Auto-AboDer «Du»-Faktor
Unser Auto-Abo-Test mit dem Anbieter Clyde hinterlässt einen bleibenden Eindruck – vor allem, aber nicht nur, weil das Nutzungsmodell genauso «easy» funktioniert wie versprochen.
«Schade», «Wir hoffen, dich bald wiederzusehen» und «Zum Glück sieht man sich immer zweimal im Leben», kommt auf das Kündigungsmail zurück – ganz so, als verabschiedeten wir einen Freund, statt den ohnehin auslaufenden Vertrag für ein Auto-Abo zu beenden. Ausgedacht haben sich diesen lockeren Kundenumgang wahrscheinlich die Markenstrategen des Anbieters Clyde. Doch sämtliche Mitarbeitenden, mit denen wir im Laufe der Monate zu tun haben, wirken so locker und sympathisch, dass wir am Ende nicht nur die Rückgabe des zuletzt gefahrenen Polestar 2 betrauern, sondern ein kleines bisschen auch unseren Abgang aus der «Clyde Family».
Das ist insofern bemerkenswert, als dass es ein schönes, subtiles Beispiel dafür ist, wie sich der viel diskutierte Wandel der Autoindustrie nicht nur in neuen Technologien äussert. Clyde ist einer dieser agilen «Player», wie es im New-Business-Jargon heisst. Ein 2019 gegründetes Zürcher Start-up, das es sich trotz Beteiligung des traditionsreichen Importeurs Amag erlaubt, das «Grüezi, wie kann ich Ihnen helfen?» eines geschulten Verkäufers in einem Showroom durch ein freches «Du» auf einer farbig gestalteten Onlineplattform zu ersetzen. Die angebotenen Fahrzeuge werden nicht nur als Seat Ibiza, VW Multivan, Cupra Formentor und Co. vorgestellt, sie heissen «Felicity», «Devin» oder «Damiana». Und alles wird als «easy» bezeichnet: der Bestellvorgang, die Fahrzeugübergabe (bei der übrigens eine Box voller Postkarten und Aufkleber mit flotten Sprüchen abgegeben wird), ja die Abo-Nutzung an sich. «Wir übernehmen all den Bullshit, die ein eigenes Auto eigentlich so mit sich bringt, damit du Zeit für die wirklich wichtigen Dinge im Leben hast», wird salopp versprochen.
«So geht flexibel»
Tatsächlich erlebten wir die jeweils einmonatige Nutzung der Elektromodelle Skoda Enyaq iV 60, Tesla Model 3 Long Range, VW ID.4 GTX und Polestar 2 als «Bullshit»-frei. Die Onlinebestellung nahm trotz vielfältiger Optionen bezüglich Mindestlaufzeit, Kilometerpaket und Selbstbehalt nur wenige Minuten in Anspruch. Innert weniger Tage folgte nicht nur die Bestätigung, sondern auch eine Auswahl von Zeitfenstern, wann das Auto nach spätestens 10 Arbeitstagen kostenlos geliefert werden sollte, sowie der Fahrzeugausweis. Die Startgebühr: geschenkt. In der monatlichen Flatrate inbegriffen: Versicherung, Reifen, Service, Steuern, Zulassung, Vignette; bei einem E-Auto sind bei Clyde neuerdings sogar die Ladekosten inkludiert. Nettes Detail: Weil der Wagen auf einen selbst angemeldet wird, braucht man als Zürcher nicht mit Aargauer-Kennzeichen herumzufahren (umgekehrt auch nicht, versteht sich). Zur Abokündigung brauchte es nicht mehr als einen Einzeiler per E-Mail 10 Tage im Voraus. Und als die vereinbarte Kilometerzahl einmal überschritten wurde, folgte schlicht eine Rechnung in der Höhe der Differenz zum nächsten Kilometerpaket. Um es in den Worten von Clyde auszudrücken: «So geht flexibel.»
Wer in der alten, vergleichsweise beschwerlichen Autowelt sozialisiert wurde, dürfte bei der neuen Nutzungsform einen Haken suchen. Und wer sucht, der findet natürlich auch. So droht einen schon die schiere Menge an ähnlichen, im Detail aber doch unterschiedlichen Abo-Angeboten – nicht nur von Start-ups, sondern Importeuren, Händlern, Versicherern, Mietwagenfirmen und vielen mehr – zu überfordern. Flexibilität hin oder her: Individuell konfigurieren lassen sich die Fahrzeuge nicht. Und schliesslich wäre da noch der Preis. Ein 12-Monate-Abo für die Elektrolimousine der Volvo-Tochter Polestar kostet bei Clyde beispielsweise 1339 Franken pro Monat. Im Vergleich zu einem Leasing oder kurzfristigen Besitz kann sich das durchaus rechnen (ganz zu schweigen von den Nerven, die man durch das Rundum-Sorglos-Paket spart). Aber eben, es sind halt 1339 Franken. Auch in wirtschaftlich schlechten Monaten.
Einmal Abo, immer Abo
Legt man monatlich nur 250 statt der üblichen 1000 Kilometer zurück und verpflichtet sich für eine 48-monatige Laufzeit, bezahlt man nur 909 Franken. Beträgt die Laufzeit wie in unserem Fall einen einzigen Monat, steigt der Fixpreis mit 1000 Kilometern wiederum auf 1889 Franken. Sinnvoll ist das allenfalls, um die Wartezeit auf einen gekauften Neuwagen zu überbrücken oder wenn man zum Beispiel ein E-Auto im Alltag testen möchte. Entsprechend stellt dies auch nicht den häufigsten «User Case» dar, wie Timo Nührich, CEO von Clyde betont. Der Grossteil der Kundschaft wähle längere Laufzeiten. Vor allem aber kann er für die Schweiz bestätigen, was eine Studie des Center Automotive Research der Universität Duisburg-Essen kürzlich ergeben hat: Wer einmal ein Auto-Abo abgeschlossen hat, bleibt dem Nutzungsmodell treu. «Selbst temporäre Nutzer, die ein Auto bloss eine Saison lang im Abo fahren, sind in der Regel wiederkehrende Kunden», so Nührich.
«Die meisten können sich unter einem Auto-Abo wenig vorstellen.»
Dass der Abomarkt trotz des (medialen) Hypes noch relativ klein ist – in der Schweiz werden derzeit nur knapp fünf Prozent aller Neuwagen im Abo genutzt, Tendenz aber stark steigend –, hat Nührich zufolge weniger mit oben erwähnten Nachteilen zu tun, als damit, dass das Prinzip noch gar nicht so bekannt ist. «Die meisten können sich unter einem Auto-Abo wenig vorstellen», hält er fest. Insofern ginge es Clyde derzeit nicht nur darum, sich als flexibelsten Anbieter zu positionieren, der künftig voll auf E-Mobilität setzt, sondern auch um Aufklärungsarbeit. Die lockere Tonalität dürfte dabei helfen, denn angesprochen fühlen sich von dem Modell tendenziell eher jüngere Leute. Solche, die den Besitz von Tonträgern und Filmen längst «Bullshit» finden und sich darum vorstellen können, auch ein Auto nur im Abo zu nutzen.
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