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Der FC Liverpool in der Krise
Der Kollaps mit Jürgen Klopp

Vor leeren Rängen verpuffen Klopps Emotionen: Liverpool steckt im Tief. 
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Jürgen Klopp war als Trainer auf dem Weg nach oben, als er dieser Zeitung ein Interview gab. «Ich möchte gewinnen», sagte er damals, «aber ich erschiesse mich nicht, wenn wir verlieren. Man muss auch eine Niederlage zulassen können.» Das war im Februar 2011, drei Monate vor dem Gewinn des Meistertitels mit Borussia Dortmund.

Zehn Jahre später ist Klopp der Erste, der von der Fifa zweimal als Trainer des Jahres ausgezeichnet wurde. Die Triumphe mit dem FC Liverpool in der Champions League 2019 und in der Premier League 2020 machten das möglich. «Ich bin nicht der Beste, aber ich habe den Preis gewonnen», sagte Klopp letztes Jahr, der Münchner Tripletrainer Hansi Flick hätte auch für ihn eigentlich den Titel verdient.

Diese Grosszügigkeit konnte sich Klopp zu der Zeit noch leisten, mit Liverpool führte er die Meisterschaft schon wieder an. Es schien für ihn einfach so weiterzugehen. Inzwischen ist ganz gut, dass er sich wegen einer Niederlage nicht erschiessen würde. Denn Niederlagen gehören für einen Trainer zum Alltag, der gar nicht mehr wusste, was Misserfolg ist. Und der vielleicht nur deshalb noch im Amt ist, weil er Klopp heisst, in Liverpool Heldenstatus geniesst und einen jährlich mit 14,4 Millionen Franken dotierten Vertrag bis 2024 besitzt.

Wieder «the normal one»

Am Sonntag nach dem Match gegen Fulham fragt ihn der BBC-Reporter: «Jürgen, ist das eine der schwächsten Perioden Ihrer Karriere?» Klopp verdreht die Augen kurz nach oben, dann sagt er: «Ich wünschte, ich könnte Nein sagen. Aber es ist so.»

Das 0:1 gegen Fulham ist schon die achte Niederlage seit Klopps Würdigung als Welttrainer. Und vor allem: Es ist die sechste Niederlage hintereinander in einem Heimspiel. Davor war Liverpool in Anfield in 68 Spielen unbesiegt geblieben, bis Burnley kam am 21. Januar und 1:0 gewann. Burnley gehört zum Fussvolk der Liga wie Brighton oder eben Fulham, denen jeweils ebenso ein Tor zum Sieg beim Meister genügte.

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Liverpool liegt nur noch auf Platz 8. Die Zahlen des Kollapses sind erschreckend: 36 Punkte weniger als in der Vorsaison zur gleichen Zeit, 22 Punkte Rückstand auf Leader Manchester City, mehr als doppelt so viele Niederlagen wie in den kompletten zwei Saisons zuvor. «Wir haben nicht die beste Zeit», sagt Klopp, «wir haben eine extreme Situation.»

Knapp fünfeinhalb Jahre ist der 53-jährige Deutsche nun in Liverpool. An seinem ersten Tag stellte er sich der Öffentlichkeit als ein normaler Kerl aus dem Schwarzwald vor, «the normal one, falls Sie so wollen», sagte er. Die Journalisten kugelten sich vor Lachen, weil sie noch José Mourinhos Spruch vom «special one» im Kopf hatten.

Die Spieler wiederum bat Klopp, dass sie von Zweiflern zu Glaubenden würden. Und sie wurden es, weil sie ihrem Vordenker und seinen Idealen von Fussball fast blind folgten. Was Klopp «full throttle football» nannte, setzten sie mit der Zeit perfekt um: Liverpools Vollgasfussball wurde zur Inspirationsquelle für andere Mannschaften. Deren Problem war nur, dass sie nicht Alisson im Tor und Virgil van Djik als Abwehrchef hatten, nicht Trent Alexander-Arnold und Andy Robertson als stürmende Aussenverteidiger, Jordan Henderson als Captain im Mittelfeld und schon gar nicht ein Sturmtrio wie Mohamed Salah, Roberto Firmino und Sadio Mané. Liverpool fegte über die Gegner hinweg. Salah, Firmino und Mané erzielten 60 Prozent aller Tore in der Liga.

«Spaziergänger-Fussball»

An dieser Quote hat sich selbst jetzt nichts geändert. Aber sie reicht nicht mehr, um die Mannschaft zu tragen. Für den Erfolg und den Spielstil zahlt sie nun den Preis. Sie ist müde geworden und anfällig für Verletzungen. Keine wiegt schwerer als jene von Van Dijk, der seit Oktober mit einem Kreuzbandriss ausfällt. Ohne Van Dijk fehlt die Stabilität und Souveränität, was sich gerade auch auf Alisson auswirkt, den sonst so überragenden Goalie.

Alan Shearer, früher ein grosser Torjäger, jetzt Experte bei BBC, stellt die Mängelliste nach dem Fulham-Match zusammen: keine Kreativität, keine Tore, schrecklich in der Abwehr, ein Mangel an Intensität, Energie und Tempo, mit dem Liverpool sonst verbunden werde. Teilweise sei das «Spaziergänger-Fussball», sagt Shearer auch. So hört sich eine Bankrotterklärung an.

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Und Klopp hat noch ein Problem. Das ist die leere Kulisse in Anfield. Er steht zwar noch zähnefletschend an der Seitenlinie, aber seine Emotionen verpuffen auf den leeren Rängen. Wegen Corona ist keiner da, der sie aufnehmen und auf den Platz zurückwerfen könnte. Das Zusammenspiel zwischen Trainer, Fans und Mannschaft fehlt in der Premier League nirgends so sehr wie in Liverpool. Und so ist Klopp auf einmal das, was er im Oktober 2015 über sich sagte: ein normaler Trainer.

Das Licht in Budapest

In der Liverpooler Hymne «You’ll Never Walk Alone» heisst es: «Wenn du durch einen Sturm gehst / Halt deinen Kopf oben und fürchte dich nicht vor der Dunkelheit.» Noch brennt ein Licht in Liverpool, das ist die Champions League.

Am Mittwochabend steht im Achtelfinal das Rückspiel gegen RB Leipzig an. Die Ausgangslage ist nach dem 2:0 auswärts zumindest auf dem Papier verlockend. Aber wie steht es um Liverpools Selbstvertrauen? Und wie um Klopps Überzeugungskraft? Und welche Mannschaft muss er sich diesmal zusammenbasteln? Gegen Fulham hat er schon die 20. Version einer Innenverteidigung ausprobiert.

Vielleicht hilft den «Reds» etwas ganz anderes. Das heutige Heimspiel tragen sie wegen der Corona-Regeln nicht in Anfield aus, sondern in Budapest. Da haben sie gegen Leipzig das Hinspiel gewonnen.

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