Preisgekürte Graphic NovelDer neue Schweizer Kinderbuchpreis geht an ein Spitzen-Comic
Der junge Zürcher Illustrator Nando von Arb hat die Realität von Patchwork-Familien in einer innovativen Graphic Novel gefasst. Und die Jury überwältigt.
Der kleine Nando ist nur ein weisses Oval mit schwarzem Beret: Auf den Zeichnungen der Graphic Novel «3 Väter» rollt er sozusagen als bemütztes Taubenei durch ein nicht gerade einfaches Leben. Seine weisse Muttertaube reisst sich für ihr Küken und ihre anderen beiden Kinder zwar, buchstäblich ins Bild gesetzt, die Brust auf. Aber sie steht weder finanziell noch psychisch fest im Leben.
Dafür geben ihre drei aufeinander folgenden Lebensabschnittspartner Nando phasenweise Halt, jeder Mann auf seine Weise. Sie werden so seine «3 Väter» – wie der Band titelt, der jetzt den neuen, mit 10 000 Franken dotierten Schweizer Kinder- und Jugendbuchpreis erhalten hat. Verliehen wurde dieser an der virtuellen Solothurner Literaturtagen.
Debüt und Meisterwerk
Die über 300-seitige Graphic Novel ist das Comic-Debüt des 1992 in Zürich geborenen Grafikers und Illustrators Nando von Arb. Und sie ist nicht nur sein Einstiegsbillett in die Szene, sondern gleich schon ein Meisterwerk. Bereits nach der Publikation bei Edition Moderne im März 2019 erregte das autobiographisch grundierte Buch Aufmerksamkeit – mit seiner starken psychologischen Symbolsprache neben den knappen Sätzen und seinen mal minimalistischen Schwarzweiss-Zeichnungen, mal farbigen Splashpages. In ungerahmten Panels wird die Patchwork-Familienwelt aus Kinderperspektive wiedergeben. So wurde es an Nando von Arbs Alma Mater, der Hochschule Luzern, mit einem Preis geehrt; zudem wurde es für den Preis Delémont’BD als bester Schweizer Comic 2019 nominiert.
Dass «3 Väter» nun aus über 80 Titeln zum besten Schweizer Kinder- und Jugendbuch des Jahres gekürt wurde, begründet die Jury mit Nando von Arbs heiterer Radikalität auf zeichnerischer wie auf inhaltlicher Ebene. «Mit Leichtigkeit und Experimentierfreude verknüpft er einen abgeklärten Erzählton mit unverblümt ruppigen Dialogen. Schroffe Schwarz-Weiss-Zeichnungen wechseln spielerisch mit popfarbener Buntheit. Und die Reflexion über Kunst zieht sich nicht nur durch das Leben des Protagonisten, sondern schlägt sich auch in der Materialität dieses aufwendig gestalteten Buchkunstwerks nieder. Die authentische Familiengeschichte erreicht dabei junge wie ältere Leserinnen und Leser.»
Tatsächlich ist beispielsweise der männlich-raue Ton des dritten Partners der Mutter für den Buben einerseits erschreckend, andererseits tröstlich. Als Nando etwa wegen einer Penis-Entzündung beschnitten werden muss, beruhigt ihn der riesenhaft gezeichnete Mann mit dem winzigen Kopf, indem er seine eigene Körperlichkeit vorführt; später wird er an Krebs erkranken. Der leibliche Vater wird dagegen als windiger Fuchs dargestellt, der Nandos Urvertrauen zutiefst erschütterte, als er seinerzeit die Familie verliess. Erst als der Junge langsam erwachsen wird, verbessert sich ihre Beziehung wieder.
Die Jury hat eine kluge Entscheidung getroffen und mit dieser Erstvergabe ein Signal gesetzt. Der neue Preis, der vom Schweizerischen Institut für Kinder und Jugendmedien, dem Schweizer Buchhändler- und Verleger-Verband sowie den Solothurner Literaturtagen ausgerichtet wird, führt gute schweizerische Kinderbuch-Traditionen weiter: Er fokussiert gleichzeitig auf grafische Innovation und kindliche Alltagsrealität. Ein Bravo für den Künstler und die Jury!
Nando von Arb: 3 Väter. Edition Moderne, Zürich 2019. 304 S., ca. 49 Fr.
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