Arthur RinderknechDer Mann mit dem falschen Namen mischt die Tennisszene auf
Auch die Schweizer finden, dem Franzosen fehle ein t. Der 27-jährige Topspieler aber liebt seinen Namen – und verzückt im Interclub beim Zürcher TC Sonnenberg. Wenn er denn da ist.
Sein Name ist, tatsächlich, Rinderknech – ohne t, Arthur Rinderknech, und er ist Franzose. «Die Deutschen, Niederländer, Schweizer und Österreicher sagen alle, das sei falsch, und setzen ein t», erzählt er. «Vielleicht hatte es da auch tatsächlich mal eines. Aber selbst mein Grossvater wüsste nicht, wann das weggefallen ist.» Ist ihm ja auch egal. «Ich liebe meinen Namen, wirklich», betont er. «Auch wenn lustigerweise Frankreich das Land ist, in dem die Leute mit der Aussprache am meisten Mühe haben.»
Als der 1,98 m grosse Pariser im Corona-Sommer 2020 erstmals in der Schweiz Interclub spielte, kannte seinen Namen noch kaum jemand, war er ein Mitläufer. Das hat sich massiv geändert. Damals stand er ja auch noch auf Rang 160 der Weltrangliste. Seither ist er bis auf Rang 48 geklettert, hat sein Davis-Cup-Debüt gegeben und ist derzeit der viertbeste Spieler seines Landes – und der beste, der für diese Interclub-Saison gemeldet ist, die am 2. August begonnen hat und am 14. in Winterthur enden wird.
Per Zufall in die Schweiz
Dass Rinderknech überhaupt 2020 zum Zürcher Club Sonnenberg stiess, war purer Zufall. «Während des Lockdown war die Schweiz fast das einzige Land, das eine Interclub-Meisterschaft durchführte. Ich sprach mit meinem Coach, und wir entschieden, ein Team zu suchen, um etwas im Rhythmus zu bleiben.» Und gleichzeitig das Sackgeld aufzubessern. Inzwischen ist er bestens integriert in der Schweizer Tennisszene, mit vielen von ihnen sogar befreundet.
«Sonnenberg nahm mich sehr gut auf, ich hatte Glück. Es ist ein grossartiges Team mit grossartigen Leuten.» Trotz des knapp verlorenen Finals stand er 2021 wieder im Team, «aber nur eine Woche, bevor es in die USA ging. Ich liebe Teammatchs in der Schweiz, aber je höher ich klassiert bin, desto schwieriger wird es, Zeit für den Interclub zu finden. Aber ich hoffe, dass ich diese Saison wieder einige Matchs bestreiten kann.»
Wir führen das Interview über Video, während Rinderknech in Paris zu einem Arzttermin unterwegs ist. Schon Anfang 2022 hatte er sich in Australien verletzt, hatte einige Wochen in Frankreich pausieren müssen. Mit der Rückkehr auf Sand kehrten die Schmerzen zurück, die nächste Zwangspause folgte.
So verlief denn 2022 insgesamt etwas enttäuschend. Immerhin stand er in Adelaide im Final, in Doha im Halbfinal und gewann in Posen seinen vierten Titel auf der Challenger-Tour. Doch Rinderknech ist, was man einen Spätzünder nennt und überzeugt, dass er seine besten Jahre noch vor sich hat. «Ich bin sehr frisch im Kopf.»
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Damit setzt er einen der wenigen Lichtpunkte in die jüngere Geschichte des französischen Männertennis. «La grande nation» wartet seit 1983 (Yannick Noah) auf ihren nächsten Grand-Slam-Sieger, derweil sich die Ära der «neuen Musketiere» rasch dem Ende zuneigt. Jo-Wilfried Tsonga ist zurückgetreten, Gilles Simon auf Rang 184 abgefallen, Richard Gasquet findet man noch auf Rang 78. Einzig der oft verletzte und inzwischen 35-jährige Gaël Monfils hält sich noch erstaunlich gut, ist auf Position 20 der Bestklassierte seines Landes.
