Wahlen in KatalonienDer Gewinner dürfte leer ausgehen
Bei der Regionalwahl in Katalonien verdoppeln die Madrid-treuen Sozialisten ihre Sitze. Doch bei der Regierungsbildung dürften sich die Separatisten durchsetzen.
Schon am Tag nach der Wahl geistert das Gespenst der Neuwahl durch die spanischen Medien. «Hoffen wir, dass es zu einer Einigung kommt und nicht noch einmal Wahlen ausgerufen werden müssen», kommentierte Jordi Juan, Chefredaktor der in Barcelona ansässigen Zeitung «La Vanguardia», das Wahlergebnis vom Sonntag. Sein Wunsch ist mehr als eine Floskel: Katalonien braucht dringend eine stabile Regierung, um all den Herausforderungen zu begegnen, die die Coronavirus-Pandemie mit sich bringt.
Dabei sind die Mehrheitsverhältnisse keineswegs so zerklüftet, dass eine Regierungsbildung undenkbar wäre. Die Probleme liegen anderswo. Denn es gab an diesem Wahlabend in Barcelona eine ganze Reihe von Siegern: Da ist zunächst einmal das Lager der Befürworter einer Unabhängigkeit. Sie konnten ihre Mehrheit im Parlament von 70 auf 74 Sitze ausbauen. Die Linksrepublikaner der ERC errangen 33 Sitze und überholten damit erstmals Carles Puigdemonts liberal-konservative Junts per Catalunya, die mit 32 Abgeordneten im Parlament sitzen werden.
Ein Sozialist feiert sich als Sieger
Doch noch einer feierte sich als Sieger: der Sozialist Salvador Illa. Der frühere spanische Gesundheitsminister, der erst im Januar sein Amt aufgegeben hatte und in den Wahlkampf gezogen war, holte für die Sozialisten das beste Wahlergebnis seit 15 Jahren. Sie verdoppeln damit ihre Sitze im Parlament von Barcelona und kommen künftig auf 33 Abgeordnete.
Das Wahlergebnis ermöglicht also auf den ersten Blick zwei Optionen: Entweder kommen die separatistischen Parteien zu einem Abkommen, das die bisherige Koalition aus Junts und ERC mit Unterstützung der kleineren linken CUP fortsetzt, wobei der Linksrepublikaner Pere Aragonès vom Juniorpartner und Vize nun zum Präsidenten der Regionalregierung aufsteigen würde.
Oder aber Illa gelingt es, Aragonès auf seine Seite zu ziehen, ins linke Lager. Dann könnten sie gemeinsam mit dem linken Bündnis En Comú Podem regieren. Die zweite Option ist unwahrscheinlich geworden, nachdem sich die Linksrepublikaner kurz vor der Wahl gemeinsam mit den anderen separatistischen Parteien schriftlich gegen einen Pakt mit den Sozialisten ausgesprochen hatten.
Die Rechtspopulisten werden viertstärkste Partei
Noch eine weitere Partei konnte am Sonntagabend feiern: Die rechtspopulistische Vox zieht mit elf Abgeordneten erstmals ins Parlament von Barcelona ein, sie wird aus dem Stand viertstärkste Kraft. Die Rechtspopulisten haben damit mehr Sitze errungen als die konservative Volkspartei Partido Popular (PP) und die liberalen Ciudadanos zusammen. Für Letztere war die Niederlage besonders bitter: Nach der vergangenen Wahl stellten Ciudadanos die stärkste Fraktion im Regionalparlament.
Gemeinsam mit den Sozialisten bilden diese drei Parteien das Lager derer, die dem Streben nach Unabhängigkeit ablehnend gegenüberstehen. Dabei gibt es graduelle Unterschiede: Während der Sozialist Illa im Wahlkampf daran appellierte, nach vorne zu blicken und den gescheiterten Kampf um Unabhängigkeit hinter sich zu lassen, machten Ciudadanos und PP, vor allem aber Vox einen Antiseparatismus-Wahlkampf.
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Die Umfragen vor der Wahl deuten darauf hin, dass die besonderen Umstände der Abstimmung vor allem die Gegner einer Unabhängigkeit Stimmen gekostet haben. Spanien erlebt gerade eine heftige dritte Welle der Coronavirus-Pandemie. Die Sicherheitsmassnahmen stellten Organisatoren und Wahlhelfer vor Herausforderungen. So wurden vielerorts die Wahllokale entweder unter freiem Himmel eingerichtet oder an besonders geräumigen und luftigen Orten.
Doch trotz aller Vorsichtsmassnahmen und der Aufrufe der Kandidaten zur Briefwahl blieben viele Menschen der Wahl an diesem Sonntag fern. Die Wahlbeteiligung sank im Vergleich zur vorherigen Abstimmung um 26 Prozentpunkte auf 53 Prozent.
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