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Tour de France startet wild
Der eine gewinnt, der andere liegt im Graben

Die ganze Tour-Pein in einem Bild: Marc Hirschi nach seinem zweiten Sturz auf der Startetappe, bei dem er eine Schultereckgelenkssprengung erlitt.
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C’est le Tour – es ist die Tour. Mit dem Bonmot lässt sich so gut wie alles erklären, was die Tour de France von allen anderen Radrennen abhebt. Die Startetappe in der Bretagne ist dafür das beste Beispiel:

  • Es ist die Tour, wenn Mitfavoriten schon am ersten von 21 Renntagen das Rennen verlieren.

  • Es ist die Tour, wenn der Favorit der Heimnation im Weltmeistertrikot die ganze Konkurrenz düpiert, als sei es ein Kinderspiel.

  • Es ist die Tour, wenn Zuschauern ihre Selbstinszenierung wichtiger ist als der Sportwettkampf.

  • Und es ist die Tour, wenn ein im Vorjahr Gefeierter als Vorletzter und Geschlagener über die Ziellinie rollt.

Vor einem Jahr kam die Tour nur zustande, weil sie «à huis clos» durchgeführt wurde, als geschlossene Gesellschaft – ohne Zuschauer. Nun sind diese in Frankreich zurück, auch das ist ein Schritt Richtung Normalität. Einer mit allem, was die Radfans mit sich bringen: mit ihrer grossen Passion, die sie stundenlang am Strassenrand auf das Rennen warten lässt, um dann die vorbeiflitzenden Fahrer anzufeuern. Es bringt aber auch jene Exemplare zurück, die sich primär selbst inszenieren wollen.

Ein Kartonschild bringt das halbe Feld zu Boden

Etwa die Frau, die ein derart breites Kartontransparent gebastelt hat, dass dieses ein gutes Stück in die Strasse hineinragt, als das Fahrerfeld heranbraust. Damit nicht genug: Statt in Richtung der Fahrer zu blicken, dreht sie dem Peloton den Rücken zu, grinst stattdessen in die TV-Kamera, um ihre Grussbotschaft «Allez Omi Opi» ideal zu präsentieren.

Tony Martin kann gar nicht anders, als frontal in den Karton hineinzufahren. Er geht heftig zu Boden und mit ihm viele weitere Fahrer. Unter ihnen auch viele bekannte Namen, einer ist Marc Hirschi. Wie viel Freude Omi und Opi wohl an der Grussbotschaft haben?

Die Gestürzten schaffen alle wieder den Anschluss. Das Fahrerfeld rollt nervös und mit gegen 60 km/h Richtung Etappenfinale, als es wieder knallt, dieses Mal wegen eines Fahrfehlers. Wieder gehört Hirschi zu den Opfern, direkt hinter dem Sturzauslöser fahrend, überschlägt er sich mehrfach, verfehlt nur knapp einen Leitungsmasten und landet im Gestrüpp. Hirschi setzt sich nach einer ersten Untersuchung durch den Rennarzt doch wieder aufs Rad. 18 Minuten nach dem Tagessieger rollt er über die Ziellinie, als 180. von 181 Klassierten.

Vom Rennsanitäter betreut: Später erreicht Hirschi als Vorletzter das Ziel, 18 Minuten nach Sieger Alaphilippe.

Julian Alaphilippe hat da längst wieder seinen Atem gefunden, auch wenn das einige lange Momente gebraucht hat. Er ist die grosse Figur dieses Tour-Starts. Wieder er, ausgerechnet er. Das war bereits vor einem Jahr so, als er am zweiten Tour-Tag in Nizza feuerwerkte, die Etappe gewann und Gelb übernahm. Damals war es Hirschi, der ihn bis zur Ziellinie forderte. Der hat nun andere Sorgen. Am Abend meldet der Teamarzt von UAE-Emirates: Schultereckgelenkssprengung rechts. Ob der Berner zur zweiten Etappe antritt, entscheidet sich am Sonntagmorgen.

Fahren, als gäbe es keine zweite Etappe

Anders als in Nizza ist es in der Bretagne die ganze Favoritenschar, die versucht, Weltmeister Alaphilippe beizukommen. Vergeblich. «Ich habe meinen Teamkollegen am Morgen beim Briefing gesagt, dass ich heute fahren würde, als gäbe es am Sonntag keine zweite Etappe», erzählt Alaphilippe später.

Er setzt es im Finale genau so um. Das Finale ist tückisch: Drei Kilometer vor dem Ziel geht es erst ziemlich steil hoch, dann nimmt die Steigung zur Linie hin immer mehr ab.

Er wird doch nicht etwa?! Die Konkurrenz staunt nur, als Julian Alaphilippe früher als erwartet angreift.

Der Konsens lautet, dass es nicht möglich ist, im Steilen die frühe Entscheidung zu suchen. Doch genau das macht Alaphilippe. Er tritt bei der 2000-Meter-Marke an, als wäre der Zielbogen schon in Sichtweite. Er holt 50, 100 Meter heraus. Dahinter verhält sich Mitfavorit Mathieu van der Poel erstaunlich defensiv. Stattdessen animiert Alaphilippe die slowenischen Tour-Favoriten Tadej Pogacar und Primoz Roglic zur Offensive. Wie sich das Duo spielend von der Konkurrenz absetzt, sagt einiges aus. Dann fahren sie aber nicht zu, weil keiner dem anderen zum allfälligen Sieg verhelfen will.

Mehr geht nicht: Sieger der ersten Tour-Etappe, als Franzose und im weltmeisterlichen Regenbogentrikot.

Vorne wackelt Alaphilippe nur noch den Kopf hin und her, weil er mittlerweile wohl so viel Säure in den Muskeln hat, dass er sich selbst von dieser Bewegung etwas zusätzlichen Vortrieb erhofft: «Ich sagte mir: Die hinten sind auch am Limit – also fahre ich einfach weiter.» Als die Ziellinie dann tatsächlich näher kommt, wird aus dem Kopfschütteln ein Nicken, zusammen mit der Erkenntnis, dass der Sieg ihm ist, dem französischen Weltmeister. Dann wechselt er zurück zum Kopfschütteln, diesmal ungläubig.

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