für einen Spanier – abgesehen von seinem Powergame, seinem Variantenreichtum, seiner Kampfkraft und der Leichtigkeit, mit der er sich auf den Gipfel der Tenniswelt geschwungen hat.
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