Einzelinitiative gutgeheissenDer Kantonsrat will sich den Gehörlosen verständlich machen
Die Parlamentsdebatten sollen in Gebärdensprache übersetzt werden. Der Kantonsrat hat eine Einzelinitiative gutgeheissen. Nur die SVP stimmte nicht zu.
Es ist selten, dass eine Einzelinitiative so viel Zuspruch erhält wie jene von Uliana Ishchenko-Iten aus Dällikon. Gegenüber dieser Zeitung betonte sie am Montagnachmittag, dass sie ihre Initiative nicht aus persönlicher Betroffenheit eingereicht habe, sondern allein aus Solidarität zu den gehörlosen Menschen, die derzeit von den Debatten des Kantonsrates ausgeschlossen seien.
In einem emotionalen Statement bat sie den Kantonsrat um Unterstützung. «Setzen Sie ein Zeichen des Respekts und Ihrer guten Erziehung.» Es dürfe in der Schweiz keine Trennung mehr zwischen Hörenden und Gehörlosen geben. Sie appellierte an die Politikerinnen und Politiker, einen Schritt zur Gleichstellung der beeinträchtigten Menschen zu tun.
Es seien noch viele Schritte nötig, sagte die Einzelinitiantin. So müsste etwa eine Einbürgerung mit Gebärdensprache möglich sein.
Keine permanente Übersetzung
Sie stiess mit ihrem Anliegen auf offene Türen. Mit Ausnahme der SVP/EDU-Fraktion unterstützten alle Parteien die Einzelinitiative vorläufig. Nötig wären dazu 60 Stimmen gewesen, am Ende waren es 125 Stimmen.
GLP-Sprecherin Sonja Gehrig (Urdorf) knüpfte ihre definitive Zustimmung wie ein Grossteil der Redenden an Bedingungen. «Es muss eine bedarfsgerechte Lösung sein.» Entweder müsse die Übersetzung von Betroffenen beantragt oder von einer geeigneten Verwaltungsabteilung verfügt werden. «Wir sind gegen die automatische Übersetzung jeder Debatte.»
Dies unterstützte auch Markus Schaaf (EVP, Zell). Gehörlose dürften nicht vom politischen Leben ausgeschlossen werden, immerhin habe die Schweiz vor 10 Jahren die Menschenrechtskonvention unterzeichnet, welche die Gleichstellung der beeinträchtigten Menschen verlange.
«Das Ende der Fahnenstange ist noch lange nicht erreicht.»
Silvia Rigoni (Grüne, Zürich) attestierte dem Kanton zwar, schon einige Massnahmen zu dieser Gleichstellung ergriffen zu haben, aber: «Das Ende der Fahnenstange ist noch lange nicht erreicht.» Sibylle Jüttner (SP, Andelfingen) erinnerte den Rat daran: «Demokratien lassen sich daran bemessen, wie sie mit ihren Minderheiten umgehen.»
Auch für den Sprecher der FDP, Beat Habegger (Zürich), steht der Rat in der Verantwortung, seine Debatten allen zugänglich zu machen. Dennoch sei die Zustimmung der FDP kein Freipass für eine permanente Übersetzung. Für Habegger ist es wichtig, neue technische Möglichkeiten für den Übersetzungsdienst zu nutzen.
Anne-Claude Hensch (AL, Zürich) übte gegen Ende etwas Kritik zum Gesagten. Es sei zentral, dass die Gehörlosen das Recht hätten, eine Übersetzung zu verlangen: «Er darf nicht sein, dass nicht Behinderte darüber entscheiden, was für Gehörlose relevant ist.»
SVP findet es nicht nötig
Ein Nein gab es von der SVP. Christina Zurfluh Fraefel (Wädenswil) anerkannte zwar das Recht der Gehörlosen auf Übersetzungsdienst. Doch der Kanton sei ohnehin an der Umsetzung der Behindertenkonvention. Da sei die Unterstützung dieses Einzelanliegens unnötig: «Lassen wir die Verwaltung arbeiten.»
Der Regierungsrat hat nun 18 Monate Zeit, einen Bericht zu schreiben und einen Antrag zur Initiative zu stellen. Diesen wird der Kantonsrat beraten und definitiv beschliessen, ob und wie er seine Debatten in Gebärdensprache übersetzen lassen will.
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