«Das französische Tennis ist in keiner guten Situation», sagt Rinderknech schonunglos. «Wir brauchen neues Blut. Erst dachten wir, Pouille sei der nächste, doch nach seinem raschen Aufstieg stagnierte er. Momentan konzentriert sich die Aufmerksamkeit auf Benjamin Bonzi, Hugo Gaston und mich.»
«Ich war nie ein Produkt des französischen Tennisverbands.»
Der Karriereverlauf Rinderknechs, der einen Zwillingsbruder und eine Stiefschwester hat, ist alles andere als typisch französisch. Er vermied es, die Talentschmiede des reichen Verbands FFT zu durchlaufen. «Ich war nie ein Produkt des Verbands, auch wenn ich mit ihm eine gute Beziehung habe und er mir oft hilft.»
Rinderknech entwickelte sich in der Region Paris, wo sein Vater Pascal zwei Tennisclubs führte, in Montreuil und Vincennes. Seine Mutter versuchte sich auf der Profitour und überstand am French Open 1985 eine Runde. Irgendwann entschloss sich Rinderknech, mit seinem Coach nach Rennes zu zügeln. «Das läuft schon über zwei Jahre gut, wir geniessen jeden Moment.»
Entscheidend für seine Entwicklung war, dass er sich als 18-Jähriger entschloss, für vier Jahre in die USA zu übersiedeln. Diese Collegejahre an der Texas A&M University mögen seinen Aufstieg zwar ein wenig verzögert haben, «aber ich bereue keine Sekunde, die ich in den USA verbracht habe», sagt Rinderknech. «Ich lernte eine neue Kultur kennen, einen neuen Weg zu denken, eine neue Art zu lernen und die Welt zu sehen – vor allem die Tenniswelt.»
«Erst in den USA war ich in der Lage, die schlechten französischen Eigenschaften loszulassen.»
Einigen Mustern seines Heimatlands steht er sehr kritisch gegenüber. «Bis ich 18 war, hatte ich sehr viel Französisches in mir. Erst in den USA war ich in der Lage, die schlechten französischen Eigenschaften, die mir nicht halfen, loszulassen und mir einige der grossartigen Dinge der USA anzueignen.»
Inzwischen habe er eine Mischung der beiden Welten gefunden, und die empfindet er als erfolgsversprechend. Er wird konkreter: «Wir lachten zwar oft über die Amerikaner, wie verbissen sie etwa kämpfen. Aber ein Teil dieser Denkweise ist sehr wichtig für Europäer, gerade für Franzosen. Und darum habe ich mich hart bemüht.»
Furchtlos wie ein Amerikaner
Aber was meint er denn genau damit, wenn er von den schlechten französischen Eigenschaften spricht? «Es ist wohl ähnlich wie in Deutschland und der Schweiz», antwortet er. «Wenn du im Sport gut bist, realisierst du gar nicht, wie hart es wirklich ist und wie viel du arbeiten musst, um wirklich gut zu bleiben. Unzählige Stunden abseits des Rampenlichts, mit der richtigen Einstellung, dem richtigen Kopf, der richtigen Zuversicht.» Er nennt ein Beispiel: «In den USA lehren sie dich: Okay, du bist die Nummer 164 und spielst heute gegen die Nummer 1. Aber warum solltest du Angst haben? Diese Einstellung gefällt mir, das versuche ich zu kopieren.»
Rinderknech betrachtet den Abstecher in die USA denn auch keineswegs als verlorene Zeit, im Gegenteil. «Die Jahre im College waren für mich definitiv wertvoll. Ohne die USA und das College gäbe es keine Chance, dass ich jetzt hier wäre, auf der ATP-Tour.» Und wohl auch Sonnenberg müsste ohne ihn auskommen.
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