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Der Fussball hat ihn zum Nomaden gemacht

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Da GC-Trainer Thorsten Fink nicht mit Munsy plante, zog es ihn im Sommer 2018 zum türkischen Aufsteiger Büyüksehir Belediye Erzurumspor. Der Leihvertrag läuft bis Sommer 2019.
Ridge Munsy stiess im Juli 2016 von Thun zu den Zürcher Grasshoppers.
Den Durchbruch in der Schweiz schaffte der Offensivspieler beim FC Thun, ehe er zu GC wechselte.
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Blickt Ridge Munsy aus dem Fenster seiner Wohnung, sieht er weisse Berggipfel. «Schweizer Verhältnisse», sagt er. Den 29-Jährigen hat es nach Erzurum verschlagen, zwei Flugstunden von der türkischen Grossstadt ­Istanbul entfernt, auf 2000 Metern gelegen, mit 800'000 Einwohnern die grösste Stadt Ostanatoliens.

Erzurum ist kein Ort aus dem Reiseprospekt, «aber durchaus schön», wie der kräftige Stürmer findet. Dasselbe gelte für Aue, wo er im Frühjahr lebte. «Ich bin einer, der sich rasch anpassen kann», sagt Munsy, den der Fussball zum Nomaden gemacht hat.

In Aue empfingen ihn die Clubverantwortlichen mit der dringenden Empfehlung, gewisse Orte bei Dunkelheit zu meiden, in der sächsischen Stadt ­haben sich Rechtsextremisten breitgemacht. Munsy, dessen ­Eltern aus der Demokratischen Republik Kongo stammen, nahm sich den Ratschlag zu Herzen, war vorsichtig, aber nicht eingeschüchtert. Über seine Zeit in Deutschland weiss er nichts Schlechtes zu berichten.

Fink plante ohne ihn

16 Partien bestritt er in der Rückrunde in der 2. Bundesliga für Erzgebirge, erstmals seit seiner Anfangszeit bei GC war er gesetzt. Doch die zwei Tore, die er erzielte, genügten als Referenz für eine Festanstellung nicht. Also hiess es nach 6 Monaten wieder packen, umziehen, zurück nach Zürich, wo er rasch erkennen musste, dass auch der neue Trainer Thorsten Fink nicht mit ihm plant. «Die Sache mit GC hat sich nicht so entwickelt, wie ich mir das gedacht habe», sagt Munsy. Er bereue jedoch nichts. «Ich bin zufrieden mit dem Weg, den ich gegangen bin.»

Hier lief es ihm mit GC noch: Munsys Energieanfall im August 2016 gegen YB. Video: SRF

Der Weg führte Munsy plötzlich und unverhofft nach oben. Vor vier Jahren begann sein Tag morgens um 5.30 Uhr, er arbeitete in einer Spenglerei, daneben lernte er fürs Handelsdiplom, abends trainierte er beim SC Kriens, damals in der 1. Liga. 21 Tore in 14 Partien erzielte Munsy in der Vorrunde 2014 – Zahlen, eindrücklich genug, damit ihm Thun einen Vertrag anbot. Sieben Jahre nach seinem einzigen Einsatz für Luzern fand Munsy doch noch Unterschlupf in der Super League.

Munsy war der Türöffner, später wechselten auch seine Krienser Kollegen Dejan Sorgic und Chris Kablan nach Thun. Ihren Werdegang verfolgt er in der Türkei genau. Munsy schreibt Sorgic, der die Torschützenliste der Super League anführt, nach jedem Tor. «Also so gut wie jedes Wochenende», sagt er und lacht.

Munsy kann durchaus ein Mann für die schönen Tore sein. Wie hier im Juli 2015, als er für Thun gegen GC traf. Video: SRF

Für Munsy ging die Reise von Thun aus weiter, über GC und Aue zum Club mit dem Zungenbrechernamen Büyüksehir Belediye Erzurumspor. Als die Türken im Sommer aufstiegen und einen Stürmer suchten, sagte er sich: Warum nicht, viel zu verlieren habe er nicht. Und was er sah, gefiel ihm. Das Team trainiert auf einem modernen Campus, wie GC, nur deutlich grösser. Jeder Spieler hat sein eigenes Zimmer. «Man kümmert sich bestens um uns, ich muss keinen Finger krümmen», sagt Munsy.

Vier Assistenztrainer stehen dem Coach zur Verfügung, im Trainerstab wird Türkisch gesprochen, ein Dolmetscher ist stets dabei. Mit Munsy spielen Bosnier, Brasilianer, Ivorer, Deutsche und Russen, es ist eine kleine Weltauswahl, die der Aufsteiger versammelt hat. Viele von ihnen wohnen im selben Block wie Munsy. «Will ich etwas unternehmen, kann ich an der Tür nebenan anklopfen», sagt er.

Grosse Kulisse

Munsy findet, in der Schweiz hätten viele ein falsches Bild vom türkischen Fussball. Er berichtet, dass bei den Heimspielen von BB Erzurumspor nie weniger als 15000 Zuschauer im Stadion sind. Und dann sind da die Spiele im fernen Istanbul, gegen Galatasaray etwa, Besiktas oder – wie kommenden Montag – bei Fenerbahçe.

Munsy gerät ins Schwärmen, mit Verve erzählt er nun vom 0:1 bei Galatasaray Ende September, als es im Stadion so laut war, dass er kein Wort verstand. «In solchen Momenten», sagt er, «habe ich das Gefühl, auf der grossen Bühne angekommen zu sein.» Nur schon deswegen habe sich der Wechsel gelohnt.

Im Sommer läuft sein Leihvertrag aus. Was danach kommt, weiss er nicht, sein Kontrakt mit GC ist bis 2020 datiert. «Ich konzentriere mich darauf, meine Leistung zu bringen, die Statistik aufzubessern», sagt er. In 11 Partien hat er einen Treffer erzielt, den Stammplatz nach einer Verletzung am Auge verloren.

Hat er nie Heimweh? «Doch, natürlich», sagt Munsy, er freue sich jedes Mal, wenn er sich auf Schweizerdeutsch unterhalten könne. «Tatsache ist, die Schweiz ist sehr schön.» Die Berge in der Ferne, sie erinnern ihn daran.