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Neues russisches Gesetz
Der Kreml brandmarkt Lew Ponomarjow

«Ich bin etwas verwundert. Ich schreibe doch kaum. Und dafür bekomme ich auch kein Geld»: Lew Ponomarjow über seinen neuen Status als «ausländischer Agent».
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Vor ausländischen Agenten sollte man sich schützen. Russland aber schützt sich vor Lew Ponomarjow. Er ist 79 Jahre alt, trägt gern eine Mütze und ist einer der bekanntesten Menschenrechtler Russlands. Das Land könnte ihn ehren, doch es brandmarkt ihn. Ponomarjow steht nun im Register des Justizministeriums als «ausländischer Agent». Als eine von fünf ersten Einzelpersonen, die nach Einschätzung der Behörden politisch oder journalistisch aktiv sind und eine Unterstützung aus dem Ausland erhalten.

Die kürzlich erlassene Gesetzesnovelle dazu ist so vage, dass sie bei weiter Auslegung ebenso gut Studierende treffen könnte, die mit einem Auslandsstipendium aus der Dachkammer öffentlich posten, wie schmutzig die Stadtluft in Norilsk ist. Ponomarjows spontane Reaktion: «Ich bin etwas verwundert. Ich schreibe doch kaum. Und dafür bekomme ich auch kein Geld.»

Menschenrechtsarbeit wird in Russland immer schwieriger

Trotzig rief er seine Mit-Agenten auf, sich nun zu verbünden und eine Organisation zu gründen mit dem Namen «Ausländische Agenten – für Menschenrechte». Dazu muss man wissen: «Für Menschenrechte» heisst die Organisation, die Ponomarjow 1997 gegründet hatte. Vergangenes Jahr wurde sie vom obersten Gericht aufgelöst, weil die Behörden auch ihr den fragwürdigen Agentenstempel aufgedrückt hatten. Ponomarjow hatte sich daraufhin geweigert, die eigene Internetsite mit dem unbeliebten Label zu versehen. Ja, er habe Hilfe von der UNO erhalten, aber dort sei Russland doch Mitglied.

Ausländischer Agent – für Ponomarjow ist das Gesetz ein perfides Werkzeug. Entweder solle damit die Glaubwürdigkeit von Menschenrechtlern untergraben oder diese sollten in finanzielle Not getrieben werden. Denn wer das Etikett umgehen will, muss auf internationale Spenden oder Zuschüsse verzichten. Das macht Menschenrechtsarbeit in Russland immer schwieriger. (Was das heisst, erlebte auch Oppositionspolitiker Alexei Nawalny)

Seine Direktheit und schonungslose Kritik am eigenen Land hat Ponomarjow seit Jahrzehnten immer wieder bittere Zeiten beschert, Ärgernisse und juristische Konfrontationen. Und grosse Enttäuschungen. Vor zwei Jahren fügte sich dies für ihn tragisch zusammen. Ponomarjow war zu 25 Tagen Haft verurteilt worden, weil er zu einer nicht genehmigten Protestkundgebung aufgerufen hatte. In dieser Zeit starb im hohen Alter Ljudmila Alexejewa, die als grosse inspirierende Dame der sowjetischen und russischen Menschenrechtsbewegung galt und seine langjährige Wegbegleiterin war. Ponomarjow bat, seine Haft unterbrechen und zu ihrer Beerdigung gehen zu dürfen. Er durfte nicht. Offiziell, weil er ihr nicht nahe genug stand.

Barack Obama setzte sich für ihn ein

Lew Ponomarjow wurde im sibirischen Tomsk geboren, studierte Physik und gehörte Ende der Achtzigerjahre zu den Gründern der Menschenrechtsorganisation Memorial, die sich der Aufarbeitung der Stalin-Verbrechen verschrieb. In der Wendezeit ging er in die Politik, wurde Abgeordneter im Volksdeputiertenkongress und später auch Oppositionspolitiker in der russischen Duma.

In der Epoche Wladimir Putins war der vierfache Vater immer wieder Kritiker des Präsidenten und seiner Politik. Ponomarjow setzte sich für Freiheit ein, wo immer er sie eingeengt sah. Er eckte an, weil er sich gegen das Verbot der Zeugen Jehovas einsetzte, von Folterungen in der Armee sprach und die Prozesse gegen Chodorkowskis Ölkonzern Jukos kritisierte. Vor elf Jahren wurde er so verprügelt, dass US-Präsident Barack Obama dies bei einem Moskau-Besuch ansprach. Die Tat hat Ponomarjow verletzt, aber nicht eingeschüchtert.