Wahlkampf in den USADer linke Trump heisst Kennedy
Populisten erstarken in beiden US-Parteien. Einer mit klingendem Namen wird zur Gefahr für Joe Biden.

Zeitgleich mit dem offiziellen Sommerbeginn trat in den USA vergangene Woche der Wahlkampf in eine neue, intensivere Phase. Unter den republikanischen Anwärtern auf die Präsidentschaft wird das Duell zwischen Donald Trump und Ron DeSantis täglich giftiger. Und bei den Demokraten gelingt es Präsident Joe Biden nicht, den hartnäckigen Herausforderer Robert F. Kennedy Junior abzuschütteln.
Siebzehn Monate vor dem Wahltag vom 5. November 2024 deuten in beiden Parteien die Zeichen auf Rebellion. Die politischen Establishments sehen sich in die Defensive versetzt, und Populisten prägen die Politik.
Das Vorbild der Volkstribunen, Ex-Präsident Donald Trump, wird in zehn Tagen 77 Jahre alt. In seinen Kurzmitteilungen auf Truth Social und bei Auftritten in Iowa und New Hampshire schien er geradezu besessen von seinem Rivalen Ron DeSantis, dem 32 Jahre jüngeren Gouverneur von Florida. Trump verstieg sich bis zur Behauptung, dessen Covid-Politik sei schlechter gewesen als jene seines früheren Amtskollegen Andrew Cuomo in New York, der mit einer Verordnung unzählige Altersheiminsassen in den Tod schickte.
Der in der Woche zuvor ins Rennen getretene DeSantis lässt dies nicht mehr auf sich sitzen; er gibt jetzt zurück. Das führte zu Hickhacks wie beim Thema der möglichen Amtsdauer. Erst sagte DeSantis, für eine fundamentale Reform der Bundesverwaltung brauche es acht Jahre, vier mehr als die eine Amtszeit, die dem Ex-Präsidenten verbleiben würde. Trump entgegnete, er werde dafür keine acht Jahre benötigen, ihm reichten sechs Monate. Worauf DeSantis sagte: «Wer behauptet, er könne den ‹deep state› in sechs Monaten bodigen, muss sich die Frage gefallen lassen: ‹Warum gelang dir das nicht, als du vier Jahre hattest?›»
Trump-Berater: «Du willst Böses sehen? Warte ab»
Trumps Spottnamen «DeSanctimonious» wischte der Gouverneur mit der Bemerkung weg, das sei «kleinlich» und «kindisch». Die Wortgefechte lassen Beobachter eine Eskalation befürchten. Gegenüber «Politico» nannte ein früherer Trump-Berater das Geplänkel «Kinderei» und sagte: «Du willst Böses sehen? Warte ab.»
Der Zweikampf ist so erbittert, weil nur diese beiden Top-Kandidaten eine realistische Chance auf eine Nominierung haben. Die anderen Anwärter im republikanischen Feld – kommende Woche wird es um drei zusätzliche auf zehn anwachsen – teilen die traditionellen Werte der Partei oder sind zu unbekannt. Trotz aller Unterschiede stellen sich Trump wie DeSantis auf die Seite der gebeutelten Mittelklasse. Ihre populistische Energie richtet sich gegen den Verwaltungsstaat, grosse Unternehmen, Medien und Bildungsinstitutionen. Sie hinterfragen das aussenpolitische Establishment.
Kennedy Junior gilt als Verschwörungstheoretiker und Impfskeptiker
In die gleiche Richtung, wenn auch von links kommend, stösst «Bobby» Kennedy vor. Der frühere Umweltanwalt ist zwar schon 69 Jahre alt, wirkt aber im Vergleich zum greisen Biden vital. Kennedy steht im – mehrheitlich negativen – Ruf eines Impfskeptikers, der allen möglichen Verschwörungstheorien nachhängt. Seine Vorbehalte gegen staatlich verordnete Medizin kommen nach Covid aber bei vielen Amerikanerinnen und Amerikanern an, die das Vertrauen in die Gesundheitsbehörden verloren haben.

Biden werde als Teil eines Systems begriffen, das eine wachsende Mehrheit für nicht mehr glaubwürdig halte, sagte Kennedy der News-Site «The Free Press». «Ich sehe ihn Dinge tun, von denen ich weiss, dass er sie im Kern nicht glaubt.» Zum Beispiel sei die «Zensur, die aus dem Weissen Haus kommt, konträr zu allem, wofür er in seinem Leben stand». Unter Biden seien die Demokraten eine Partei des Kriegs geworden, eine der Neokonservativen, der Wallstreet und eine «Partei der Angst».
Als Alternative will Kennedy «eine Koalition der Linken und der Rechten bauen – eine populistische Koalition». Von Wut Getriebene sollen nicht mit Trump «in die Dunkelheit reiten», sondern für etwas Positives gewonnen werden.
Eine reale Gefahr für US-Präsident Joe Biden
Mit seinen Absichten knüpft der Junior an das Vermächtnis seines gleichnamigen Vaters an. «RFK» war unter seinem Bruder John F. Kennedy Justizminister und nach dessen gewaltsamem Tod Senator in New York. 1968 zog er als Präsidentschaftskandidat die Hoffnungen einer ideologisch vielfältigen Wählerschaft auf sich, bevor er von einem Palästinenser erschossen wurde. Über die Vaterfigur möchte der Junior die Aufbruchsstimmung der 68er-Jahre für die aus seiner Sicht vergleichbare Gemütslage der Gegenwart nützen.
Etablierte Kräfte in der Partei sowie die ihnen nahestehende Presse nehmen RFK Jr. nicht sonderlich ernst. Sie ignorieren ihn, belächeln ihn als «Eitelkeitskandidaten», der vom Namen seiner berühmten Familie zehre. Dennoch hält sich Kennedys Zuspruch beharrlich. Am Freitag stellten sich in einer CNN-Umfrage 20 Prozent der Befragten hinter ihn. Biden erhielt 60 Prozent, und auf die dritte Kandidatin, die New-Age-Autorin Marianne Williamson, kamen 8 Prozent.
Die Zahlen deuten nicht darauf hin, dass Kennedy an der Stelle Bidens nominiert werden könnte. Dennoch spiegeln sie eine reale Gefahr für den Präsidenten. Seit 1973 kam es dreimal vor, dass der Rivale eines amtierenden Präsidenten in den Vorwahlen zweistellige Umfragezahlen aufwies. In allen drei Fällen verlor der Amtsinhaber gegen den Herausforderer aus der anderen Partei.
Der Populist Kennedy könnte so womöglich einem republikanischen Populisten den Weg ins Weisse Haus ebnen.
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